6836347-1975_17_01.jpg
Digital In Arbeit

Regierungspoker

Werbung
Werbung
Werbung

Wie sich die Bilder gleichen: 1970 bezeichnete Kanzler Josef Klaus die „monocolore“ Regierung, gestützt auf die absolute Mehrheit einer Partei, als Ideal und forderte die Wähler zu einem entsprechenden Votum auf, widrigenfalls er nicht mehr als Regierungschef zur Verfügung stünde. Die Sozialisten hingegen verdammten damals die Alleinherrschaft einer Partei auf Grund einer hauchdünnen Mehrheit und priesen die Koalition.

Klaus verlor den Poker um die Wählerstimmen und zog die Konsequenzen.

1975 sieht Bruno Kreisky in der absoluten Mehrheitsregierung sein Ideal und will nur für eine solche zur Verfügung stehen. Die ÖVP hingegen ist auf die Koalition eingeschworen. Parteiobmann Schleinzer hat dies am letzten Parteitag deutlich ausgesprochen.

Wie wird der Poker also diesmal ausgehen?

Alber hier endet auch schon die Analogie. Während sich nämlich von 1970 bei nahezu allen Regionalwahlen ein ziemlich einheitlicher Trend gegen die ÖVP-AHeinregierung bemerkbar gemacht hatte, ist der Trend gegen die SPÖ-Regierung keineswegs eindeutig. Speziell bei den letzten Regionalwahlen konnten sich die Sozialisten wieder gut behaupten, und es wäre zu simpel, dafür lediglich lokale Besonderheiten verantwortlich machen zu wollen — dies um so mehr, als analoge Tendenzen in der Bundesrepublik Deutschland mit einem sehr ähnlichen Wähler-verhalten zu beobachten sind.

Die ÖVP kann keineswegs damit rechnen, daß sich der Umschwung von 1970 „automatisch“ wiederholen werde und daß eine sozialistische absolute Mehrheit unter allen Umständen „nicht mehr drin“ sei. Dazu wird sich die Volkspartei noch einigermaßen anstrengen müssen.

Die wieder vermehrte Wählergunst für die Sozialisten in letzter Zeit mag einigermaßen erstaunen, wäre doch zu erwarten gewesen, daß die unübersehbaren Rezessionserscheinungen gerade der Regierungspartei negativ zu Buch schlügen. Dem Kabinett Klaus etwa wurde sowohl die Konjunkturschwäche zu Anfang seiner Legislaturperiode als auch die dreiprozentige Inflation an deren Ende vom Wähler voll angelastet, keine internationalen Tendenzen wurden als Milderungsgrund anerkannt. Der Regierung Kreisky scheinen hingegen solche Entlastungsmanöver offenbar sehr wohl zu gelingen.

Diese divergente Reaktion vieler Wechselwähler dürfte folgende Ursachen haben:

1. Bessere Public-Relations-Arbeit der SPÖ: Die Regierung Kresky versteht es besser, sich zu „verkaufen“ als seinerzeit die Regierung Klaus; sie kann auch ihren Standpunkt der breiten Öffentlichkeit besser klar machen als die gegenwärtige Opposition. Die Abwälzung der Schuld auf internationale Entwicklungen — sowohl hinsichtlich der Inflation als auch der Rezession — gelingt dieser Regierung bei weitem leichter, als ihrer Vorgängerin. Die Opposition hingegen versteht es nicht richtig, die Mitschuld des Kabinetts und die Möglichkeiten, es anders als dieses zu machen, dem breiten Wählerpublikum gehörig vor Augen zu führen.

2. Gerade das, was eigentlich die Regierung am schwersten treffen müßte, nämlich der Konjunktur-abschwung und die steigende Arbeitslosigkeit, schlägt ihr offenbar positiv zugute. Solange die Inflation

die Hauptsorge der Bevölkerung war, hatte sich ein Trend zur ÖVP bemerkbar gemacht, seit die Arbeitslosigkeit in den Vordergrund tritt, scheinen sich größere. Wählergruppen wieder der SPÖ zuzuwenden, obwohl doch eigentlich die Rezession auf das Konto der gegenwärtigen Regierung gesetzt werden müßte. Hier dürfte das „Image“ der Parteien stärker als die Fakten ins Gewicht fallen: während die ÖVP als Währungshüterin gesehen wird, gilt die SPÖ als die bessere Schützerin der Arbeitsplätze. Es Ist der Opposition nicht gelungen, die falsche Alternative „Inflation oder Arbeitslosigkeit“, die die Regierung hochgespielt hat, plausibel zu widerlegen.

3. Von ausschlaggebender Bedeutung ist die Haltung des ,,überpar-teilichen“ Gewerkschaftsbundes,, dessen Einfluß auf die öffentliche Meinungsbildung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Während der ÖGB aber die Regierung Klaus vorbehaltlos bekämpft hat, stellt er nunmehr seinen potenten publizistischen Apparat weitgehend uneingeschränkt in den Dienst der Regierung Kreisky.

Der Ausgang der nächsten Nationalratswahl ist dennoch durchaus ungewiß. Welche Form der Regierungsbildung wäre aber für Österreich vorzuziehen?

Vorauszuschicken ist, daß keine der Parteien im Prinzip für eine bestimmte Form ist, so sehr auch „prinzipielle“ Gründe in die Debatte geworfen werden. In Wirklichkeit ist es nur eine Frage der Mandats-chancen. Solange die Sozialisten die zweitstärkste Partei waren, kannten sie ihre Liebe zur Koalition und zum Kompromiß nicht genug hervorheben , — sie betonten auch immer wieder, daß die knappe Majorität eine starke Minorität nicht überstimmen dürfe.

Seit die SPÖ aber auch nur die relative Mehrheit besitzt, hat sich ihre Einstellung fundamental gewandelt. Elbenso ist die Koalitionsfreudigkeit der ÖVP nicht zuletzt ein Ausdruck der Tatsache, daß sie heute die Erreichung auch nur der relativen Mehrheit als großen Sieg betrachten würde.

Was aber sind nun die Argumente, die in das Schaufenster gestellt werden? Die SPÖ und speziell Bundeskanzler Kreisky argumentieren, daß man gerade in Krisenzeiten eine entscheidungsfreudige Regierung brauche.

Dem hält die ÖVP entgegen, daß gerade in Krisenzeiten ein breiter Konsens notwendig sei und die unvermeidlichen unpopulären Maßnahmen nicht von einer Alleinregierung auf der Basis einer hauchdünnen Majorität getroffen werden könnten. Das allerdings impliziert, daß in einer Koalitionsregierung auch tatsächlich ein Konsens hergestellt werden kann und in ihr Bereitschaft besteht, auch unpopuläre, aber notwendige Maßnahmen durchzuführen. Die Erfahrungen während der früheren Koalitionsära waren nicht sehr ermutigend.

So wichtig auch Instiutionen sind, man darf ihren Wert nicht überschätzen. Zweifellos wäre freilich in der heutigen Situation die große Koalition — ganz unabhängig von der jeweiligen Stärke der Parteien — vorzuziehen. Voraussetzung wäre aber eine echte Koalititonsgesin-nung, welche den Partner nicht übervorteilen will und zu echter gemeinsamer Verantwortung bereit ist. An deren Fehlen sind die früheren Koalitionsregierungen gescheitert. Nur durch sie kann eine neue Erfolg haben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung