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Gute Chancen für neue Götz-Hasiba-Ehe

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Einen der spannendsten Wahlgänge seit 1945 werden die Grazer am 29. Jänner kommenden Jahres erleben: Die Landeshauptstadt mit dem größten Wechselwähleranteil und den meisten Bürgerinitiativen Österreichs war 1973 nach jahrzehntelanger Einstufung als Bastion der sozialistischen Gemeindebürokratie von Wählern der Volkspartei und der Freiheitlichen sturmreif geschossen worden. Das Resultat ist bekannt, die Wahl von Alexander Götz zum neuen Bürgermeister mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ wurde zurecht als kleine Sensation gefeiert. Nun lautet die Hauptfrage: wird die Koalition zwischen Götz und Vizebürgermeister Franz Hasiba den 29. Jänner überleben?

Ein Blick auf die Wahlstatistik der Landeshauptstadt Graz zeigt ein hochinteressantes, für das gesamte Bundesgebiet einmaliges Bild. Die Stimmenanteile von ÖVP, SPÖ und FPÖ weisen bei Wahlen in den Gemeinderat, in den Landtag und in den Nationalrat derart große Schwankungen auf, wie sie in keiner anderen Region Österreichs in diesem Ausmaß bisher feststellbar waren. Den stärksten Schwankungen sind die beiden bürgerlichen Parteien unterworfen: Innerhalb nur eines Jahrzehnts schwankte in Graz der Anteil der ÖVP-Wähler an der Gesamtzahl der gültigen Stimmen zwischen 31,7 Prozent (Gemeinderatswahlen 1968) und 48,8 Prozent (Landtagswahlen 1974). Bei der in Graz sehr starken FPÖ ist dieses Phänomen noch deutlicher feststellbar: Von den anläßlich der Gemeinderatswahl 1973 auf diese Partei entfallenen Stimmen (16,9 Prozent) konnte die FPÖ bei der Nationalratswahl 1975 kaum 40 Prozent halten: Sie magerte auf 6,7 Prozent ab.

Etwas ausgeglichener, aber immer noch sehr bemerkenswert, ist das Wahlverhalten unter den SPÖ-Wäh- lern: Die SPÖ schwankt in Graz zwischen 41,8 Prozent (Landtag 1974) und 52,2 Prozent (Gemeinderat 1968).

Zu einem guten Teil ist dieses bemerkenswerte Wahlverhalten sicherlich auf die in ganz Österreich in den letzten zehn Jahren verstärkt zu Tage getretene Tendenz, bei Wahlen weniger die Programme als Personen zu beurteilen, zurückzuführen. Unter den Wechselwählern in Graz gibt es sicher auch solche, die auf Gemeindeebene „den blauen Götz“, bei Landtagswahlen „den schwarzen Niedert“ und auf Bundesebene wiederum „den roten Kreisky“ wählen.

Als Grundlage für eine vorsichtige Prognose für die Wahlen in vier Wochen muß das Ergebnis von den letzten Gemeinderatswahlen am 25. Feber 1973 noch einmal beleuchtet werden. Das damalige Ergebnis war insbesondere auf zwei Personen zurückzuführen. Einerseits auf den einst unbestrittenen und äußerst beliebten SPÖ- Bürgermeister Gustav Scherbaüm, der 1973 bereits eindeutig seinen Höhepunkt überschritten hatte. Anderseits auf den erfahrenen Kommunalpolitiker Alexander Götz, der in bürgerlichen und industriellen Kreisen sein Image gepflegt und dadurch den respektablen Stimmenanteil von 16,9 Prozent erreicht hatte.

Daneben waren offenbar noch zwei Hauptereignisse für die Abkehr von den Sozialisten bestimmend: Scherbaum wollte die Trasse der Pyhrnau- tobahn quer durch mehrere westliche Stadtbezirke führen, und kam dabei unter die Räder von Bürgerinitiativen und Emotionen. Gleichzeitig hat die Volkspartei erstmals seit Jahren in Graz stärkere Impulse gesetzt. Mit dem neuen Stadtparteiobmann Franz Hasiba, dem Stadterneuerungskonzept als programmatischer Grundlage und attraktiven jungen Mitarbeitern konnte die ÖVP den Eindruck vermitteln, den Grazern zu einem neuen Graz-Gefühl verhelfen zu können.

Gegen die Wahl von Götz zum Bürgermeister hat es in der Volkspartei in Graz stets beachtliche Widerstände gegeben, die in den letzten zwei Jahren etwas verflacht sind, nach der kommenden Gemeinderatswahl gewiß aber wieder ausbrechen werden. Die Gegner einer Koalition mit Götz befürchten, Götz könnte durch seinen Bürgermeister-Bonus bei den kom menden Gemeinderatswahlen Stimmen und vielleicht auch ein Mandat auf Kosten der ÖVP gewinnen. Sollte dieser Fall eintreten, nimmt die Wahrscheinlichkeit einer Neuauflage der ÖVP-FPÖ-Koalition ab. Dieses Faktum ist auch Götz bekannt, dessen Ambitionen, eine Funktion auf Bundesebene in seiner Partei zu übernehmen, in letzter Zeit übrigens abgenommen haben. In vertraulichen Gesprächen mit ÖVP-Politikern hat Götz bereits angedeutet, er habe nicht das mindeste Interesse, auf Kosten der ÖVP stärker zu werden.

Tatsächlich ist diese Gefahr aber nicht sehr groß. Während die ÖVP 1973 in allen Stadtteilen ziemlich gleichmäßig gewonnen hat, nahm der Stimmenanteil der FPÖ, die sich in der Frage der Trassenführung der Pyhrn- autobahn besonders stark engagiert hatte, in den von dieser Problematik betroffenen Bezirken besonders stark (bis zu 10 Prozent) zu. Es wäre also denkbar, daß Götz allfällige Gewinne durch seinen Bürgermeister-Bonus gegen ein Absinken in den „Autobahn-Bezirken“ eintauschen muß.

Durch eine Weiterentwicklung des Stadtemeuerungskonzeptes in der Vorlage einer Programmschrift unter dem Titel „Der Grazer Weg“ erhebt die ÖVP wiederum den Anspruch auf die vorwärtstreibende und erneuernde Kraft im Grazer Rathaus.

Wenn die SPÖ als mandatsstärkste' Partei (26 SPÖ: 20 ÖVP: 9 FPÖ: 1KPÖ) erst am Schluß genannt wird, geschieht dies nicht ohne Grund. Unter ihrem rührigen, aber wenig zugkräftigen Vorsitzenden und Vizebürgermeister Karl Stoiser hat sie in den letzten fünf Jahren keine größere Chance gehabt, sich vom harten Schlag der letzten Wahl zu erholen. Die absolute Mehrheit wird sie mit großer Wahrscheinlichkeit nicht bekommen. Der einzige Politiker, der dazu imstande wäre, wurde von seinen Genossen seit 1973 äußerst konsequent abmontiert: Karl Stoisers Vorgänger Gustav Scherbaum.

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