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Aufschwung für Steger

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Steger hat mit Mock den Aufschwung geschafft - man sage nicht, an Wahlkampfslogans sei nichts dran. Aber der Sonntag- Jubel in der Mock-Zentrale, psychologisch nur allzu gut verständlich, wird sehr bald verfliegen, wenn die Demütigungspolitik der SPO einmal zu greifen begonnen hat.

Sie war von Anbeginn mitprogrammiert. Keine der FURCHE- Prognosen (von denen alle bis auf die Erwartung grüner Mandate hielten) war so risikolos wie diese: daß Bruno Kreisky weiterhin alles versuchen würde, die ÖVP durch Fernhalten von Regierungsverantwortung zu zermürben.

Kein Zweifel: Dieses Kreisky- Konzept ist von Fred Sinowatz,

Karl Blecha und anderen Parteigrößen voll übernommen worden.

Es wird also, was immer jetzt pro forma querfeldein verhandelt wird, eine rotblaue Koalition geben, obgleich die SPO, gemessen am Stimmenstand von 1979, diesmal 6,3 und FPÖ 18 Prozent verloren, die Volkspartei aber 3,1 Prozent dazugewonnen hat. (Die auf die Gesamtstimmenzahl bezogenen „Prozentpunkte“ der Vergleichstabellen verniedlichen diese Fakten.)

Bedenkt man die relative Unbeweglichkeit vieler österreichischer Wähler, war die Niederlage der SPÖ eindeutig und die Art, wie Bruno Kreisky darauf schon am Wahlabend reagierte, imponierend: Zum erstenmal nahm er sich selbst beim Wort.

Die FPÖ wird in einer Regierungskoalition u. a. ein, zwei Ministerien bekommen, wo traditionell nichtsozialistische Wählerinteressen verwaltet werden: Landwirtschaft, Handel zum Beispiel. Die SPÖ-Rechnung dabei ist: Wenn Bauern und Wirtschaft etwas von der Regierung brauchen, müssen sie zur FPÖ gehen. Deren Minister werden mit Zuckerln nicht allzu knausrig sein, und dann werden immer mehr Bauern und Wirtschaftstreibende der ÖVP auch als Wähler davonlaufen!

Das ist ein Konzept, das die ÖVP auf eine harte Geduld- und Zerreißprobe stellen wird, die ihr eine starke Führung und viel Selbstdisziplin abverlangt.

Dennoch sieht die Lage mittelfristig so übel für sie auch wieder nicht aus. Die neue Situation zwingt die SPÖ, Macht mit der FPO zu teilen. Da bleibt dann kaum noch Platz, mit liberalen oder katholischen Nullgruppenministern um streckenweise Wegbegleitung zu werben.

Auch wird selbst eine kleine Koalition die SPÖ zur Profilierung zwingen. Dabei wird sie automatisch nach links rücken, weil die rechte Mitte jeTzt ja freiheitlich besetzt ist. Der Volkspartei ermöglicht eine solche Entwicklung, bei der nächsten Wahl noch überzeugender zu argumentieren, daß die wirkliche Alternative zur SPÖ nur eine führende ÖVP ist.

Wenn die ÖVP dafür die Nerven aufbringt, muß es also mittelfristig für sie nicht schiefgehen. Schwierig wird nur die Überleitung der Funktionärs- und Wählereuphorie der Wahlnacht in rauhen Realitätssinn sein. Der achtunggebietende Erfolg Alois

Mocks, der jede neue Obmanndiskussion ausschließt, könnte die Kraft dazu verleihen.

Die Wiener Parteisituation bietet keine Reibungsfläche: Die ÖVP schnitt hier um 1,4 Prozentpunkte besser als die Bundespartei ab - gut genug, um den Busek- Kurs zu rechtfertigen, zuwenig spektakulär, um Eifersüchtelei zu nähren.

Die Wiener Ergebnisse mußten, wie sie anfielen und interpretiert wurden, Fernseher total verwirren. Faktum ist: Wohl nahm die SPÖ bei der Nationalratswahl um vier, bei der Landtags- bzw. Gemeindewahl um nur 1,7 Prozentpunkte ab und die ÖVP gewann beim Nationalrat 1,6, für die Gemeinde aber nur ein Prozent. Man darf aber nicht vergessen, daß jeweils National- und Gemeindewahlergebnisse miteinander verglichen wurden, bei denen die SPÖ-Werte früher noch stärker auseinanderlagen.

Dabei blieb aber die Tatsache unbeachtet, daß Kreisky um 12.003 Stimmen in Wien noch immer vor Gratz und Busek um 13.411 Stimmen vor Mock liegt. Gratz kam außerdem die diesmal erhöhte Wahlbeteiligung (84 : 72 %) zugute, während Nichtwähler 1978 die Haupthilfe für Busek gewesen waren.

Noch nie seit 1945 hatte die ÖVP so viele Gemeinderats- bzw. Landtagssitze in Wien. Freilich: Mit dem sensationellen Erfolg der Vorarlberger Volkspartei (+ 5,5 Prozentpunkte) läßt sich kein anderes Bundesland messen.

Der Versuch des dortigen SPÖ- Obmanns Mayr, den drastischen Wählerwechsel mit „Industriellengeldern“ zu erklären, ist lächerlich: An Geld hat es der SPO österreichweit in diesem Wahlkampf wirklich nicht gefehlt!

Eher dürfte da schon Motiven- forschung ans Ziel führen: Vermutlich hat „Sparen“ nirgendwo einen so guten und „Verschwenden“ nirgendwo einen so schlechten Klang wie jenseits des Arlberg.

Beides waren Schlüsselbegriffe auch im FPO-Wahlkampf: einer der vielen Gründe, warum ÖVP und FPÖ programmatisch einander’ natürlich näherstehen als SPÖ und FPÖ, auch wenn uns nun pausenlos das Gegenteil eingetrichtert wird.

Freilich hat ÖVP-Generalse- kretär Michael Graff durch mehrfache ungeschickte Schlenkerer gegen die FPÖ den Freiheitlichen einen Vorwand dafür geliefert, zu tun, was sie auch sonst getan hätten. Hier kann die Bundes-ÖVP immer noch von ihren Landeshauptleuten etwa in Oberösterreich, Salzburg und der Steiermark lernen…

Die FPÖ hat mit dem schlechtesten Stimmenstand seit 1956 das beste Mandatsergebnis seit 1953 erzielt. (Die Wahlrechtstücken analysieren wir auf S. 4.)

Daß sie aus der Situation das Bestmögliche herausholen will, ist ihr gutes Recht. In Wien, wo sie nur knapp die hier bestehende Fünf-Prozent-Hürde schaffte und einen von drei Gemeinderatssitzen verlor, wurde sie unter ihrem Wert — der hier Erwin Hirnschall heißt — geschlagen.

Wie wanderten die Wählerstimmen? Laut einer wissenschaftlich fundierten Erstschätzung des Statistikinstituts der Universität Wien von der SPÖ zu FPÖ, Grünen und Alternativen und von der FPO zu ÖVP, Grünen und ALÖ, so daß Grüne und ALÖ vor allem SPO, FPÖ und das Nichtwähler- „Lager“ beerbten, kaum aber, wie prophezeit, die Volkspartei!

Und warum wanderten die Wähler? Hier ist man noch stark auf Vermutungen angewiesen. Deutlich aber zeigte sich: Die Sozialisten verloren (und die ÖVP gewann) überdurchschnittlich stark in Städten, Industriegemeinden und Wiener Arbeiterbezirken: Linz (SP -4,6 %), Wels (SP -4,6 %), Steyr (SP -4,4 %), Salzburg (SP -4,5 %), Graz (SP -3 %) sind beredte Zeugnisse. Das heißt: Mit der Parole „Arbeitsplatzsicherung durch Schuldenmachen“ darf auch eine traditionelle Arbeiterpartei nicht grenzenlose Demagogie betreiben! Hier gab’s ein deutliches Signal.

Weniger eindeutig war das Ergebnis bei Grünen und Alternativen. Sich weiszumachen, ihre Sache habe eine blamable Abfuhr erlitten, wäre freilich eine grobe Selbsttäuschung.

Grün als Denkhilfe für neue Formen der Umwelt- und Lebensgestaltung, wie Busek einmal sagte, bleibt eine zentrale Verpflichtung für jede Partei. Was einen Mandatserfolg verhinderte, war nicht nur der würdelose Streit einiger Möchtegernpolitiker und schon gar nicht Medien- verrat, wie Fux und Tollmann in seltener Harmonie beklagten.

Es gab vielleicht auch die Überlegung vieler Wähler, daß dem grünen Anliegen weniger durch neue Parteien mit diffusen Programmen und Aussicht auf zwei, drei Mandate gedient ist als mit Druck von außen auf jene, die wirklich etwas zu reden haben. Dieser Druck wird auch in Zukunft nötig sein - aber er muß sinnvoll und glaubwürdig vorgetragen werden.

Bleibt zu ergänzen, daß die Kommunisten erstaunlicherweise noch immer weiter verlieren können, die ehrenwerten Exponenten der Österreich-Partei sicher heil auf den Bodervder Wirklichkeit zurückgekehrt sind und die „Ausländer-halt“-Bewegung erfreulicherweise als quantite ne- gligeable entlarvt worden ist.

Die Rolle des Bundespräsidenten bei der Regierungsbildung ist, wie Rudolf Kirchschläger in einem ORF-Interview Ende Oktober 1982 einräumte, bedeutend. Dennoch muß man fairerweise sagen: Wenn der Vorsitzende der mandatsstärksten Partei mit der FPÖ eine Regierung zu bilden in der Lage ist, kann dies heute kein Bundespräsident mehr mit dem Argument Theodor Körners vom 12. März 1953 verhindern, diese Partei sei der Republik Österreich gegenüber zu reserviert.

Wohl aber wird der Bundespräsident, so Kirchschläger selbst, „auf die Kooperationsbereitschaft, die im Parlament zwischen den einzelnen Parteien existiert“, Bedacht nehmen. Für das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein solcher Bereitschaften ist aber nicht das Staatsoberhaupt verantwortlich.

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