6800903-1971_34_04.jpg
Digital In Arbeit

Ein Himmelfahrtskommando?

Werbung
Werbung
Werbung

Zwar werden Peter & Co. erst in der ersten Septemberhälfte ihre Karten auf den Tisch legen, bereits heute zeichnet sich aber ab, welches Wahlziel sich das „blaue Fähnlein“ gesteckt hat: Man hat sich, durch leidvolle Erfahrung bereichert, darauf geeinigt, „weder über die Verwendungsmöglichkeit von Personen noch über Ziffern und erwartete Mandate“ zu plaudern — so der FPÖ- Geschäftsführer Bogner. Es steht aber fest, daß es für die FPÖ um die Macht, um die Beteiligung an der Regierung in der kommenden Gesetzgebungsperiode des Nationalrats geht.

„Keine Partei hält es auf die Dauer aus, von der Macht ausge schlossen zu sein. Diese Erfahrung muß selbstverständlich auch die Politik der Freiheitlichen Partei mitbestimmen“, formulierte unlängst Zeillinger das „unbändige“ Verlangen nach echter Regierungsbeteiligung. Und das „Unternehmen 10. Oktober“ steht für die Freiheitlichen unter einem guten Stern: Das SPÖ-Zugpferd Kreisky ließ keinen Zweifel aufkommen, daß eine große Koalition nur unter schwierigsten Bedingungen möglich ist. Die ÖVP sei, trotz des erfolgten Führungswechsels, noch kein Koalitionspartner. Und es war auch Kreisky, der mit seiner Minderheitsregierung zielbewußt auf eine künftige kleine Koalition SPÖ-FPÖ hingearbeitet hat, wohl wissend, daß diese nur durch Neuwahlen verwirklicht werden kann. Denn die FPÖ konnte — ohne Neuwahlen — nicht über den Schatten ihrer Erklärung vom 16. Jänner 1970 springen.

Im Gegensatz zu Kreisky entfernt sich die ÖVP immer weiter von einer gemeinsamen Arbeitsbasis mit der FPÖ. Schleinzer, der noch vom Bundesparteitag mit der Hoffnung gewählt worden war, mit Hilfe der FPÖ Kreisky auszuspielen, schlug die Tür, die er zu öffnen versuchte, zu und gab bereits im Vorwahlkampf die Parole aus, daß jede FPÖ- Stimme Kreisky zugute komme. Dadurch erleichterte Schleinzer selbstverständlich den Freiheitlichen ihre Argumentation.

Sie drehen nämlich den Spieß um: Nicht gegen die SPÖ, sondern gegen die FPÖ richte die ÖVP ihren Wahlkampf, klagen die Mannen um Peter und versuchen damit, jenes Mitleidsgefühl im Wähler zu erwecken, jenen Anschein, daß man „immer auf die Kleinen losgeht“. Dazu Zeillinger in seiner witzig-zynischen Art: „Die rote Katze hat ein neues G’wand bekommen!“

Dem Wähler soll das Gefühl vermittelt werden, daß jede Regierung, die von der FPÖ abhängig ist, akzeptiert werden kann. Letztlich kann die FPÖ die Minderheitsregierung Kreisky ins Treffen führen, die sich auch nur mit der freiheitlichen Parlamentsfraktion über Wasser halten konnte. Und wieder ist es Zeillinger, der diese Haltung in Worte kleidet: „Die Roten waren nur deshalb so verträglich, weil sie in der Minderheit waren.“ Fazit: Wenn also ein Aufpasser da ist, sind die „Roten“ nicht schlechter als die ÖVP.

Den Freiheitlichen geht es am 10. Oktober vor allem darum, nicht wieder in jenes Aschenbrödeldasein zu verfallen, wie sie es aus der Zeit der großen Koalition gewohnt waren. Dem entgegenzutreten soll auch das Wahlkampfprogramm beitragen, das zwar noch streng geheimgehalten wird, aber sich — dem Vernehmen nach — bereits auf

Koalitionskurs befindet. Wirtschaftspolitische, sozialpolitische und Umweltschutzvorstellungen sind so gehalten, daß sie sich einmal mit ÖVP-, dann wieder mit SPÖ-Argu- menten deeken und in Einklang bringen lassen. Im Gegensatz zu früheren Wahlkämpfen kann aber die FPÖ diesmal auch eine Positivwerbung trommeln: Bei mehr als

20 Gesetzen hat die FPÖ in der letzten, kurzen Legislaturperiode den Ausschlag gegeben. Die Uberstundenregelung und der Wegfall der Autosondersteuer werden dabei besonders herausgestellt werden.

Stimmengewinne hofft man in der FP-Zentrale in det Kärntnerstraße auch dem Umstand abzugewinnen, daß die FP-Mandatare am Rednerpult im Parlament den denkbar besten Eindruck hinterlassen haben. Und man gesteht offen ein, daß dieser Eindruck vor allem durch die TV-Monsterübertragungen aus dem Parlament hervorgerufen wurde, bei denen Peter & Co. ihre Gegenspieler aus den beiden großen Parteien mit ihren Rednerqualitäten glatt an die Wand spielten.

Die Schlüsselfiguren im FP- Wahlkampf sind zweifelsohne Peter, Zeillinger und Gredler. Während Peter die FP-Stammwähler an der Kandare halten soll, erhofft man sich durch Zeillinger Stimmengewinne bei den rechten Randschichten der SPÖ, und mit dem aus Bonn zurückgekehrten Gredler glaubt man, im rissigen VP-Wählergefüge Fuß fassen zu können. Der Grazer Vizebürgermeister Götz steht als Zugpferd für die Jungwähler im Stall, bei denen speziell das FP-Ja zur Bundesheemovelle ins Gewicht fallen könnte.

Wenig — oder besser gesagt: überhaupt nicht — will man sich im freiheitlichen Lager der Tatsachen bewußt werden, die im Gefolge des 10. Oktober kommen könnten. Die FPÖ war ganz augenscheinlich jene österreichische Partei, die in der jüngsten Vergangenheit am wenigsten unter personellen Krisen in der Führungsspitze zu leiden hatte. Der Grund für diese „Einigkeit“ ist ein denkbar einfacher: Man hatte keine Macht und somit keine Machtpositionen zu vergeben. Geht es aber erst um Regierungssitze, kommen auch die Versuchungen der Macht. Das bundesdeutsche Gegenstück sollte der FPÖ dafür warnendes Beispiel sein. Nicht nur, daß durch interne Machtkämpfe gute Leute geopfert werden können, wird, auch die Wählerschaft vergrämt, wenn eine Regierungsbeteiligung der Selbstaufgabe der Partei gleichkommt.

Die Rechnung für die Absage an die SPÖ vom Jänner 1970 hat die Freiheitliche Partei bereits präsentiert bekommen, mit viel Geschick und Glück — sprich: Minderheitsregierung Kreisky — aber beglichen. Noch ist nicht abzusehen, wie der neue politische Stil Peters zu Buche schlagen wird, doch haben Peter & Co. möglicherweise ein Himmelfahrtskommando übernommen.

Stellt sich der Erfolg ein, gilt es, die Mannschaft beisammenzuhalten und nicht in internen Machtkämpfen sich selbst aufzureiben — genauso wie bei einem Mißerfolg.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung