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Jörg Haiders Polit-Westem

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Kärntens Landesparteisekretär und angebliches FPÖ-Wunderkind Jörg Haider hat sich das Drehbuch seines sommerlichen Polit-Western ungefähr so zurechtgelegt: „Der Ziehsohn (Jörg Haider) überredet ein paar gute Freunde, seinen ihm fremd gewordenen Ziehvater (Friedrich Peter), den altgedienten Sheriff, zum Rücktritt zu zwingen. Ein Ubergangs-Sheriff übernimmt für ein paar Jahre das hohe Amt, bis der Ziehsohn selbst als neuer Held und Liebling des Volkes die Sheriff-Agenden übernimmt.”

Der Krimi-Autor aus Kärnten, der bisher ungeteilter Sympathien in den Reihen der jungen Intelligenz seiner Partei sicher sein konnte, hat sich nun etwas übernommen. Mit seinem umstrittenen Interview, in dem er Otto Scrinzi als scheinbar plausiblen Pe- ter-Nachfolger ins Spiel bringen wollte, hat er vermutlich zweierlei bezweckt: Erstens neues öl ins Peter- Nachfolge-Feuer zu gießen, um Peter immer wieder von neuem zu seiner Aussage, er wolle am kommenden Parteitag nicht mehr kandidieren, zu zwingen. Zweitens Vorverlegung des erst im Herbst 1978 fälligen Parteitages.

Die tonangebenden Herren unter den Freiheitlichen sind sich zwar im klaren darüber, daß nun bald - im Interesse der Partei - ein Wechsel an der Spitze und der Startschuß für die Nach-Peter-Ära fällig sind, sie dürften aber auch darin keinen Illusionen erliegen, daß Peter selbst die wohl beste Garantie für eine halbwegs geordnete Hofübergabe ist. Jeglicher von Länderinteressen getragene Diadochen- kampf würde die schon jetzt recht schwache dritte Kraft im Parlament weiter entkräften.

Daß Peters Zeit zwangsläufig einmal abgelaufen sein wird, wurde oft genug gesagt. Auch, daß Gerulf Stix (Tirol) ganz gerne Nachfolger werden möchte, daß Waldemar Steiner (Salzburg) und Horst Sehender (Oberösterreich) allenfalls auch in Frage kommen; sowie, daß Alexander Götz, derzeit Grazer Bürgermeister, der beste Kandidat wäre, der aber vermutlich den Bürgermeistersessel in Graz nicht unter dem Wert eines Ministersessels in Wien - wenn überhaupt - verkauft.

Kein Zweifel: Uber Mangel an Köpfen hat die FPÖ am wenigsten zu klagen.

Immer wieder heißt es, eine Partei, will sie erfolgreich sein, brauche drei Dinge mit „P”: Starke Persönlichkeiten, ein gutes Programm, eine glaubwürdige Politik. In den Punkten zwei und drei sind schon eher die Ursachen dafür zu suchen, daß die FPÖ unter ihrem Wert, zumal auf Bundesebene, geschlagen wird.

Als Argument dafür kann sicherlich das oft sehr unterschiedliche Abschneiden der Freiheitlichen bei Regional* und Bundeswahlen gewertet werden: In nicht wenigen Gemeinden Österreichs stellt die FPÖ den Bürgermeister, so auch in der zweitgrößten Stadt des Bundesgebietes, Graz, wo sie mit neun von 56 Mandaten über ein beträchtliches Anhängerpotential verfugt. In Graz - und auch in vielen anderen Städten und Gemeinden - entscheiden sich bei Nationalratswahlen nicht halb soviele Wähler für die FPÖ.

Wahrscheinliche Ursache: Überall dort, wo nicht ein theoretisches Grundsatzprogramm, sondern eher ein praxisorientiertes Aktionsprogramm im Vordergrund steht, wo es gilt, eine vernünftige, volksnahe Sachpolitik zu betreiben, also auf Kommunal- und teilweise auch auf Landesebene, gelingt es den Freiheitlichen wesentlich besser, ihre potentiellen Wählerschichten auszuschöpfen, als bei Nationalratswahlen.

Ein ihrer Partei nachgesagtes Theoriedefizit wird von FPÖ-Funktionären immer wieder bestritten. Sie hätten unverrückbare Grundsätze in ihrem Programm, im Freiheitlichen Manifest, sagen sie.

Dem muß aber entgegengehalten werden: Zu lange und zu offensichtlich haben sich die Freiheitlichen auf Bundesebene als „Zünglein an der Waage” und als „Steigbügelhalter” in des Wählers Erinnerung gerufen. So scheint in den Augen der Öffentlichkeit bei der FPÖ manchmal die Frage der Macht, der Taktik und der Opportunität vor den Grundsätzen zu kommen. Spekulationen um künftige Koalitionen sind auch schädlich, insofern sie den Eindruck erwecken, die FPÖ „könne” ebenso mit „rot” wie mit „schwarz”.

Dazu kommt noch, daß die FPÖ zwei Gesichter hat: Jenes, das die Öffentlichkeit von ihr zeichnet, das „nationale” Gesicht, und jenes, das sie in letzter Zeit selbst von sich malt, das „liberale” Gesicht. Hier hat die FPÖ mit dem großen Nachteil zu kämpfen, daß sich insbesondere in Österreich niemand ein Bild davon machen kann, was eigentlich „liberal” ist. Es sei nur daran erinnert, daß es in Europa nicht weniger als drei verschiedene Typen liberaler Parteien gibt: Traditionell-repii- blikanische Parteien, die sich primär der Verteidigung errungener Bürgerrechte verschrieben haben; Parteien, die sich im Übergang vom besitzbürgerlichen zum sozialen Liberalismus befinden; Parteien, die sich als Vorkämpfer einer zweiten bürgerlichen Revolution verstehen.

Das Problem heißt also nicht: Folgt Götz oder Haider oder Peter auf Peter? Es geht vielmehr darum, daß die FPÖ, unter welchem Obmann auch imitier, ihre grundsatztheoretisches Position glaubwürdiger herajisarbei- tet, daß sie ihrem Wähler mehr ver-’ spricht, als Steigbügelhalter zu sein und an der Macht mitnaschen zu wollen.

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