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Kein Geriß um Posten

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Kommendes Wochenende küren die Unternehmer ihre Fachgruppenvertreter. Gravierende Veränderungen werden nicht erwartet. Denn die meisten Probleme haben die Kammern hinter den Kulissen.

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Kommendes Wochenende küren die Unternehmer ihre Fachgruppenvertreter. Gravierende Veränderungen werden nicht erwartet. Denn die meisten Probleme haben die Kammern hinter den Kulissen.

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Vom 21. bis 23. April sind Handelskammerwahlen in ganz Österreich (in Wien am 22. und 23. und in Vorarlberg nur am 22. April). Genauer gesagt geht es dabei um die Fachgruppenwahl, wo jede Wirtschaftsbranche ihre Standesvertreter auf Landesebene in die sogenannten Fachgruppenausschüsse wählt Bei dieser direkten Wahl sind 12.084 Mandate von 434.361 wahlberechtigten Kammermitgliedern neu zu besetzen.

Die folgenden indirekten Wahlgänge zu den — nächst höheren — Fachgruppenvorstehern, Sektionsleitern usw. werden im Sommer abgeschlossen sein. Im Herbst folgen die Urnengänge auf Bundeskammerebene, die ihren Abschluß mit der Wahl des Bun-deskammerpräsidiums finden, wo, wie es der Generalsekretär des Wirtschaftsbundes Wolfgang Schüssel salopp formulierte, „... dann der Sallinger (als Präsident Red.) heraushupft”.

Diese Nachfolgewahlen sind eigentlich mehr oder weniger vorprogrammiert, da sich am Ubergewicht des Wirtschaftsbundes kaum etwas ändern wird.

Bei den letzten Handelskammerwahlen 1980 erhielten der österreichische Wirtschaftsbund 77 Prozent, der Freie Wirtschaftsverband der Sozialisten zehn und der Ring Freiheitlicher Wirt-schaftstreibender neun Prozent der Mandate. Die restlichen vier Prozent entfielen auf Namenslisten.

Von Wahlwerbung und -kämpfen war in den letzten Wochen nicht viel zu merken. Die Wahlthemen unterscheiden sich kaum so grundsätzlich, daß man daraus einen großen wirtschaftspolitischen Konflikt destillieren könnte. Der österreichische Wirtschaftsbund (ÖWB) und der Ring Freiheitlicher Wirtschaftstrei-bender (RFW) sind marktwirtschaftlich orientiert und erklärte „Anwälte des Mittelstandes”. Auf einen Nenner gebracht, geht es bei ihren Forderungen um gezieltere Förderungen für die Klein- und Mittelbetriebe, Steuererleichterungen und aclministrative Vereinfachungen. Aber auch die Zeitung des sozialistischen Freien Wirtschaftsverbandes (FWV) „Der Selbständige aktuell” widmete in letzter Zeit etliche Titelgeschichten den Klein- und Mittelbetrieben als eine Zielgruppe.

Das politisch Markante ist die erstmalige alleinige Kandidatur des Ringes Freiheitlicher Wirt-schaftstreibender. Mit Ausnahme von 1980 im Burgenland — wo sie übrigens kein Mandat errangen — haben die Freiheitlichen immer in Listengemeinschaft mit dem Wirtschaftsbund der Volkspartei kandidiert und nach einem vorher vereinbarten Schlüssel Mandate zugesprochen bekommen. Die Freiheitlichen agierten somit bisher ohne direkten Wählerauftrag und es wird sich weisen, ob sie zuviel oder zuwenig Mandate zugeschoben bekommen haben.

Diese Teilung der Liste und erstmalige Deklarierung, bedingt durch die rot-blaue Regierungskoalition, ist ein politisches Experiment, das auch den Freiheitlichen Kummerfalten bereitet, wie der Bundesobmann des Ringes, Hermann Eigruber, unverblümt zugibt. Stegers „Umfaller” in wirtschaftspolitischen Fragen (Beispiel Offenhalten der Geschäfte am 8. Dezember) könnte zusätzliche Stimmen kosten. Der Präsident des Freien Wirtschaftsverbandes, Kurt Mühlbacher, fürchtet eher keine Auswirkungen diverser Ankündigungen von Sozialminister und „Unternehmerschreck” Alfred Dallinger wie Maschinensteuer oder das 29-Punkte-Programm zur Arbeitsverfassungsänderung.

Ein herausstechendes Merkmal bei den Kandidaten des Wirtschaftsbundes ist die Verjüngung der aufgestellten Funktionäre. Rund 25 Prozent der 19.974 Kandidaten sind Jahrgang 1945 und jünger, Funktionärsrekrutierung — das ist eines der größten Probleme der gesamten Handelskammer quer durch alle politischen Schattierungen. Denn hier herrscht nicht gerade ein Gedränge um die Posten und Funktionen. Kurt Mühlbacher präzisiert das

Problem: „Die wirklich guten Unternehmer, die die Fähigkeiten hätten, können aus Zeitgründen nicht und wollen auch nicht. Höchstens bei Familienbetrieben, gelingt es, die Unternehmer zu überreden, wenn die Ehegattin die Unternehmensleitung übernimmt.”

Dadurch kristallisierte sich, meinen Handelskammerinsider, ein Funktionärstypus heraus, der auch in der politischen Landschaft ins Schußfeld geraten ist: der von Machtgefühlen, Prestigedenken oder überzogenem Selbstbewußtsein ausgestattete Interessenvertreter. Die entfernen sich dann unter Umständen zu weit von der „Basis”, obwohl die Unternehmer doch eher selbstbewußter und energischer reagieren als beispielsweise andere vertretene Gruppen.

Selbstbewußte Basis

In diesem Zusammenhang hat sich auch nichts Wesentliches am Selbstverständnis der Funktionäre geändert. Die Wirtschaftsfeindlichkeit und die Ablehnung der Technik vor allem in jugendlichen Kreisen käme einzig und allein von den Grünen, sind sich die Obmänner der freiheitlichen und sozialistischen Wirtschaftsverbände einig. Diese müßten daher mehr als bisher von der Notwendigkeit einer schlagkräftigen Wirtschaft zur Bewältigung der kostspieligen Umweltsanierung (Mühlbacher: „Unter Umständen mit einem Kernkraftwerk”) durch verstärkte Aufklärungsarbeit überzeugt werden.

Die konjunkturellen Voraussetzungen für ein Erstarken der Wirtschaft sind bereits gegeben. Wolf gang Schüsseis Diagnose: Im großen und ganzen gehe es der Wirtschaft seit zwei Jahren wieder relativ gut — trotz sozialistischer Wirtschaftspolitik und trotz permanentem „Krankjammern” der Wirtschaft durch einige Vertreter der Volkspartei.

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