Hürdenlauf für die Koalition

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SPÖ und ÖVP sind mangels Alternativen aneinandergekettet und müssen nun auf auf Gedeih und Verderb gegen die Weltwirtschaftskrise und die FPÖ bestehen.

So schnell kann es gehen, wenn zwei es wirklich eilig haben. Keine drei Stunden brauchten Werner Faymann und Josef Pröll bei einem vertrauten Tète á tète am Dienstag, um die Inthronisierung der neuen Großen Koalition abzusprechen. Vergessen der tagelange Konflikt um die Post, inklusive Mahnbrief der ÖVP samt Verhandlungsunterbrechung. Alles Schnee von Gestern: Bis Sonntag, spätestens aber im Lauf der kommenden Woche, so kamen die Herren überein, sollten die Verhandlungen für den neuen Koalitionspakt zwischen Sozialdemokraten und Volkspartei abgeschlossen sein. Danach sollen das Präsidium der SPÖ und der Bundesvorstand der ÖVP das Programm unter flächendeckendem Medien-Getöse beschließen. Den Schlusspunkt soll schließlich die Wahl Josef Prölls zum neuen ÖVP-Chef am Freitag beim Parteitag in Wels bilden. Soweit das Spektakel, das sich in der kommenden Woche vor der innenpolitischen Kulisse abspielen soll.

So groß die Einigkeit über die Äußerlichkeiten auch ist, dahinter prallen nun schon seit Wochen wie zu grimmigsten Zeiten der Gusenbauer-Koalition Positionen und Interessen aufeinander. Strategisch platzierte Interviews und Drohgebärden wechseln einander ab. Vor einer fassungslosen Öffentlichkeit werden Fragen-Kataloge gestellt und so schnell wie unerschöpfend beantwortet.

Ein Vorgeschmack auf die „neue Art des Regierens“? Das wäre für beide Parteien fatal, darüber sind sich Politologen und Parteiführer einig. Denn für beide Regierungspartner geht es in den kommenden Jahren um die Existenz. Dazu brauchen sie gemeinsame Erfolge – vor allem in drei Feldern: Jenes der drohenden Wirtschaftskrise, jenes der großen Geschäfte und jenes des verzweifelten Kampfes gegen die FPÖ in den kommenden Landtagswahlen. Heinz-Christian Strache soll so wenig wie möglich Raum gelassen werden, im Großwahljahr 2009 bei vier Landtagswahlen und der Europawahl weiter zuzulegen und 2010 bei Wahlen in Wien zu triumphieren. Nur die Angst vor dem drohenden Aderlass kettet SPÖ und ÖVP aneinander, nicht die gegenseitige Wertschätzung.

Revanchefoul im Kampf um die AUA

Misstrauen und Revanchefouls prägen jedenfalls ungebrochen das Klima in den und rund um die Koalitionsverhandlungen. Einmal ist es die Post, ein andermal die AUA. Der jüngste Vorwurf der ÖVP: Beim Verkauf der Fluglinie sollen die Gemeinde Wien und die SPÖ wiederholt Druck ausgeübt haben, die Air France als Partner der maroden Airline an Bord zu holen, um die von der ÖIAG und der ÖVP favorisierte deutsche Lufthansa aus dem Rennen zu schlagen. Aktive und ehemalige Bankmanager der roten Reichshälfte hätten lobbyiert, sogar Air France-Chefs zu Bundeskanzler Alfred Gusenbauer geschleust. Dass der Aktion kein Erfolg beschieden war, weil die Air France auf ein Angebot verzichtete, konnte die Missstimmung bei der ÖVP nicht mehr dämpfen: Die SPÖ wolle ÖIAG-Chef Michaelis und Finanzminister Wilhelm Molterer „in die Parade fahren“. In der SPÖ Zentrale gibt man sich bass erstaunt, man höre von dieser Angelegenheit zum ersten Mal.

Unter solchen emotionellen Störfeuern sollen die beiden Parteien nun der ausbrechenden Wirtschaftskrise Herr werden. Um dieses Thema werden sich die Verhandlungen von SPÖ und ÖVP auch dann noch drehen, wenn der Koalitionspakt längst besiegelt ist.

Denn der Haushaltsplan 2009 soll in den Details erst dann verhandelt werden, wenn es ein Regierungsprogramm gibt. Erschwerend kommt hinzu, dass mit dem neuen Budget auch ein vierjähriger Finanzrahmenplan zu erstellen ist. Dessen Eckpunkte sind derzeit keine fixen, sondern höchst variable Größen.

Besorgt sind die Budgetexperten wegen der „Sternstunden-Sondersitzung“ wenige Tage vor der Nationalratswahl. Die dort gefassten Beschlüsse kosten in Summe 2,7 Milliarden Euro jährlich. Das alles ist noch nicht budgetiert. „Was Bundeskanzler Schüssel und Finanzminister Molterer in wenigen Jahren unter Tränen und Schmerzen erwirtschaftet haben, wurde in wenigen Tagen verwirtschaftet“, äußert sich ein ehemaliges Regierungsmitglied enttäuscht über das Tempo und den Inhalt der Beschlüsse des Herbstes. Die SPÖ wiederum gibt sich hochzufrieden. Für Bundesgeschäftsführerin Doris Bures ist es Teil eines „großen Pakets zur Entlastung der Bürger“.

Stabilitätspakt nur noch Makulatur

Bitter für Verfechter eines ausgeglichenen Staatshaushaltes in der ÖVP sind auch die Ergebnisse interner Berechnungen des Finanzministeriums: Selbst bei optimistischer Annahme der wirtschaftlichen Entwicklung steigt das Defizit des Bundes, wird es sich zwischen 1,2 und 1,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bewegen. Bei pessimistischer Annahme könnte es bis 2012 sogar bis auf 4,1 Prozent steigen. Eigentlich sollte es, wirtschaftet Österreich wie vereinbart den Maastricht-Kriterien der EU entsprechend, ab nächstem Jahr keinesfalls über einem Prozent liegen. Letzteres wird die Koalition, egal was sie in den nächsten und letzen Tagen des Pokerns noch verhandelt, nicht mehr schaffen. „Das Stabilitätsprogramm ist Makulatur“, gibt man sich im Finanzministerium enttäuscht.

Auch jene Strukturreformen, die Einsparungen bringen sollten, wurden von den verhandelnden Landeshauptleuten Herbert Sausgruber (Vbg) und Hans Niessl (Bgld) vertagt. Sehr zum Ärger von Experten und Politikern wie Ex-VP-Chef Erhard Busek: „So eine Reform ist sicher nicht machbar, wenn nur Niessl und Sausgruber zusammensitzen. Das ist eine höchst teure Angelegenheit, die sehr viele heikle Themen umfasst.“

Wird auf die Reformen in der Verwaltung und im Gesundheitswesen verzichtet, was den Verhandlungen zufolge wahrscheinlich zu sein scheint – „Da hat sich nichts getan“, heißt es aus Untergruppen –, dann könnte das Defizit sogar weit über vier Prozent des Bruttoinlandsproduktes ansteigen.

Weltwirtschaftskrise: Kosten unabsehbar

Inzwischen beginnt die internationale Konjunkturkrise auch in Österreich flächendeckend zu wirken. So stieg die Zahl der Kündigungen zwischen August und Oktober von 3061 auf 29.433. Das Wifo rechnet für die kommenden Jahre mit bis zu 100.000 Arbeitlosen mehr in Österreich. In der ÖVP und SPÖ machen allerdings schon Gerüchte die Runde, die neue Koalition könnte bis 2012 mit mehr als 200.000 neuen Arbeitslosen konfrontiert sein.

Das Konjunkturpaket, das die alte Regierung verabschiedet hat, wird kaum ausreichen, die Folgen der Krise abzufedern, darüber sind sich die Experten einig. Gleichzeitig schaudert der ÖVP schon jetzt vor dem von Werner Faymann geplanten „New Deal“ für Österreich, der mit massiven Staatsausgaben die Flaute überwinden will.

Im entsprechenden Teil des Koalitionsübereinkommens, das am Mittwoch bekannt wurde, findet sich nur wenig Konkretes: Die Entlastung des Faktors Arbeit, eine Verbesserung der Aus- und Weiterbildung, daneben noch ein Bundesbaupaket von 20 Millionen Euro pro Jahr sowie 50 Millionen bis 2010 für die Forschung. Doch während sich die SPÖ über die erreichten Fortschritte freut, und mit ihr Wifo-Chef Karl Aiginger („Es ist richtig, dass viel Geld in die Hand genommen wird“), mahnt die ÖVP bereits zur Vorsicht: Werner Fasslabend, Ex-VP-Minister und selbst ehemaliger Manager: „Es gibt einen Mangel an wirtschaftlicher Einsicht bei den Sozialdemokraten. Wir wissen nicht, wie lange diese Krise dauern kann. Die Regierung muss sich jede Maßnahme dreimal überlegen, um nicht dringend nötige Ressourcen für die Zukunft zu vergeuden“. Ähnlich sieht das auch der Wirtschaftswissenschafter Erwin Bruckmüller: „Die Staatsverschuldung muss in einem verantwortbaren Rahmen bleiben.“ Außer Frage steht für den Experten allerdings der Ausbau bisher vernachlässigter Infrastruktur-Projekte. Bruckmüller: „Der Ausbau der Verkehrswege Richtung Norden und Osten wäre sinnvoll und nachhaltig.“

Bereits heute schwelt ein weiterer Konfliktherd innerhalb der Regierung: Soll der Staat notleidende Unternehmen, etwa in der Autozulieferindustrie mit Budgetgeldern stützen? In den USA plant der neue Präsident Barack Obama eine massive Subvention der von der Pleite bedrohten Autohersteller General Motors und Ford. Während sich die SPÖ zurückhaltend positiv gibt, schrillen in der ÖVP bereits die Alarmglocken. „Hände weg von der Privatwirtschaft“, empört sich Werner Fasslabend. Im Gegenzug treibt ein Vorschlag von konservativer Seite den Genossen die Zornesröte ins Gesicht. Die Arbeiter, so der Chef der Industriellenvereinigung, Veit Sorger, sollten auf 25 Prozent ihres Lohns verzichten, um den Unternehmen tausende Kündigungen zu ersparen.

Landtagswahlen: die Angst vor der FPÖ

Vor dem Hintergrund dieser schwelenden Konflikte basteln beide Parteien schon jetzt an den Strategien für die kommenden Landtagswahlen in Oberösterreich, Kärnten, dem Burgenland und vor allem in Wien. Der Chef des Gemeindebundes Helmut Mödlhammer wittert Gefahr: „Eine Neuauflage des Stillstandes unter Rot-Schwarz wird zu Niederlagen führen.“ Jener Gegner, der VP und SP vor sich hertreibt, verhält sich auffällig ruhig: Heinz Christian Strache, so kalauert man in der FPÖ, wolle seine Stimme schonen für die kommenden Wahlkämpfe. SPÖ und ÖVP sind gewarnt. Erhard Busek: „Diese Regierung ist zum Erfolg verdammt. Sonst heißt der kommende Bundeskanzler Heinz Christian Strache.“

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