In Haiders Schatten

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Ist Kärnten anders? Sechs Wochen noch bis zur Landtagswahl, die über das Erbe Jörg Haiders entscheiden wird. Eine Analyse zum Wahlkampf der Parteien südlich des Packsattels.

Rote SPÖ und schwarze ÖVP haben in Kärnten wenig gemeinsam - außer einer besseren Vergangenheit als Gegenwart. Beide stellten einmal den Landeshauptmann und erhielten zu Glanzzeiten über 50 beziehungsweise über 30 Prozent der Wählerstimmen. Trotz späterer Allianzen gegen die FPÖ gab es jedoch zwischen Rot und Schwarz kaum Wählerströme. Zu stark ist die Ablehnung des jeweils anderen. Die logische Folge: Wenn ehemalige SPÖ- und/oder ÖVP-Wähler ihre Stammparteien ablehnen, aus welchen Gründen immer, wird ein Dritter zum großen Sieger.

Das machte unabhängig von Politik und Populismus einen Gutteil der Erfolgsgeschichte Jörg Haiders aus. In den letzten Landtagswahlen 2004 war es vor allem die ÖVP, welche in alle Richtungen verlor. Doch wanderten nur 5.000 Wähler zum Erzfeind SPÖ, mehr als 25.000 hingegen zu Haiders damaliger FPÖ. Fünf Jahre später freilich sieht alles anders aus. Es geht darum, ob das BZÖ den ersten Platz verteidigen kann und - was damit nichts zu tun haben muss - eine tragfähige Koalitionsmehrheit zusammenbringt.

Ein neues Starterfeld

Aus blau ist orange geworden, doch die FPÖ tritt ebenfalls an und schickt neben nationalen Kernbeständen mehrere BZÖ-Rück-Überläufer sowie Quereinsteiger ins Rennen. Der ÖVP-Tiefstand und der Unsicherheitsfaktor FPÖ führen dazu, dass Wahlprognosen zum Glücksspiel werden. Die Grünen sind mit im Rennen, zudem führt eine Wahlrechtsänderungen (die Senkung der Mindestprozentklausel von fast zehn Prozent in einem Wahlkreis auf fünf Prozent landesweit) dazu, dass fünf Parteien im Landtag möglich bis wahrscheinlich sind.

Umfragen sagen da wenig aus. Im Dezember 2003 lag die damalige Haider-FPÖ deutlich hinter der SPÖ. Es folgte deren stagnierender Wahlkampf mit am Ende 38 Prozent. Gleichzeitig kletterte die FPÖ von 29 Prozent bis auf 42 Prozent als Wahlergebnis im März 2004. Parallel dazu sanken die Werte der ÖVP von 25 Prozent auf blamable elf Prozent. 2008/09 schwanken öffentlich zugängliche Daten je nach Partei und Zeitung um zehn Prozentpunkte und mehr.

Für blaue Wahlsiege war allerdings stets die Person das Programm. Jörg Haiders Name zierte - dem Parteinamen vorangestellt - die Listenbezeichnung auf dem Wahlzettel. Er fungierte als Leitfigur, Integrations- und Identifikationsfaktor sowie Motivator. Es gab in Kärnten trotz Knittelfeld Geschlossenheit statt Zerfallserscheinungen, keine Grabenkämpfe und den Glauben an Erfolge. Mindestens jeder zweite FPÖ-Wähler nannte Haider als ausschlaggebenden Wahlgrund. 2009 will und muss das BZÖ so etwas mit dem toten Parteigründer durch die Bedienung seines tatsächlichen oder angeblichen Mythos wiederholen.

Altbekannt ist, dass auswärtige Kritik an Kärntens politischer Kultur, seiner Wirtschaft, der sozialen Lage oder egal woran Solidaritätseffekte für den Landeshauptmann auslösen soll. Dieses Spiel wird von den Ortstafeln bis zum Asylrecht durchgespielt. "Gegen Wien" ist in allen Bundesländern ein Kampagneschlager und trifft in Kärnten auf eine spezielle Mischung von Regionalstolz und Minderwertigkeitskomplexen. Gefühle der Benachteiligung machen das Wehklagen über vermeintliche Schandtaten der Regierung mehrheitsfähig.

Macht als Parteienkitt

Ansonsten wird man sich an Amtsinhaber-Rezepte halten, die der erfolglose Herausforderer Ambrozy so beschrieb: "Wenn morgen der Wörthersee zufriert oder es schneit, wird das als Initiative des Landeshauptmanns verkauft!" Traditionelle Wahlzuckerln, diesmal als Jugendstartgeld, gibt es seitens des BZÖ als Draufgabe. Entscheidend ist, ob zwischen dem nunmehrigen Amtsinhaber Gerhard Dörfler, dem ambitionierten Landesrat Uwe Scheuch plus Bruder Kurt als Klubobmann im Schlepptau, dem im Land abmontierten Generalsekretär Martin Strutz sowie Stefan Petzner Einigkeit besteht. Das Machtinteresse ist gemeinsamer Nenner, doch hat nach Haiders Tod bei der Nachfolgewahl im Landtag scheinbar jemand für Reinhart Rohr von der SPÖ gestimmt. Und schon für die Bekanntgabe des Wahlziels (über 40 Prozent oder nicht) war man alles andere als einer Meinung.

Von der Schwäche der Gegner zu leben, das dürfte nicht ausreichen. Nur die ÖVP mit Josef Martinz wirkt unverändert scheintot. Wenn sie trotzdem aktiv wird, macht sie einen Denkfehler. Es gibt keine guten oder schlechten Strategien, sondern nur passende und unpassende. Die ÖVP tritt oft auf, als wäre sie im Besitz absoluter Macht. Das ist wegen akuter Arroganzgefahr schon beim BZÖ heikel, für die Martinz-ÖVP wirkt es aber geradezu lächerlich. Von Überlegungen, wie man sich als Kleinpartei positioniert, ist nichts zu merken.

Demgegenüber ist die SPÖ mit Neo-Parteichef Rohr ebenfalls keine Super-Wahlmaschine, hat sich aber infolge einer Mischung aus eigenen und fremden Verdiensten halbwegs erfangen. Ausnahmsweise hilft sogar die Bundespolitik der SPÖ. Kanzler Faymann ist im Gegensatz zu Gusenbauer weder Schreckgespenst noch heimlicher Gegner. Vor allem geht es momentan um Arbeitsplätze - ein Kernthema jeder sozialdemokratischen Parteiorganisation.

Ein großer Einflussfaktor ist außerdem, dass am 1. März auch alle Regional- und Lokalwahlen stattfinden. Das bedeutet eine Landtagswahl zuzüglich zweimal 132 Wahlen für den Gemeinderat und die Sessel der Bürgermeister. Das kann für die Bürgermeisterpartei SPÖ mehr Nach- als Vorteil sein, weil mächtige Stadtchefs gerne ihr privates Süppchen kochen. 2004 gründete der Wolfsberger SPÖler Gerhard Seyfried zum Wahlkampfauftakt eine Plattform mit Jörg Haider. Nachher inszenierte er sich mit der Aussage, ein Karawankenbär wäre besser als Ambrozy gewesen. Bei Rohr als Gemeindereferent in der Regierung dürfte wenigstens aktiver Widerstand gegen die eigene Landespartei ausbleiben.

Entscheidung durch Proporzsystem

Für das BZÖ ist die Zusammenlegung der Wahlen nicht ideal, weil man nur auf Landesebene aus der FPÖ entstanden ist. In den Gemeinden sind Mandatare ungleich orientierungsloser, wem sie sich zugehörig fühlen. Heinz-Christian Strache weiß das, und sucht ebenda Überläufer, wie der Fall des FPÖ-Spitzenkandidaten Mario Canori beweist. Doch bei allen Überlegungen ist Vorsicht geboten, denn am Wahltag ist womöglich noch nichts entschieden: In Kärnten gibt es nämlich formal keine Koalitionen, sondern ein Proporzsystem, demzufolge alle Parteien mit einer Mindestzahl von Stimmen Anspruch auf eine anteilige Zahl der insgesamt sieben Regierungssitze haben. Derzeit stehen BZÖ und SPÖ je drei Landesräte und der ÖVP ein Landesrat zu. Es gibt also vielleicht nach dem 1. März 2009 ein Zünglein an der Waage. Für die Wahl des Landeshauptmanns im Landtag sowie für Landtagsbeschlüsse sind zudem Arbeitsübereinkünfte, basierend auf von De-facto-Koalitionen gebildeten Mehrheiten, erforderlich. Schaffen es fünf Parteien in den Landtag, müssen sich entweder BZÖ und SPÖ wider Erwarten einigen oder es bedarf einer komplizierten Dreierkonstellation. Nach der Wahl ist also vor der Wahl.

Der Autor ist Professor für Politikwissenschaft an der Donau-Universität Krems

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