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Gehen Grazer Uhren anders?
Wenn es stimmt, was „wohlinformierte Kreise“ ab und zu so plaudern, dann hatte sich der frischgebackene geschäftsführende Obmann der steiri-schen Volkspartei, Nationalrat Doktor Theodor Piffl, am 27. April einer für ihn etwas peinlichen Aufgabe zu entledigen: An diesem Tag trat nämlich die Landesparteileitung zusammen, um den neuen Parteisekretär zu küren, und Dr. Piffl mußte in seiner Funktion als geschäftsführender Obmann vorschlagen, wer nun eigentlich gewählt werden sollte.
Das wäre an sich nicht besonders schwierig gewesen, denn Landeshauptmann K r a i n e r hatte schon vor etwa drei Monaten bei einer Klausurtagung des ÖVP-Landtagsklubs recht deutlich seine Meinung geäußert, wen er gerne in der Parteizentrale am Grazer Karmeliterplatz sitzen sähe: den Landtagsabgeordneten Dr. Alfred Rainer. Dr. Piffl allerdings soll, wenn es stimmt, was „wohlinformierte Kreise“ ab und zu so plaudern, diesem Ansinnen einigen Widerstand entgegengesetzt haben: Er war mit diesem Favoriten nicht ganz einverstanden. Deshalb die kleine Verzögerung bis zur endgültigen Wahl.
Der von der Landesparteileitung „mit überwältigender Mehrheit“ akzeptierte Dr. Rainer, Regierungsrat bei der Bezirkshauptmannschaft Liezen, der nun noch das Plazet der Bundesparteileitung braucht — und bekommen wird —, gehört schon seit neun Jahren dem Steiermärkischen Landtag an (also wieder keiner von den versprochenen „neuen Männern“) — und er ist vor allem ein „Nationaler“. Das heißt, er fühlt sich unbeirrbar vor allem als Deutscher, allerdings mit der Einschräkung, daß die „Deutschen in Österreich“ eben derzeit besondere Aufgaben zu erfüllen haben.
Vertreter dieser Geistesrichtung, soweit sie nicht ohnedies bereits Parteigenossen der FPÖ sind, werden seit jeher vom Wohlwollen der steirischen
Volkspartei verfolgt. Historisch ge schulte Vertreter der Volkspartei sehen in ihnen nicht nur wertvolles Stimmaterial, sondern auch leicht verspätete Opfer der Gegenreformation, die der Obhut einer christlich angehauchten Partei bedürfen.
Mit der Wahl Dr. Rainers ist wieder eine Merkwürdigkeit statuiert worden, die bezeichnend für die stei-rische Landespolitik ist: das von höchster Stelle geförderte „steirischc Proporzverhältnis“ zwischen katholisch und national-liberal.
Eine andere Merkwürdigkeit, die man ebenfalls nur aus Gedankenlosigkeit als kurios bezeichnen kann, von der man hoffte, die Landesparteileitung werde sie bei ihrer Sitzung aus der Welt schaffen, bleibt vorläufig bestehen: die Koalition zwischen ÖAAB und Kommunisten bei der Konstituierung des Arbeiterbetriebsrates der Grazer Verkehrsbetriebe!
Da hatte der Grazer ÖAAB ein ganz kräftiges Lebenszeichen von sich gegeben und bei den GVB-Betriebs-ratswahlen gleich fünf Mandate erobert. Die Kommunisten blieben trotz Mandatsverlust mit sechs Mandaten die stärkste Fraktion, und die Sozialisten mußten sich mit drei Mandaten begnügen.
Also eine günstige Gelegenheit, den bisherigen kommunistischen Betriebsratsohmann durch einen Nichtkommu-nisten zu ersetzen. Ein entsprechendes Angebot des ÖAAB wurde jedoch von den Sozialisten abgelehnt. Die SPÖ-Vertrauenspersonen des Betriebes faßten den recht seltsamen Beschluß, weder für einen kommunistischen noch für einen Obmann des Arbeiter- und Angestelltenbundes zu stimmen. Die Sozialisten gebärdeten sich so trotzig, weil sie enttäuscht waren über das geringe Vertrauen, das ihnen die Straßenbahner geschenkt hatten, und wollten keine Verantwortung übernehmen.
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