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Votum für Sachpolitik

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Mehrmals am Wahltag, informierte, sich das Büro des Bundeskanzlers: über die Wahlbeteüigung und später über den Trend bei den Handelskammerwahlen 1975. Am Abend des 22. April wurden die Befürchtungen Bundeskanzler Kreiskys zur Gewißheit: Die Unternehmer Österreichs erteilten der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung eine Absage. Ähnlich wie in der Steiermark, wo die SPÖ bei Kommunalwahlen Stimmen und Mandate einbüßte.

Bei den Vorbereitungen zu den Handeigkammerwahlen machte die Wahlbeteiligung größte Sorgen. So wählten 1970 in Wien nur 56 Prozent der Wirtschaftstreibenden, wogegen damals die Wahlbeteiligung etwa in Oberösterreich bereits bei 90 Prozent lag. Der ÖVP-Wirtschaftsbund fürchtete, daß vor allem die zahlreichen kleinen Händler in Wien den Lockrufen des SPÖ-Wirt-schaftsverbandes auf den Leim gehen würden — in der Ladenschluß-frage also einem generellen Zusperren den Vorzug geben werden. Wirtschaftsbundpräsident Sallinger argumentierte gegen diese bestimmt konsumantenunfreundliche Idee mit dem Slogan „Aufsperren ist besser als Zusperren“ und konnte damit auch die Handelstreibenden und die Konsumenten (wahrscheinlich auch die Bundesregierung insgesamt) überzeugen: In Wien stieg die Wahlbeteiligung um nahezu 6 Prozent und der Anteil des Wirtschaftsbundes um rund 2 Prozent. Mit Ausnahme von Burgenland und Vorarlberg (wo nicht gewählt wurde) und von Niederösterreich stieg die Wahlbeteiligung und der Stimmenanteil des ÖVP-Wirtschaftsbundes in allen Bundesländern. In Tirol und Oberösterreich auf über 90 Prozent. Da-

gegen büßten die sozialistischen Unternehmer nahezu überall Stimmen ein, in Wien, Salzburg und Tirol am meisten. Vom offen verkündeten Wahlziel des Obmanns des sozialistischen Wirtschaftsverbandes Mühlbauer, nämlich den Stimmenanteil auf 30 Prozent hochzuschrauben, blieb nichts übrig als die Zwangsvorstellung, es bei der nächsten Wahl besser machen zu müssen.

Die Niederlage des Freien Wirt-schaftsverbandea ist zugleich eine schwere Schlappe der SPÖ und der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung. Ein liberaler Finanzminister Androsch und ein stets verhandlungsbereiter Handelsminister Stari-bacher, so dachte man, müsse genügen, um die österreichischen Wirtschaftstreibenden bei guter Laune zu halten. Dem aber war, wie das Handelskammerwahlergebnis zeigt, in Wirklichkeit nicht so. Die Unternehmer votierten offenbar gegen die steigenden Soziallasten, Lahnkosten und Steuern, gegen den Preisdirigismus und gegen die Umverteilung, vor allem aber gegen die Tendenz, den Unternehmern immer und an allem Schuld zu geben.

Mit der Wahlniederlage vom 20. und 21. April hat die SPÖ in den letzten vier Jahren praktisch alle Wahlen bei Personenkörperschaften öffentlichen Rechts verloren: bei den diversen Landwirtschaftskammerwahlen, bei der Arbeiterkamtner-wahl Ende September 1974 und nun bei den Handelskammerwahlen.

Das ist eine Tatsache, die dem Bundeskanzler eigentlich zu denken geben sollte. Es stellt sicherlich nicht seine wählerwirksame Persönlichkeit in Frage, denn diese hat in diese Wahlgänge jedenfalls unmittelbar nicht eingegriffen. Und das Votum bedeutet auch keineswegs, daß für ihn und seine Partei die Nationalratswahl am '5. Oktober schlecht ausgehen muß. Es zeigt nur, daß die Politik der Regierung, dort, wo sie Sachpolitik sein sollte, von den unmittelbar Betroffenen offensichtlich abgelehnt wird. Und daß auch — wie in der Steiermark — die Sozialisten nicht als die besseren Kommunalpolitiker angesehen werden.

Der Wirtschaftsbund hat mit diesem überraschend hoben Wahlsieg seine Position nicht nur im Bereich der Handelskammerorganisation bestätigt erhalten, sondern dürfte damit auch innerhalb der ÖVP Auftrieb bekommen. Er hat sich erneut als politischer Vertretungskörper einer Gruppe bewiesen, deren Bedeutung nicht nur an der Zahl, sondern auch an der Qualität ihrer Mitglieder beurteilt werden sollte. Vielleicht hoffte man in der Volkspartei da und dort, daß der Einfluß des Wirtschaftsbundes auf die Politik der ÖVP sinken werde. Das hervorragende Wahlergebnis läßt nun zumindest eine Stabilisierung dieses Einflusses vermuten.

Von den Funktionären in der Handelskammerorganisation abgesehen, bedeutet der Sieg des Wirtschaftsbundes bei den Handelskammerwahlen auch einen persönlichen Erfolg für den Generalsekretär Erhard Busek.

Busek hatte diesen Wahlsieg notwendig, um im Kreis der „jungen Löwen“ um VP-Parteiobmann Schleinzer voll und ganz anerkannnt zu werden. Nicht etwa, daß seine intellektuellen und rhetorischen Qualitäten in Zweifel gezogen wurden, nein: seine Qualitäten als Wahlsieger wurden bislang nicht erforscht. Nun: er hat mehr als eine Talentprobe abgelegt. Und es ist auch nicht anzunehmen, daß er Wahlsiege in der Zukunft immer nur auf bündischer Ebene feiern wird.

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