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Die Landeshauptmannwahlen

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Am 20. Oktober ist Lostag in Graz: 56 Mandate sind für den steirischen Landtag zu vergeben, und die SPÖ hat zum Sturm auf die gegenwärtige Mandatsverteilung (ÖVP 28, SPÖ 26, FPÖ 2) angesetzt. So wie Rupert Gmoser einen Artikel in der „Kleinen Zeitung” überschrieb („A unhamlich schtoaka Auftakt”), mit ebensolcher Vehemenz hat der Wahlkampf eingesetzt. Daß es ein spannendes Rennen werden wird, bezweifelt eigentlich niemand. Grund dafür ist wieder einmal — wie schon in Salzburg, Oberösterreich und Niederösterreich —, daß die beiden großen Parteien einen schizophrenen Wahlkampf führen müssen, defensiv und offensiv zugleich.

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Am 20. Oktober ist Lostag in Graz: 56 Mandate sind für den steirischen Landtag zu vergeben, und die SPÖ hat zum Sturm auf die gegenwärtige Mandatsverteilung (ÖVP 28, SPÖ 26, FPÖ 2) angesetzt. So wie Rupert Gmoser einen Artikel in der „Kleinen Zeitung” überschrieb („A unhamlich schtoaka Auftakt”), mit ebensolcher Vehemenz hat der Wahlkampf eingesetzt. Daß es ein spannendes Rennen werden wird, bezweifelt eigentlich niemand. Grund dafür ist wieder einmal — wie schon in Salzburg, Oberösterreich und Niederösterreich —, daß die beiden großen Parteien einen schizophrenen Wahlkampf führen müssen, defensiv und offensiv zugleich.

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Die ÖVP offensiv, weil sie im Nationalrat Opposition ist, defensiv, weil sie im steiermärkischen Landtag ihre führende Position zumindest halten muß; für die SPÖ gilt dasselbe mit umgekehrten Vorzeichen.

Denn eines steht fest: Für keine der Parteien bedeutet dieser Wahlgang eine ausgemachte Sache. Aus der Tabelle geht zwar eindeutig hervor, daß die ÖVP bei Landtagswahlen bislang immer (mit Ausnahme 1953) stimmenstärkste Partei war, daß jedoch bei Nationalratswahlen das Pendel seit 1970 zugunsten der SPÖ ausgeschlagen hat.

Wie gesagt, es war ein sehr starker Auftakt: die SPÖ, offensichtlich durch die Vorwahlen ein wenig irritiert (bei der SPÖ hatten sich infolge der ohnehin aussichtslosen Konstruktion der „Vorwahl”, die eher eine Farce war, lediglich 12.400 Parteigänger, also 12 Prozent beteiligt, bei den ÖVP-Vorwahlen jedoch immerhin 76.800 und somit 60 Prozent, sowie noch rund 18.000 Nicht-Parteimitglieder), setzte am 14. September ganz scharfe Munition ein, wobei SP-Landeschef Sebastian der ÖVP „Mißbrauch der Amtsgewalt” und „Vermengung der Parteiinteressen mit Landesmitteln” vorwarf. Es darf nicht verwundern, daß Landeshauptmann Niederl — ebenfalls ungewöhnlich scharf — diese Vorwürfe zurückwies und es ist bezeichnend, daß Sebastian nunmehr das Wort „Amtsmißbrauch” aus seinem Vokabular gestrichen hat.

Ein weiteres Wahlkampfthema, das die steirischen Gemüter erhitzt, ist der Straßenbau. Während Bundesk anzier Kreisky Landesrat Krai- ner (VP) Verzug bei der Straßenplanung vorwarf, konnte die ÖVP darauf hinweisen, daß — neben anderen Projekten, die von dem aus der Steiermark stammenden Bautenminister Moser schleppend behandelt wurden —ein Projekt, welches 1971 dem Ministerium vorgelegt worden war, erst kürzlich als „nicht baureif” abgelehnt worden sei. Was Krainer und seine ÖVP-Mannen besonders ärgert: ein Antrag zum Projekt der Pyhm- autobahn, wurde genau zwei Tage vor Mosers Rede auf dem steirischen SP-Parteitag als „nicht genehmigt” zurückgewiesen. Während die ÖVP darin neben wahltaktischen Überlegungen auch Finanznöte des Bundes vermutet, wird sozialistischerseits argumentiert, daß die sogenannte „Baureife” nicht Vorgelegen sei.

Gerade die knappen Mandatsverhältnisse sind es, die alle Parteien zum totalen Einsatz im Wahlkampf zwingen. In diesem Ringen blieb auch die FPÖ nicht verschont und wird von der steirischen SP massiv angegriffen. Sebastian meinte in Richtung FPÖ (indem er auf die kleine Koalition VP-FP in Graz anspielte), daß sich die Blauen vertraglich verpflichtet hätten, „aus Dankbarkeit für den Bürgermeisterposten für einen ÖVP-Landeshauptmann zu stimmen”. Der Grazer SP-Chef Stoi- ser verstieg sich gar zur Behauptung, daß die Grazer Koalition eine „politische Mißgeburt” und „eine Koalition der Unvernunft” sei. Aber auch die FPÖ wird kämpfen müssen, denn sie errang 1970 nur ein Grundmandat (in Graz); sollte sie dieses verlieren, dann dürfte sie im Landtag nicht mehr vertreten sein.

Wie auch schon in den verschiedenen Landtagswahlen der letzten Zeit, so zeigt sich auch in der grünen Mark ein zunehmender Trend zum Persönlichkeitswahlkampf: Niederl oder Sebastian stehen zur Wahl, wobei beide Kandidaten das Erbe „großer Väter” (Kramer und Schachner- Blazizek) zu verwalten haben. Die Reduzierung auf die Spitzenkandidaten beschränkt sich nicht nur auf Plakate, sie ist allgegenwärtig spürbar, so daß man eigentlich genauer von „Landeshauptmannwahlen” sprechen müßte.

Während die ÖVP ihren Wahlkampf bewußt steirisch angelegt hat und auf Schützenhilfe aus Wien verzichtet, haben sich die steirischen Genossen neben Kreisky auch die Minister Moser und Rösch geholt, um zu dokumentieren, daß eine „erfolgreiche Bundespolitik auch ein sicheres Fundament für eine erfolgreiche Landespolitik” sei (Sebastian). Kreisky dürfte sich dessen nicht so sicher sein, denn er hat diese Landtagswahlen nicht (wie etwa in Ober- ös’terreich) als Testwahlen bezeichnet. Und er wird wissen, warum.

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