6897571-1980_16_15.jpg
Digital In Arbeit

Indirekte Hilfe für SPÖ durch Außenseiter

19451960198020002020

Am 20., 21. und22. April entscheiden rund420.000 Kammermitglieder in einer „Urwahl” über die Vergabe von rund 11.500 Mandaten in der Handelskammerorganisation. Haupt-„Kampfgebiete” sind Wien und Burgenland im Osten Österreichs.

19451960198020002020

Am 20., 21. und22. April entscheiden rund420.000 Kammermitglieder in einer „Urwahl” über die Vergabe von rund 11.500 Mandaten in der Handelskammerorganisation. Haupt-„Kampfgebiete” sind Wien und Burgenland im Osten Österreichs.

Werbung
Werbung
Werbung

Der österreichische Wirtschaftsbund der Volkspartei hat die Förderung des selbständigen Mittelstandes, die Korrektur des 2. Abgabenänderungsgesetzes, den Abbau der bürokratischen Belastungen und die konzentrierte Förderung von Unternehmens-Neu-gründungen in den Mittelpunkt seines Wahlkampfes gestellt,

Darüber hinaus wirbt er für die von ihm politisch dominierten Handelskammern als „ein Servicezentrum der Wirtschaft”. Diese Handelskammern sollen, so ÖWB-Obmann Rudolf Sal-linger, den Unternehmern „Hilfe zur Selbsthilfe” vermitteln.

Denn anders als etwa den Arbeiterkammern bescheinigen die Österreicher den Handelskammern ein hohes Maß an Leistungsfähigkeit bei der Beratung und Betreuung ihrer Mitglieder. Laut einer Umfrage des Dr.-Fes-sel+GfK-Institutes wird keiner Einrichtung des öffentlichen Sektors mehr Flexibilität und so wenig bürokratische Gangart zugeordnet wie gerade den Handelskammern.

Der sozialistische Wirtschaftsverband stellt heute etwa ein Zehntel der Kammerfunktionäre. Im Präsidium der Bundeswirtschaftskammer ist der SPÖ-Wirtschaftsverband mit seinem Obmann Kurt Mühlbacher vertreten. Mühlbacher gilt dort als recht verläßlicher Befürworter der Bundeskammer-Politik.

Insofern fällt es seiner Organisation recht schwer, sich als glaubhafte Alternative zum Wirtschaftsbund zu profilieren. Und zahlreiche ökonomische Bocksprünge der Bundesregierung machen diese Aufgabe auch nicht leichter.

So also plagt sich Mühlbacher damit ab, die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung als die beste aller denkbaren Möglichkeiten zu vertreten. Bei der letzten Handelskammerwahl im Jahre 1975 wurde diese Argumentation von den Unternehmern zwischen dem Neusiedler und Bodensee freilich nicht mit zusätzlichen Stimmen honoriert. Auch diesmal gibt sich der SPÖ-Wirtschaftsverband in dieser Hinsicht realistisch.

Denn ein Anfang 1980 von Parlamentariern des ÖVP-Wirtschaftsbun-des eingebrachter Entwurf für ein Mittelstandsgesetz sollte die Nagelprobe dafür sein, wie es denn die Regierungspartei mit der Förderung des selbständigen Mittelstandes hält. In diesem Entwurf ist das System der sozialen Marktwirtschaft als Grundprinzip der österreichischen Wirtschaftsordnung ebenso verankert wie die Forderung nach Wettbewerbs- und Chancengleichheit für private Klein- und Mittelbetriebe nach einem Entgelt für bürokratische Frondienste an den Staat und nach einem parlamentarischen Mittelstandsbericht.

Auf Landesebene sind in Tirol und in der Steiermark solche Mittelstandsgesetze längst beschlossene Sache. Im Parlament lehnte die sozialistische Mehrheit diesen Gesetzesvorschlag des Wirtschaftsbundes freilich ab. Damit hatte der Wirtschaftsbund in dem sonst sehr moderat geführten Wahlkampf seinen „Wahlschlager”.

Vizekanzler Hannes Androsch, selbst Vorstandsmitglied des SPÖ-Wirtschaftsverbandes, versuchte diese Scharte auszuwetzen: Doch als die Unternehmer eine entscheidende Korrektur des 2. Abgabenänderungsgesetzes von dem zu solchen Maßnahmen gewiß berufenen Funktionär des Wirtschaftsverbandes, Androsch, erwarteten, ließ dieser sich bloß zu einem äußerst vagen Versprechen, eine solche Maßnahme vielleicht im nächsten Jahr ins Auge zu fassen, hinreißen.

” Gefährlicher als der sozialistische Wirtschaftsverband könnte eine Liste des früheren ÖAAB-Mitglieds Karl Steinhauser dem Wiener Wirtschaftsbund unter der Führung von Karl Ditt-rich werden. Der rundum angefeindete Missionar für eigene publizistische Ergüsse gefällt sich als Hecht im Karpfenteich und radikale Alternative zur „herrschenden Klasse der Bonzen und Bürokraten”. Unter dem Deckmantel des verstorbenen Bundeskammergrün-ders und -Präsidenten Julius Raab gelang es Steinhauser tatsächlich, einige Unternehmer für eine Kandidatur auf seiner Liste umzustimmen.

Ob seine radikalen Töne bei mehr als fünf Prozent der Wiener Unternehmer ankommen, wird eher bestritten. Eher schon dürfte seine Kandidatur dem sozialistischen Wirtschaftsverband nützen, indem sie dem Wiener” VP-Wirt-schaftsbund schadet.

Handelskammerwahlkämpfe sind in der Regel keine politischen Großveranstaltungen. Es handelt sich dabei eher um recht offen geführte Abstimmungsverfahren in den diversen Fachverbänden, Innungen und Gremien um die bessere und zweckmäßigere Vertretung unternehmerischer Interessen. Auf die politische Großwetterlage erlaubt der Ausgang einer Handelskammerwahl im allgemeinen keine Rückschlüsse.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung