Stellungskrieg im Förderdschungel

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Der Sparstift diktiert der Koalitionsregierung die Agenda für 2012. Anstelle struktureller Reformen kündigen sich Positionierungen und Geiselnahmen an.

* Analyse von Claus Reitan

Entgegen allen Ankündigungen durch Bundeskanzler und Bundesminister scheint es einen geeigneten Zeitpunkt für Reformen dann doch nicht zu geben. Nachdem das dafür angeblich so geeignete Jahr 2011 als wahlfreies ungenutzt verstrichen ist, nimmt die Regierung für 2012 einen neuen Anlauf. Stichhaltige Gründe für strukturelle Reformen und Einsparungen gäbe es genug. Doch was sich zum Jahresauftakt abzeichnet, ist ein Stellungskrieg über die Kürzung von Förderungen, die Streichung von Vergünstigung, die Einführung neuer und die Anhebung bestehender Steuern bei Anhebung der Bemessungsgrundlagen.

Sparvolumen: Zwei Milliarden

Bereits in der ersten Jännerwoche wird die Volkspartei ihre Linie festlegen. Bundesparteiobmann und Außenminister Michael Spindelegger hat Präsidium und Vorstand der Partei zum Arbeitsgespräch geladen. Die Sozialdemokraten folgen mit der Tagung ihrer Parteiführung erst, diese ist für 1. Februar angesetzt. Diese Tage werden jedenfalls genutzt, um in den Parteien, im Finanzministerium und in den fünf von Bundeskanzler Werner Faymann und Spindelegger eingesetzten Arbeitsgruppen Möglichkeiten durchzurechnen, wie sich die Einnahmen des Staates erhöhen und die Ausgaben senken ließen. Doch bereits hier beginnen die Auffassungsunterschiede.

Zwei Milliarden Euro müssen jährlich eingespart werden, bis 2016 sollen es zehn Milliarden sein. Zwei Milliarden pro Jahr - das ist etwas weniger, als der Ankauf der Abfangjäger kostete, weniger als die Bundesbahnen kontinuierlich pro Jahr als Zuschuss brauchen. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, stets auf der Seite der Besonnenen, möchte das Verhältnis von Einsparungen zu Steuern mit 70 zu 30 festlegen. Wiens SPÖ-Chef und Bürgermeister Michael Häupl würde es bevorzugen, die zwei Milliarden lediglich zu einem Drittel über Einsparungen, zu zwei Dritteln über neue Einnahmen aufzubringen. Alleine diese Gemengelage zeigt die Dilemmata: Spindelegger meinte dazu lediglich, mit 50 zu 50 werde es nicht gehen. Und Häupl ist gegen die von Bundeskanzler und SP-Vorsitzendem Werner Faymann angedachte neuerliche Einführung der Erbschaftssteuer.

Die Einheitlichkeit der jeweiligen Parteilinie ist derzeit nicht der primäre Antrieb aller Akteure. Ähnlich wie die Sozialdemokraten und die Grünen, die beide Vermögen stärker besteuern möchten, hat auch Innenministerin Mikl-Leitner längst als neue Chefin des ÖAAB ihre Ansprüche im Klassenkampf angemeldet: Her mit dem Zaster, her mit der Marie, lautete ihre Parole, als sie vor zwei Monaten auf den ÖAAB-Schild gehoben wurde. Bis hinein in ÖVP-Kernschichten, so ist zu hören, herrscht die Meinung vor, Wohlhabende stärker zur Kasse zu bitten. Das könnte für die ÖVP zum Bruchtest werden.

Vorsorglich hat VP-Klubchef Karlheinz Kopf erklärt, was seiner und der Wirtschaft Ansicht nach auszuschließen sei: Eine Anhebung der Körperschaftssteuer und eine zeitliche Begrenzung der Verlustabschreibungen bei der Gruppenbesteuerung. Doch genau diese beiden Punkte sollen sich in einem Papier von Arbeiterkammer- und Wirtschaftsexperten wiederfinden, welches für die SPÖ-Führung erstellt wurde. Diese Parteiführung lässt zudem gerade weitere Positionen argumentativ erarbeiten: Eine Abschöpfung der Wertsteigerung bei Grundstücken durch Umwidmungen und die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer.

Vorsorglich Bedenken äußern

Aufgehoben wurde die Erbschaftssteuer 2007 vom Verfassungsgerichtshof. Jetzt werde einem Bericht der Tageszeitung Die Presse zufolge in der SPÖ an einem neuen Modell gearbeitet. Grund und Boden sowie Vermögen auf diese Art zu besteuern, das träfe die ÖVP-Klientel Bauern und Wirtschaft ins Mark. Lediglich die ÖVP-Klientel im ÖAAB könnte sich damit anfreunden.

Vorsorglich haben Wirtschaftsvertreter und ÖVP-Führung schon Bedenken deponiert: Für die Wirtschaftskammer meinte deren Sozialpolitik-Experte Martin Gleitsmann, die Betriebe könnten in einem schwierigen Umfeld nur bestehen, wenn Entlastungen, keinesfalls aber Belastungen forciert würden. Und für die Industriellenvereinigung deponierte deren stellvertretender Generalsekretär Peter Koren, diese sei gegen die Einführung neuer oder die Anhebung bestehender Steuern. Das würde den positiven Trend der Wirtschaft "abwürgen“. Die Reaktionen auf Sparappelle und Kürzungsvorschläge kommen stets prompt: Rudolf Kaske, ÖGB-Arbeitsmarktsprecher, warnte davor, nur an der Schuldenbremse "herumzudoktern“. Die aktive Arbeitsmarktpolitik dürfe keinesfalls durch das Sparpaket unterlaufen werden.

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