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Das Postenkarussell

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Seit gut drei Jahren feiert die ÖVP-Spitze die Behauptung der Parteieinheit. Trotz zahlreicher und massiver Versuche war es Bruno Kreisky nicht gelungen, divergierende Gruppeninteressen in der Vqlkspartei zu ködern, den Zerfall der bündisch organisierten ÖVP in Parteien einzuleiten. Kreiskys Versuche, das schwedische Modell in Österreich zu verwirklichen, schlugen fehl: das Gemeinsame in der ÖVP überwog das von Fall zu Fäll Trennende. Wie immer man zur Person des ÖVP-Obmanns Schleinzer stehen mag, in diesem Punkt hat^er sich historische Verdienste erworben.

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Seit gut drei Jahren feiert die ÖVP-Spitze die Behauptung der Parteieinheit. Trotz zahlreicher und massiver Versuche war es Bruno Kreisky nicht gelungen, divergierende Gruppeninteressen in der Vqlkspartei zu ködern, den Zerfall der bündisch organisierten ÖVP in Parteien einzuleiten. Kreiskys Versuche, das schwedische Modell in Österreich zu verwirklichen, schlugen fehl: das Gemeinsame in der ÖVP überwog das von Fall zu Fäll Trennende. Wie immer man zur Person des ÖVP-Obmanns Schleinzer stehen mag, in diesem Punkt hat^er sich historische Verdienste erworben.

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Wer. an der Jahrtausendwende eine Geschichte-der ÖVP -seit dem Jahr 1945 schreibt, wird nicht umhin können, dieses.persönliche Verdienst Schleinzers neben die Verdienste selbst der Parteigründer zu stellen.

Freilich hatte die Bewahrung der Parteieinheit der ÖVP auch ihren Preis. Dieser bestand (und besteht) vor allem darin, jenen Gruppeninteressen in der Partei am stärksten zu entsprechen, die am meisten abfallgefährdet waren. Das • ist die Gruppe der Bauern und die Gruppe der Unternehmer. Ihre spezifischen Interessen sind nur in wenigen Fällen mit den Methoden der bedingungslosen Regierungsopposition erreichbar, in den allermeisten Fällen sind die Vertreter dieser Gruppen auf Kooperation mit der Bundesregierung angewiesen. Das hat den politischen Vertretern dieser Gruppen sehr oft den Vorwurf eingetragen, ein doppeltes Spiel zu treiben, die Oppositionsrolle der Gesamtpartei zu konterkarieren, die Chancen der ÖVP auf Wiedergewinnung einer relativen oder absoluten Mehrheit im Parlament zu gefährden. Wer dies sagt, hat ein etwas merkwürdiges Demokratieverständnis, meint offensichtlich, daß parteipolitische Gegensätze oder die Gegensätze zwischen Regierung und Opposition allein dem Freund-Feind-Klischee unterzuordnen sind. Eine solche Auffassung' negiert die permanente Überlappung von politischen und ökonomischen Zielsetzungen und fordert (ohne dies vielleicht auch zu wünschen) instabile Verhältnisse.

Dennoch schafft die Notwendigkeit der wiederholten Kooperation von Teilorganisationen einer Oppositionspartei mit der Bundesregierung für die zentrale Führung der Oppositionspartei große Probleme. Notwendigerweise ist sie bei der Durchsetzung ihrer Aktionen oft gehandikapt, notwendigerweise muß sie oft dann stark auftreten, wenn es nur um die Berücksichtigung von Interessen einer kleineren Gruppe geht, und dann vorsichtig, wenn die Interessen eines größeren Teils der Bevölkerung zur Diskussion stehen.

Eine solche Ausgangslage der ÖVP als Oppositionspartei führte naturgemäß eu Schwierigkeiten der VP-Arbeitnehmerorganisation, denn ihre Interessen werden ohnedies (wenn auch mit anderen Schwerpunkten) von einer sozialistischen Regierung weitgehend berücksichtigt, und alle darüber hinausgehenden Forderungen können die Wünsche der Landwirtschaft und der Privatwirtschaft konterkarieren. Überdies ist sowohl die Landwirtschaft als auch die Un-temehmerseite personell und finanziell gut ausgerüstet, was ihre Bedeutung und ihren Einfluß in und auf einen finanziell und personell ausgepowerten Parteiapparat nur verstärkt: sie dominieren die Aktionen und die Haltungen der Gesamtpartei in einem viel stärkeren Ausmaß, als das ihren Mitgliederantei-len entsprechen mag.

Das fand seinen Ausdruck beispielsweise in der Diskussion um die mögliche Neubestellung des ÖVP-Ge-neralsekretärs vor dem ÖVP-Partei-tag in Linz. Realistische Kandidaten für diese Funktion, die mit Kohl-maier von einem Mann des AAB besetzt ist, waren der .Wirtseh aftshund-Genera'lsekre'tär Busek und (auch) der Bauernibund-Generalsekretär Lanner. Es stand kein Mann des ÖAAB zur Diskussion, obwohl auf Grund der bündischen Funktionsteilung nach eisernen Parteigesetzen nur ein solcher hätte in Frage kommen dürfen. Diese merkwürdige Situation war nun keineswegs mit einer Vernachlässigung der Arbeit-r. 2hmerinteressen in der ÖVP zu erklären, sondern war in erster Linie eine Folge der spezifischen Situation des Bauern- und des Wirtschafts-bundes, der Vernachlässigung ihrer Gruppeninte'ressen durch die Regierung, aber auch ihres qualitativ besseren Personals.

Das Posteninteresse des ÖAAB hätte in dieser Situation nur dann befriedigt werden können, wenn sich ein außergewöhnlicher Kandidat angeboten hätte. Auf Bundesebene verfügt dieser Bund — von seinem Obmann Mock abgesehen — nur mit dem stellvertretenden Bundesobmann Taus über eine solche Persönlichkeit. Josef Taus hatte in den letzten Jahren aber so oft und so deutlich sein Desinteresse an Parteipolitik erklärt, daß er heute für die meisten Parteifunktionäre und auch Mitglieder nur einen gewissen Erinnerungswert hat. Die beiden Generalsekretäre des ÖAAB (Gassner und Kiemen) sind heute so intensiv in die organisatorische Arbeit verstrickt, daß ihnen kaum Zeit zur Profilierung in der Öffentlichkeit bleibt. Der junge und tüchtige Sozialexperte Schwimmer besitzt den Nachteil einer gewissen Farfolosig-keit und eines etwas gehemmten Auftretens vor einer größeren Öffentlichkeit; dennoch dürfte er ein Versprechen für die Zukunft sein. Der längere Zeit als ,^große ÖAAB-Hoffnung“ punzierte Manfred Dren-nig dagegen scheint bereits völlig aus dem Postenspiel zu sein. Im Wiener Gemeinderat hat er sich bis heute nicht profilieren können. Als Sprecher des ÖAAB in Wirtschaftsfragen scheint er stark überfordert. Seine Forderung, alle drei Monate neue Lohnverhandlungen vorzunehmen, und seine Behauptung, daß 1978 die ölvorräte der Erde erschöpft sein würden, sollten die ÖAAB-Spitze darüber nachdenken lassen, ob die wirtschaftlichen Interessen des ÖAAB von Drennig tatsächlich sinnvoll und erfolgreich artikuliert werden.

Gerade am Beispiel Drennigs läßt sich beweisen, daß- es auch die personelle Misere im ÖAAB ist, die dem ÖAAB das Auftreten in der Öffentlichkeit und in der Partei so schwer macht, ganz unabhängig davon, daß die Hauptschwierigkeiten aus der VP-Struktur resultieren.

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