6833549-1975_01_04.jpg
Digital In Arbeit

Politische Weggabelung

Werbung
Werbung
Werbung

Niemand vermag heute fundierte Prognosen über die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung Österreichs im Jahr 1975 abzugeben. Wir ahnen — und die internationale Szenerie unterstützt solche Vermutungen —, daß die wirtschaftlichen Probleme Österreichs größer und ihre Lösungsmöglichkeiten komplizierter werden. Zugleich erkennen wir die Zusammenhänge von wirtschaftlicher und politischer Entwicklung.

Ende 1974 veröffentlichte das Linzer IMAS-Institut eine Meinungsumfrage, derzufolge heute Unsicherheit und Zukunftsangst in Österreich bedeutend größer sind als an der Wende 1973/74. Die oppositionellen Parteien im Nationalrat, aber auch ein Gutteil der veröffentlichten Meinung lesen aus der allgemeinen Ungewißtheit eine tiefe Sehnsucht der österreichischen Wähler noch einer großen Koalition heraus.

Das — ob diese Deutung nun richtig oder falsch ist — ist wesentlich, weiTT 975’ein großes Wahljahr bringt. NaM dertf Wdihhachtsfrieden tim’die- Bögeltärmiten Wirtschaftegesetze wissen wir, daß die Nationalratswablen wohl nur entweder im Mai oder aber im Oktober stattfinden dürften. Für den Mai sprechen aus der Sicht der Regierungspartei einige Gründe: dieser Monat ist nicht nur „wahiklima- tisch” günstig, sondern schließt an den April, in dem die Bundesregierung und Dr. Kreisky ausgiebig Gelegenheit haben werden zur publikumswirksamen Selbstdarstellung im Rahmen der Feiern um die 30jährige Wiedergeburt der Republik Österreich und die zwanzigste Wiederkehr des Tages, an dem der Staatsvertrag unterzeichnet wurde. Bundeskanzler Dr. Kreisky hat schon bisher wenig Bescheidenheit gezeigt, wenn es darum ging, seine Vendiien- ste an der Unterzeichnung des Staatsvertrages hervorzukehren, versteht er sich doch als der letzte

Überlebende unter den Regierungs- mitgliedem, die daran beteiligt waren. Gegen den Mai 1975 spricht nur, daß die RpgieidrtfctpärtcSl -daftiftl ihr wiederholt abgegebenes Versprechen, im Oktober 1975 zu wählen, brechen würde. Für den Oktober 1975 spricht dagegen vor allem, daß es auch eine Allleinregierung sozialistischer Couleur zuwege brächte, das Land eine volle Legislaturperiode lang zu führen. Nach den Erfahrungen der seinerzeitigen ÖVP-Alleinregierung ist zu bezweifeln, ob das von den Wählern auch tatsächlich honoriert wird.

Die letzten Meinungsumfragen, die das politische Klima und die Pairtei- enpräferenzen der Österreicher erforscht haben, zeigen je nach der politischen Nähe der Institute zu ihren Auftragsgebern ein sehr unterschiedliches Bild: das vom sozialistischen Abgeordneten Blecha geführte IFES- Institut will einen deutlichen Vorsprung der SPÖ (45 Prozent) vor der ÖVP (35 Prozent) bei etwa 20 Prozent unentschiedenen Wählern herausgefunden haben. Das Linzer IMAß-In- stitut registrierte dagegen eine Kopf- an-Kopf-Situation der beiden Groß- parteien.

Holt man die Ergebnisse der Land- tagswahlen seit 1971 zur Beweisführung für denkbare Wahlergebnisse im laufenden Jahr heran, so zeigt sich tatsächlich ein rechnerisches Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Großparteien.

Wobei freilich die FPÖ die große Unbekannte ist. In allen Meinungsumfragen des Jahres 1971 lagen ihre Anteile höher als selbst bei ihrem bisher besten Wahlergebnis mit rund 7,5 Prozent Stimmenanteil. Nim ist es aber der FPÖ in entscheidenden Wahlkämpfen noch nie gelungen, die eher günstigen Voraussagen der Meinungsforscher am Wahltag zu bestätigen. Wenn ähr daher derzeit das

SPÖ-nahe IFES-Institut einen Anteil von etwa zehn bis zwölf Prozent weissagt, so ist das mit sehr großer Vorsicht zu genießen. Einmal ist dieser prognostizierte Stimmenanteil nicht von den parteipolitischen Implikationen der IFES-Forscher zu trennen, die nun einmal den Auftrag haben, die FPÖ besser darzustellen als sie ist, um sie als koali- tionsfahige Partei für die SPÖ zu erhalten. Das anderemal hat die FPÖ gerade in den letzten beiden Monaten des abgelaufenen Jahres gravierende Einbußen in der öffentlichen Meinung hinnehmen müssen. Fast scheint es, als würde der alte Konflikt der nationalen Prätorianer mit den liberalen Newcomern dieser Partei im entscheidenden Augenblick sehr schwer zu schaffen machen. Das hat sich bei den Landtagswahlen in Oberösterreich 1973 gezeigt, bei allen Landtagswahlen und bei der Arbeiterkammerwahl des Jahres 1974 fortgesetzt und könnte spätestens bei den National ratswahlen 1975 in ein Debakel der Partei und ihrer sehr umstrittenen Führung münden. Da es aber, .Wh immer keine» verläßlichen Schlüssel darüber gibt, welcher der beiden Großparteien die Stimmen ehemaliger FPÖ-Wähler zuwandem, bleiben alle Prophezeiungen über den Ausgang der Nationalratswahlen im laufenden Jahr Spielerei mit unklarem Hintergrund.

Deutet man, was nicht minder schwierig ist, das politische Klima in Österreich und zieht man Vergleiche mit ähnlichen Situationen in der Vergangenheit, so hat eine Prognose große Chancen, vom tatsächlichen Wahlergebnis als richtig verifiziert zu werden: Welche Partei immer den Regierungschef stellt — ob die ÖVP oder die SPÖ —, die andere stellt dann den Vizekanzler. Fast alle Daten und Fakten sprechen für eine Große Koalition, nicht zuletzt das traditionelle Wahlverhalten der Österreicher.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung