FPÖ: Wieder auf dem Vormarsch?
DISKURSHaider oder Europa?
Keiner sage, es sei egal, wer in der Politik oben sitzt. Und schon gar nicht ist es egal, ob das freie Wahlen oder Druck aus dem Ausland entscheiden.
Keiner sage, es sei egal, wer in der Politik oben sitzt. Und schon gar nicht ist es egal, ob das freie Wahlen oder Druck aus dem Ausland entscheiden.
Wenn das die Österreicher früher gewußt hätten! Da wählen sie nach einem erbitterten Wahlkampf ein neues Parlament, geben den bisherigen Regierungsparteien einen solchen Denkzettel, daß nach langem Hin und Her über eine "Reformpartnerschaft" keine SPÖ-ÖVP-Koalition mehr zustandekommt, und dann droht ihnen die portugiesische Präsidentschaft der EU namens der 14 übrigen Mitgliedsstaaten alle möglichen Sanktionen an, falls man die einzig mögliche Alternative, nämlich eine Regierung mit Beteiligung der FPÖ, verwirklicht.
Die Lissaboner Erklärung vom 31. Jänner läßt an Härte und Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Mit einem Österreich, in dessen Regierung Freiheitliche sitzen, werde es kein business as usual geben, die jeweiligen bilateralen Kontakte würden eingestellt, österreichische Kandidaten für Positionen in internationalen Organisationen nicht unterstützt und österreichische Botschafter in den EU-Hauptstädten nur noch auf technischer Ebene empfangen.
Bedenkt man, wie lange die EU zu einem einheitlichen Vorgehen in Sachen Serbien und Balkan gebraucht hat, so verblüfft diese rasche konzertierte Aktion. Sie fordert geradezu spontane Trotzreaktionen ("Jetzt erst recht!") heraus, doch zunächst sollten einige Fragen nüchtern bedacht werden: Welche Motive stehen hinter der als Ultimatum, wenn nicht als Erpressung, zu bezeichnenden Erklärung? Wie weit sind EU-Mitglieder noch Herren in ihren eigenen Häusern? Was macht die FPÖ zu einer so problematischen Partei? Wie wirkt sich die Erklärung auf die laufenden Regierungsverhandlungen aus? Wie sehen die Szenarien für die Zukunft aus?
Da anzunehmen ist, daß unsere EU-Partner Österreich nicht aus Jux und Tollerei in die Isolation befördern wollen, muß die massive Drohung Ausdruck ernster Sorge sein, sicher auch der Angst davor, daß ähnliche Bewegungen wie die FPÖ in anderen Ländern Auftrieb bekommen könnten. Es zeigt sich auch, daß sich Europa, seit in Italien Neofaschisten und in Frankreich Kommunisten in der Regierung saßen, weiterentwickelt hat. Vor allem aber muß man zur Kenntnis nehmen, daß gerade in deutschsprachigen Landen alles, was nach Rechtsextremismus riecht, noch kritischer bewertet wird als anderswo. Das hat Österreich eindeutig seinem schlampigen Umgang mit der eigenen Vergangenheit zu verdanken.
Doch auch die edle Absicht, extreme Gruppierungen zu stoppen, heiligt als Zweck nicht die Anwendung undemokratischer Mittel, die sonst eher denen vorbehalten scheinen, die man bekämpfen will. Bei allen berechtigten Vorbehalten gegen die FPÖ: Hier fahren die EU-Länder zu früh mit zu schwerem Geschütz auf. Solange es keine "Vereinigten Staaten von Europa" gibt, die bestimmte Parteien wegen ihrer Ideologie von vornherein als verfassungswidrig einstufen und nicht zu Wahlen zulassen, muß akzeptiert werden, daß sich das österreichische Volk seine Vertreter selbst aussucht. Jeder Versuch von Einflußnahme auf Wahlen und Regierungsbildungen in den einzelnen Mitgliedsländern ist daher demokratiepolitisch bedenklich, wenn nicht sogar kontraproduktiv.
Im konkreten Fall riskiert man damit, daß FPÖ-Chef Jörg Haider sich als Opfer des bösen politischen Establishments und einer Österreichs Souveränität untergrabenden Bürokratenclique darstellt und in der Rolle des Märtyrers weiteren Zuwachs bekommt. Negative Urteile über Haider im Ausland sind absolut verständlich, Vorurteile über eine noch nicht gebildete Regierung, der er selbst gar nicht angehört, sind es jedoch nicht.
Eines hat man außerhalb Österreichs offenbar zu wenig begriffen: Der Aufstieg der FPÖ beruhte in erster Linie darauf, daß immer mehr Menschen das rot-schwarze System einfach satt hatten und eine Alternative suchten. Daß jene 27 Prozent, die im Oktober 1999 bereits für den Rechtspopulisten Haider votierten, auch dessen lockere Sprüche über das Dritte Reich und die SS sowie die Ausländerfeindlichkeit seiner Partei in Kauf nahmen, ist schlimm und sollte dabei sicher nicht beschönigt werden.
Die Mehrheit der Österreicher braucht aber nicht die EU dazu, um zu wissen, daß man die FPÖ möglichst von Regierungsverantwortung fernhalten sollte und daß insbesondere Jörg Haiders verbale Entgleisungen nicht Schule machen dürfen. Nur: Selbst wenn es vielleicht noch einmal für drei bis vier Jahre gereicht hätte, irgendwann wäre die SPÖ-ÖVP-Koalition geplatzt, irgendwann wäre die FPÖ ins Spiel gekommen, irgendwann hätte Österreich die jetzige Krise durchmachen müssen.
Daß die Haider-FPÖ sang- und klanglos, ohne je aus der Oppositionsrolle herausgekommen zu sein, wieder zurückfällt, mag man hoffen, es ist aber sehr unwahrscheinlich. Viel realistischer ist es, daß die FPÖ in der Wählergunst weiter steigt, schon jetzt liegt sie laut Umfragen Kopf an Kopf mit der SPÖ. Würde der EU-Druck tatsächlich die geplante ÖVP-FPÖ-Koalition verhindern, sind rasche Neuwahlen unvermeidlich. Sie könnten unglaubliche Emotionen hochschaukeln und auf die Frage hinauslaufen: Haider oder Europa? Danach würde eine Regierungsbildung jedenfalls kaum leichter fallen.
Derzeit haben aber weder die ÖVP, der ein Absturz ohnegleichen droht, noch die FPÖ, die sich erst einmal als paktfähiger Regierungspartner etablieren will, ein Interesse an Neuwahlen. Und sie sind sich auch in den Regierungsverhandlungen bereits in so vielem einig geworden, daß kaum EU-Drohungen, sondern eher Bundespräsident Thomas Klestil oder massive Vorbehalte der Wirtschaft diese Koalition noch aufhalten können.
Daß die EU-Länder dann ihre Drohung großteils wahrmachen werden, ist zu erwarten. Außenminister Wolfgang Schüssel hat die Lage offenbar unterschätzt und steht nun vor der größten Bewährungsprobe seiner Laufbahn. Wenn er sie besteht, hat er sich die Kanzlerschaft verdient, wenn nicht, kommen auf ihn persönlich, auf seine Partei und auf Österreich äußerst unangenehme Zeiten zu.
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