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Großer Schatten

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Ernster als man es von ihm gewohnt war, vergatterte der steiri-sche Landeshauptmann und ÖVP-Landesparteioibmann Josef Kradner am 3. März seine Mannschaft Nichts hörte man mehr von seinen kernigen, humorvollen Formulierungen. Nur mehr kurze, gestochene Sätze, mit denen Krainer den Funktionären der steirischen ÖVP den Ernst der Situation vorhielt. Die österreichische Öffentlichkeit blickt am 15. März auf die Steiermark, den spätestens um 21 Uhr, wenn das Endergebnis der Landtagswahlen vorliegen wird, wird man wissen, ob der „Genosse Trend“ weiterhin die Sozialisten begünstigt oder ob die Persönlichkeit des ÖVP-Spitzenkandidaten Krainer diesen Trend in der Steiermark abstoppen kann.

Deshalb haben auch die Landtagskandidaten und die Ortsfunktionäre der Volkspartei in den letzten Tagen Großeinsatz. Landeshauptmann

Krainer selbst hat bei seinen Wahl-veranstaltungen kaum einen einzigen steirischen Ort ausgelassen. Die übrigen steirischen Politiker sind mit Betriebsbesuchen und Hausbesuchen voll ausgelastet. An den wichtigsten Plätzen der Landeshauptstadt Graz fordern die Lautsprecher von VW-Bussen die Bevölkerung zur Diskussion mit den Mandataren auf. Hübsche Hostessen im Steirerdirndl verteilen Tragtaschen, Zigaretten, Kugelschreiber, Nähzeuge. Die Plakatwerbung der steirischen ÖVP ist Mittelpunkt heftiger Diskussionen. Ein vor allem an die Jungwähler gerichtetes Plakat zeigt zum Beispiel ein junges Paar in einem Auto mit dem Text „Wir fahren zu Krainer“.

Die SPÖ hat sich in ihrer Wahlwer-gung bisher stark auf den Bundestrend verlassen. Erst in den letzten Tagen wird das Bild des Landeshauptmannstellvertreters und Spitzenkandidaten DDr. Schachner affl-chiert.

Die FPÖ tritt — wenn man vom freiheitlichen Spitzenkandidaten Vizebürgermeister DDr. Goetz absieht — in der Wahlwerbung kaum in Erscheinung.

Wenig Wahlkampfklima

Der Einsatz von Menschen, Mitteln und Zeit, findet allerdings bei der steirischen Bevölkerung wenig Widerhall. Die wahlwerbenden Politiker werden überall freundlich behandelt, Geschenke mit Dank entgegengenommen, aber es fehlt

das richtige „Wahlkampfklima“. Der steirische Landtag setzt sich gegenwärtig aus 29 Abgeordneten der ÖVP, 24 der SPÖ, 2 der FPÖ und 1 der KPÖ zusammen. Wenn man das Ergebnis der Nationalratswahl 1970 den Landtagswahlen zugrunde legt, würde der Mandatsstand lauten: 27 ÖVP, 27 SPÖ, 2 FPÖ; wobei die SPÖ, wenn sie auch nur eine Stimme mehr hätte als die Volkspartei, den Landeshauptmann stellen würde. Gegenwärtig verfügt die ÖVP über 5, die SPÖ über 4 Mitglieder der Landesregierung. Dieses Verhältnis würde sich, ebenfalls unter Annahme des Ergebnisses der Nationalratswahl, genau umkehren.

Im Gegensatz zu anderen Bundesländern haben sich die Freiheitlichen am 1. März in der Steiermark gut behaupten können, im Wahlkreis Obersteiermark hat die FPÖ gegenüber den Nationalratswahlen 1966 sogar noch Stimmen dazugewonnen. Das große Fragezeichen stellt das Abschneiden der Volkspartei im Wahlkreis Oststeiermark dar, wo den Sozialisten erstmals starke Einbrüche in bäuerliche Wählerschichten geglückt sind. Die Wahlstrategen der ÖVP erhoffen sich allerdings, daß die Zugkraft Josef Krainers gerade in dieser ÖVP-Domäne die Verluste wettmachen könnte.

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