Skandälchen und Sensationen

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Das verfassungsrechtlich umstrittene Bundesbudget war nicht der einzige Aufreger 2010: Wahlbetrug, neue Koalitionen und Polit-Prozesse sorgten für Spannung.

"Ich werde weiß wählen." Mit dieser Empfehlung bezog ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf vor der Bundespräsidentschaftswahl am 25. April Stellung. Eine ÖVP-Alternative zu Amtsinhaber Heinz Fischer gab es nicht. Dabei wollte Landeshauptmann Erwin Pröll dem Traum des (vergangenen Juni verstorbenen) "Krone"-Herausgebers Hans Dichand folgen und preschte schon Mitte 2009 vor - um später zu sagen: Er bleibe Niederösterreich in der Pflicht.

Parteiintern war debattiert worden, ob die Vision beider Prölls an der Staatsspitze - Erwin in der Hofburg, Josef als Kanzler - für den Jüngeren gefährlich wäre: Stichwort "Machtkonzentration". Zwar hatte die SPÖ kein Problem, trotz rotem Präsidenten zu siegen (Wolfgang Schüssel gewann auch, als Thomas Klestil amtierte!); die ÖVP aber sah ein Risiko.

Anstreifen am NS-Jargon

Nicht zuletzt wegen Fischers Kontrahenten unterstützten ihn zumindest der schwarze EU-Mandatar Othmar Karas und Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl: Barbara Rosenkranz (FPÖ) regte mit unklarem Verhältnis zum Nationalsozialismus auf und erklärte eidesstattlich, diesem fern zu stehen. Rudolf Gehring (Christliche Partei Österreich) nannte Homosexualität eine "Verirrung" und schoss mit dem Begriff "Babycaust" weit übers Ziel hinaus.

Die demokratiepolitisch zumindest bedenkliche ÖVP-Anregung, der Wahl fernzubleiben oder ungültig zu wählen, verhinderte jedenfalls nicht, dass Fischer mit gut 80 Prozent der Stimmen bestätigt wurde.

Drei weitere Wahlen prägten das Jahr: die burgenländische (30. Mai), die steirische (26. September) und die Wiener (10. Oktober) Entscheidung um den Landtag. Dass die SPÖ die Steiermark hielt, lag weniger an Landesvater Franz Voves als an der ÖVP, die ebenfalls verlor. Mit 38,26 vor 37,19 Prozent blieb Voves vorne. Nach der kurzen, für ihn wertvollen Diskussion einer rot-blauen Koalition blieb alles beim Alten - und ÖVP-Chef Hermann Schützenhofer Vize-Landeschef.

Dass die Wiener FPÖ unter Heinz-Christian Strache zulegen würde, war absehbar; als die Produzenten islamophober Comics aber mit 25,77 Prozent triumphierten, meinte manch ein Beobachter, dass Demokratie oft weh tue. Die Sensation war aber, dass die um ihre absolute Mehrheit erleichterte SPÖ ein Bündnis mit den Grünen wagte.

Das grämte die ÖVP, die unter Christine Marek marginalisiert wurde. Ob trotz oder wegen der Hilfe aus der Bundespartei - vier Tage vor der Wahl kam es zur medienwirksamen Abschiebung eines Vaters samt achtjähriger Zwillingstöchter, die von der Mutter getrennt wurden -, bleibt umstritten. Marek ging als Familienstaatssekretärin und wirkt nun "100-prozentig" in Wien.

Unspektakulär, weil eine sichere Bank für den Landeshäuptling Hans Niessl, verlief die Wahl im Burgenland. Wenngleich auch für die SPÖ mit Verlusten. Monate später gestand ein ÖVP-Bürgermeister Wahlbetrug - jedoch ohne bedeutende Konsequenzen.

Ein kleines Beben gab es bei den Vorarlberger Gemeinderatswahlen, als Österreichs größte Marktgemeinde Lustenau nach 50 Jahren blauer Herrschaft einen ÖVP-Bürgermeister samt schwarzer Mehrheit im Gemeinderat wählte. Wie bei den ebenfalls am 14. März ausgetragenen Kommunalwahlen in Tirol und Niederösterreich wurde im Ländle vor allem die SPÖ abgestraft.

2010 bot auch Politik-Skandälchen: Im Jänner nannte Entertainer Alfons Haider Österreich ein "verlogenes, verschissenes Land". Absehbar der Aufschrei der politischen Rechten - in der FPÖ-/BZÖ-Rhetorik lebte die Nestbeschmutzer-Debatte auf.

Erstere ließen auch aufhorchen, als Parteichef Strache während eines ORF-Beitrags über eine FPÖ-Veranstaltung im März intervenierte, jemand habe "Sieg Heil" gerufen. Noch heute lebt der Vorwurf, die Journalisten hätten Neonazis bezahlt, um die Partei in Bedrängnis zu bringen. Für den ORF (der 2010 größere Probleme hatte) "unhaltbar". In Online-Kanälen ging der Verdacht um, Strache hätte eine Art "Sieg-Heil-Tinnitus".

Alte Themen für das neue Jahr

Der damalige BZÖ-Generalsekretär Stefan Petzner wiederum scheiterte vor Gericht gegen den Autor David Schalko. Der hatte ihn und Jörg Haider in "Weiße Nacht" lächerlich gemacht. Geklagt wurde aber nicht auf ein Verbot, sondern auf eine finanzielle Entschädigung: Auf "Tantiemen sozusagen - und einen kleinen Zipfel vom Ruhm", wie ein "3sat"-Kommentator zynisch feststellte.

Daneben prägten das Land bekannte Themen wie Studiengebühren, Schul-, Verwaltungs- und Gesundheitsreform, Asylmissbrauch sowie die Proteste gegen das jüngste, verfassungsrechtlich umstrittene Budget 2011. Und was bringt das kommende Jahr? - Keine Wahlen, aber die Aussicht auf Volksbegehren in Sachen Bildung (verschiedene), Wehrpflicht (Grüne) und Zuwanderung (FPÖ). Profilierungschancen vor allem für die Grünen, so sie sich in Wien nicht von der SPÖ unterbuttern lassen, und für die Freiheitlichen, deren Umfragewerte zuletzt auch auf Bundesebene sprunghaft stiegen.

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