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Und es gibt es doch!

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Wenn nach einem heftigen Krach in der letzten Landtagssitzung vor den Wahlen am 8. Oktober schwarze, rote und blaue Landespolitiker gemeinsam fürs Familienalbum posieren; wenn ÖVP-Landesparteisekretär Karl Maitz die Gattin des SPÖ-Landeschefs Adalbert Sebastian beim Formel-I- Rennen auf dem Österreichring in rührender Weise mit Ohrenschützem versorgt: Dann handelt es sich um das berühmte „Steirische Klima“, das die Landespolitik regiert.

Daran ändert sich nichts, wenn die Wahlen vor der Tür stehen. Selbst wenn sich Politiker und Zeitungen über die politischen Gelder einer gemeinnützigen Wohnbaugesellschaft ereifern, ist das sagenhafte „Steirische Klima“ nicht wirklich in Gefahr: Erstens wissen die Sozialisten selbst nicht, ob sich der Ärger der Wähler gegen den wendet, der „Flecken im Gesicht“ hat, oder gegen den „Spiegel, der die Flecken zeigt“ (so Helmut Griess in der Arbeiter-Zeitung). Zweitens und insbesondere dürfte auch der Glaube der Wähler an die absolute Redlichkeit der Parteienfinanzierung (nicht unbedingt der Politiker) bereits verblaßt sein, als es noch gar keine Parteien gab.

Es bleibt also vorläufig beim „Steirischen Klima“, dessen augenfälligste Merkmale Zusammenarbeit, Konsensbereitschaft, Beständigkeit, Fairneß zwischen den Parteien sowie eine Politik der menschlichen Nähe (wie sie freilich nur auf Landesebene möglich ist) sind.

Friedrich Niederl wird sich am 8. Oktober bereits zum zweiten Mal dem kri-

tisch prüfenden Blick des steirischen Wählers stellen. Seit Niederl das politische Erbe von seinem Amtsvorgänger Josef Krainer übernommen hat, der aus dem Leben ging wie eine Eiche, die vom Blitz gefällt wird, hat seine Beliebtheit in der Steiermark einen kometenhaften Aufstieg genommen.

Die erste Niederl-Wahl im Oktober 1974 überzeugte alle Zweifler: Niederl erreichte mehr Mandate als Josef Krainer je in seiner langen Amtszeit erkämpfen konnte. Er verbesserte den von Krainer übernommenen Besitzstand von 28 auf 31 Landtagssitze. Die Sozialisten unter Adalbert Sebastian fielen von 26 auf 23 Mandate zurück.

Dem Menschen Friedrich Niederl, der in seiner unbeirrbaren Tüchtigkeit und in der Eigenschaft, die ihn bewegenden Gefühle und Emotionen nicht auf Unbeteiligte loszulassen, sondern lieber mit sich herumzutragen, Zwei wesentliche Merkmale des gewachsenen Ennstalers in sich vereint, ist der persönliche Erfolg nie zu Kopf gestiegen: Am Höhepunkt seines Triumphs, am Wahlabend des 20. Oktober 1974, ließ er sich nicht zu Hochmut und Überheblichkeit verleiten, sondern reichte dem geschlagenen Kontrahenten zu weiterer Zusammenarbeit die Hand. Umso leichter wird es Niederl fallen, sollte die ÖVP nun am 8. Oktober ein Mandat einbüßen, was durchaus möglich wäre, seine bisherige Identität zu bewahren.

Niederls persönliches Gegenüber, der aus Leoben-Donawitz kommende SPÖ-Landeshauptmannstellvertreter Adalbert Sebastian, hat schwer daran zu tragen, daß ihm seine undankbare Aufgabe durch nichts erleichtert wird. Nicht einmal von den eigenen Parteifreunden wird ihm das Leben leicht gemacht. Nicht erst einmal hat die Junge Generation der steirischen SPÖ, an deren Spitze pikanterweise mit Alfred Schachner ein Generaldirektor steht, der zugleich Universitätsprofessor ist, Sebastian aufgefordert, für nachrückende Parteigenossen Platz zu machen.

Für Sebastian gilt wohl wie für kaum einen anderen: Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg, nichts erfolgloser als der Mißerfolg.

Daß Sebastian nicht schon nach den Wahlen 1974 die Flinte ins Korn warf, ist wahrscheinlich in erster Linie darauf zurückzuführen, daß die stęiri-

sehen Sozialisten keinen zugkräftigen Nachfolger parat hatten. Diesmal geht die Rede, der SPÖ-Chef werde entweder noch am Wahlabend (bei entsprechend schlechtem Ausgang) oder aber bald nach der Wahl das Feld räumen. Ein möglicher Nachfolger ist Hans Gros, 2. Landtagspräsident, starker Mann im ÖGB und in der Grazer Partei.

Die Führungsstruktur der steirischen Sozialisten ist - ähnlich wie in der Volkspartei - in einem gewissen Wechselverhältnis zur Bundespolitik zu sehen: Während den Landespoliti- kem der SPÖ talentierte Leute oft an Wien verloren gingen, wie etwa Bau- tenminister Josef Moser, fanden die Zukunftshoffnungen der Schwarzen, wie etwa Landesrat Josef Krainer (der Junge“ Krainer oder auch schlicht „Joschi“ von den Steirern genannt) sehr bald wieder ins Heimatland zurück.

Die Plakatfeldzüge der Parteien spiegeln die psychische Verfaßtheit der weißgrünen Wahlwerber recht gut wider:

• Die ÖVP affichiert seit mehr als zwei Wochen ein kleines Konterfei Niederls mit dem riesigen Schriftzug „Ihr Niederl“. Die Person des Landeshauptmannes steht im Vordergrund. Die Parteizugehörigkeit Niederls wird man auf dem „Einstiegs-Plakat“ lange suchen.

• Die SPÖ („Wir machen uns stark für die Steiermark“) stellt das Parteibekenntnis in den Mittelpunkt. Sie sagt,

sie wolle stärker werden, nachdem Sebastian 1974 mit dem Anspruch auf die Mehrheit im Lande schlechte Erfahrungen gemacht hat. Adalbert Sebastian wird erst an der schützenden Seite Bruno Kreiskys zu gegebem Zeitpunkt die Plakatwand „betreten“. • Die Freiheitlichen wiederum beten eine Wiederholung des Grazer Wahlerfolges vom Jänner dieses Jahres herbei. Unter dem Motto „Mit Grazer Schwung fürs ganze Land“ ruft sie alle Götz-Wähler an, bei der Stange zu bleiben. Freilich hat Klaus Turėk, der Spitzenkandidat der Freiheitlichen, dennoch allen Grund zu zittern: Auch 1974, eineinhalb Jahre nach den für die

FPÖ erfolgreichen Grazer Wahlen, konnte für den Landtag nur ein Bruchteil der Grazer Stimmen gehalten werden. Das Grazer Grundmandat ist auch diesmal in Gefahr - und mit ihm das eine Restmandat.

Was die Wahlen in der Steiermark so spannend macht, ist die von Wahlgang zu Wahlgang steigende Fluktuation bei den Wählern. Bei den Landtagswahlen

1974 hatte die ÖVP die absolute Mehrheit, für den Nationalrat brachte es

1975 die SPÖ auf die „absolute“ und vor sieben Monaten fuhr die Grazer FPÖ bei den Gemeinderatswahlen sensationelle 25 Prozent in die Scheune.

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