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Österreichs Franz Josef Strauß?

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„Die Ostösterreicher” haben sich durchgesetzt: Der Bundesvorstand des österreichischen Arbeiter- und Angestelltenbundes, dieses „Hoffnungsbundes” der ÖVP, hat nicht den von einer Obmännerkonferenz vorgeschlagenen Salzburger Landesobmann Karl Glaser, sondern den niederösterreichischen Landesobmann Dr. Georg Prader als Bundesobmann des ÖAAB nominiert. Wer ist das, diese „Ostösterreicher”? Wer ist überhaupt dieser Prader, der von allen ÖVP-Politikem seit Jahren die schlechteste Presse hat — und das will etwas heißen — und trotzdem ein fürchterlicher „Steher” ist, der österreichische — niederösterreichische — Franz Josef Strauß in Person, ein Stichwortgeber der Linken, der, wie es heißt, die Wahlniederlage vom 1. März zu einem großen Teil auf dem Gewissen hat und trotzdem nicht ruhte, bis er den „Westösterreicher” und „Reformer” Glaser aus dem Feld schlug. Der Kreisky wird schon recht haben: in dieser ÖVP hat die Jugend keine Chance…

Hat Kreisky, haben die Zeitungen hier unbedingt recht? Ist es nicht ein wenig zu billig, eine Partei, einen Bund, von außen „reformieren” zu wollen und, wenn es nicht nach Wunsch geht, gleich mit den Argumenten just des politischen Gegners zu belegen und zu verdammen? Nach einiger Prüfung wird die Korrektur unvermeidlich.

Die „Ostösterreicher”, allen voran die Niederösterreicher, haben also „gesiegt”, sie haben ihren „Steher”, den Prader, durchgebracht, darüber besteht wohl doch kein Zweifel. Oder doch? Wie man es von den Anwesenden hört, war Prader von Anfang an vehement gegen seine Nominierung eingetreten. Er unterstützte Glaser mit aller Kraft und bat seine Freunde im niederösterreichischen ÖAAB, doch zu bedenken, daß er in der Öffentlichkeit nicht gut dastehe und daher auch dem Bund nicht viel nützen könne.

Er blieb in der Minderheit. Glaser nahm man die Fähigkeit, den ÖAAB reformieren und zu allererst echt führen ziu können, anscheindend nicht ab. Keineswegs war dies eine West-Ost-Auseinandersetzung, wie dies seit Pittermanns Anspielung auf die Differenz zwischen „Donau-” und „Alpenösterreichern” einfachheitshalber bei jeder Gelegenheit angenommen wird. Freilich, die Niederösterreicher, gestärkt durch die Wiener und die Burgenländer, sind meistens die „Mehreren”. Nicht nur im ÖAAB. Und in der Demokratie zählt eben die Mehrheit, das sollte man trotz Minderheitsregierung nicht vergessen. Der ÖAAB hatte bisher einen auch weit über die hündischen und Parteigrenzen hinaus angesehenen Bundesobmann in der Person des Nationalratspräsidenten Doktor Maleta. Der Bund selbst aber hatte und hat noch immer viele schwache Punkte. Obwohl er, was die Mitgliederzahl betrifft, bei weitem der stärkste Bund der Volkspartei ist, konnte er seinen Einfluß auf den Kurs der Partei nicht entsprechend geltend machen. Er konnte seine Ideen, seine Konzepte, nicht über einen Kreis von potentiellen Mitgliedern an den Mann bringen. Ganze Bevölkerungsschichten, vor allem die „Hoffnungswähler” in der Privatangestelltenschaft, dann die auch in Österreich rapid wachsende Zahl der Intelligenz, wurden von dem ÖAAB nur mangelhaft angesprochen. Daß diese Intelligenz sich heutzutage nicht mehr wie einst auf den Kreis der „Studierten”, der Akademiker, beschränkt, sondern weit in die Arbeiter- und Angestelltenschaft hineinreicht, ist wohl eine Erfahrungstatsache. Welche Konsequenzen hat man daraus im ÖAAB gezogen? Es sagt sich leicht: ein Bund, eine Partei muß sich erneuern. Dazu braucht man ein Programm, eine gute Führung und ebenso gute und selbstverständlich vor allem junge Mitarbeiter. All das geht nicht auf „revolutionärem Weg”, wie dies zu behaupten heute Mode ist, nicht um den Preis des Verlustes der Identität. Prader ist, wie seine Mitarbeiter sagen, ein mitreißender Parteiführer und ein harter Arbeiter. Er macht Politik mit ganzem Einsatz, und das hat ihm während seiner Ministerschaft nicht gut bekommen. Im inneren, hündischen Bereich werden ihm diese Eigenschaften aber nützen. In Niederösterreich gab er bereits einem neuen Referat für politische Planung das Startzeichen. Er bekannte sich ausdrücklich zum revidierten „Wiener Programm” des ÖAAB, wo unter anderem von „beruflicher Selbstverwaltung” und von „persönlicher Mitbestimmung in der Wirtschaft” sehr eingehend die Rede ist. Dieses Programm signalisiert also keinen „Rechtsruck”. Prader sagt man auch einen guten Ruf selbst in gegnerischen Kreisen in den Betrieben nach. Er erklärte auch gleich, daß er den Kontakt mit den Betriebsgruppen beleben wolle. Das bedeutet Arbeitnehmerpolitik in verstärktem Ausmaß. Dazu braucht Prader Mitarbeiter, zum Teil andere als die bisherigen.

Der ÖAAB wendet also den Blick nach innen. Das äußere Erscheinungsbild hat mit dem „Buh-Mann” der Linken, die sich jetzt wieder auf ihn einschließen wird, nicht gebessert. Und es ist die Frage, ob eine Partei auf die Pflege ihres Erscheinungsbildes in dem Maße, wie dies die ÖVP tut, ungestraft verzichten kann. Auch, wenn dafür ein Gewinn in Grenzen und auf Zeit vielleicht ins Haus steht. Aber diese Frage muß sich der ÖAAB und auch die ÖVP selbst beantworten.

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