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Gegen die Mächtigen

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1,7 Millionen Wahlberechtigte, rund ein Drittel aller österreichischen Wähler, waren am Sonntag aufgerufen, die politischen Weichen auf regionaler Ebene zu stellen. Es ging um die Landtage der Bundesländer Niederösterreich und Salzburg sowie um die Mandatsverteilung in den Gemeindestuben des Bundeslandes Kärnten.

Das spektakulärste Ergebnis lieferte das Bundesland Niederösterreich: Die von Landeshauptmann Andreas Maurer angeführte Volkspartei rutschte bei Landtagswahlen erstmals seit 1945 unter die 50-Pro-zent-Marke. Bisher hatte die Volkspartei stets 30 oder 31 Sitze im Landtag der 56 Abgeordneten. Sie fiel nun von 31 auf 29 Mandate zurück; die Sozialistische Partei, die bereits zweimal mit Hans Czettel an der Spitze eher glücklos ins Rennen gegangen war, schaffte diesmal 27 (zuletzt 25) Sitze.

Für die niederösterreichische Volkspartei ist die politische Lage nun recht bedrohlich geworden. Bei Nationalratswahlen ist die SPÖ seit Bruno Kreisky in diesem Bundesland Schritt für Schritt stärker geworden. 1975 betrug der Stimmen-vorsprung der ÖVP gegenüber der SPÖ nur noch 1222. Demgegenüber konnte sich die ÖVP unter Landeshauptmann Maurer nach dem Müllner-Skandal gut erholen und den Vorsprung bei den Landtagswahlen 1974 gar auf 79.796 ausbauen.

Jetzt aber ist der ÖVP-Überhang des Jahres 1974 mehr als halbiert: Die ÖVP ist nur noch um 36.835 Stimmen stärker als Hans Czettels SPÖ. Schon bei einer ersten Analyse stellt sich das niederösterreichische Ergebnis eher als Niederlage von Andreas Maurer denn als Sieg Hans Czettels dar. Dies scheint nicht nur die gegen die ÖVP gerichtete Protestliste des aus der ÖVP ausgeschlossenen früheren Melker Bürgermeisters Kurt Wedl zu beweisen. Wedls Kritik an Maurers „Parteibuch-Republik“ hat ihm doch 7655 Stimmen eingetragen.

Vor allem aber liegt ein Teil der Maurer-Niederlage in der geringen Wahlbeteiligung begründet. Am letzten Sonntag gab es zwar um 76.780 Wahlberechtigte mehr als bei der Nationalratswahl 1975, es wurden aber um 9137 Stimmen weniger gezählt. Während die Wahlbeteiligung bei der Landtagswahl 1974 immerhin 89,7 Prozent, bei der Nationalratswahl sogar 95,1 Prozent betrug, gingen diesmal nur 87,1 Prozent zu den Urnen. 132.557 Wahlberechtigte blieben zu Hause.

Zweifellos hat Andreas Maurers Glaubwürdigkeit in den Augen der Wähler gelitten: Da war einmal der Eiertanz rund um die Kernenergie (im Atomort Zwentendorf hat die ÖVP seit den letzten Landtagswahlen von 44,1 Prozent auf 39,3 Prozent abgebaut); da waren gewisse Verfilzungen zwischen den Geldern von Partei und Land; da hatte man überhaupt manchmal den Eindruck, daß eine scheinbare Identität von Partei und Land hergestellt werden soll.

Auffallend war schließlich, daß der Anti-ÖVP-Trend in industrialisierten Gebieten und Städten nur in abgeschwächter Form festzustellen war. Im Weinviertel etwa sind Verluste der Volkspartei von etwa fünf Prozent nichts Ungewöhnliches. Im Bezirk Hollabrunn beispielsweise fiel die ÖVP von 66 auf 61,8 Prozent zurück, in Eggenburg (Bezirk Horn) nahm die SPÖ von 37 auf 45,1 Prozent seit der letzten Landtagswahl zu. Im Bezirk Neunkirchen wiederum darf sich die ÖVP freuen, „nur“ von 39,3 auf 38,8 Prozent geschrumpft zu sein.

Ein anderes Bild zeichnet hingegen das Salzburger Resultat. Landeshauptmann Wilfried Haslauer, der erstmals als Spitzenmann der ÖVP in die Auseinandersetzung ging, hatte ein Rekordergebnis zu verteidigen, das unter dem legendären Landesvater Lechner 1974 zustande gekommen war. Damals lautete das Ergebnis 18 ÖVP : 13 SPÖ : 5 FPÖ. Das 18. ÖVP-Mandat war allerdings mit knapp 600 Stimmen äußerst schwach abgepolstert. Nun hat die ÖVP ein Mandat an die SPÖ verloren.

Das Rekord-Ergebnis unter Lechner brachte der ÖVP 1974 einen Stimmenvorsprung von 23.708 gegenüber der SPÖ. Bei den Landtagswahlen 1969 war die ÖVP nur um 664 Stimmen stärker gewesen. Nun, unter Haslauer, beträgt der Vorsprung immerhin 14.227 Stimmen. Neben der Tatsache, daß Haslauer - wie er auch selbst in sympathischer und ehrlicher Form meinte - im Lande offenbar noch nicht über jenes Maß an Popularität wie sein Vorgänger Lechner verfügt, machte der Salzburger ÖVP sicher auch die seit Jahren rückläufige Wahlbeteiligung sowie die auch diesmal angetretene Bürgerliste des Schauspielers Herbert Fux zu schaffen.

Im Vergleich mit Niederösterreich läßt sich zu den führenden Politikern vereinfacht sagen: In Niederösterreich führt ein relativ farbloser Hans Czettel die SPÖ an - Titelverteidiger Andreas Maurer bekam von den Wählern diesmal lediglich bestätigt, daß er nicht noch schwächer ist. In Salzburg hat die SPÖ mit Herbert Moritz einen guten Mann an der Spitze, Wilfried Haslauer aber wurde von noch mehr Wählern als der Bessere qualifiziert.

Auch in Salzburg fiel auf, daß die Volkspartei mit einer seit Jahren zu beobachtenden Entwicklung zu kämpfen hat: In typisch ländlichen Gebieten, etwa im Lungau, verliert die Volkspartei immer mehr Anhänger, während ihre Attraktivität im städtischen Raum im langjährigen Durchschnitt steigt. Eine weitere Parallele zu Niederösterreich ist darin zu sehen, daß den Sozialisten ganz offensichtlich nicht der bundespolitische Wind ins Gesicht blies.

Nicht zu vergleichen mit den Landtagswahlen, wo den Mächtigen eine Absage erteilt wurde, sind die Kärntner Gemeinderatswahlen. Hier gab es unterschiedliche Ergebnisse. Die Sozialisten konnten nach dem Sima-Tief bei den letzten Wahlen zum Gemeinderat Terrain zurückerobern, auch die ÖVP wurde stärker. Dafür nahmen die Namenslisten ab.

In der Landeshauptstadt Klagenfurt ereignete sich ein echter Erdrutsch hin zur ÖVP. Ihr Bürgermeister Leopold Guggenberger, der 1973 (als Gegenstück zu Graz) mit der FPÖ eine Koalition einging, konnte das Stimmenkonto seiner Partei von 16.573 auf 22.897 erhöhen. Die Stimmen holte er sich ausschließlich von seinem Koalitionspartner. Die FPÖ magerte von 8703 auf 4195 Stimmen ab. Die SPÖ, bisher in Klagenfurt die traditionell stärkste Partei, hat nun um 429 Stimmen weniger als die ÖVP.

Damit brachten die Gemeinderatswahlen in Klagenfurt eine ähnliche Erkenntnis wie jene in Graz vor etwas mehr als einem Jahr: In Graz, wo FPÖ-Götz mit ÖVP-Unterstüt-zung Bürgermeister wurde, brachte der Bürgermeister-Bonus der FPÖ einen Zugewinn von fünf Mandaten (von neun auf 14); die ÖVP verlor von ihren 20 Sitzen zwei. Im Gegensatz zu Klagenfurt holten sich aber die beiden Koalitionspartner in Graz auch Stimmen von der SPÖ, die von 26 auf 23 Mandate zurückfiel.

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