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Wer zahlt, und wie?

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Für die Funktionsfähigkeit von Demokratien ist es nicht nur wichtig, daß die politischen Parteien genügend Geld haben, sondern aiuch, daß die Art und Weise ihrer Finanzierung ihrer Aufgabe als Mittel der politischen Willensbildung einigermaßen gerecht wird. Dieser Rolle der Parteien als Sammelbecken der verschiedenen politischen Ansichten entspricht am besten eine Finanzierung durch eine möglichst große Zahl von Bürgern, die zudem im IdealfaU auch Mitglieder der betreffenden Parteien sind. Auf diese Weise könnte ein möglichst großer Teil der Bevölkerung in die Parteien integriert werden, was dazu führen würde, daß die politischen Parteien sich tatsächlich immer ihrer Rolle und Beschränkung als bloßes Mittel der demokratischen Willensbildung bewußt bleiben und nicht zu von der Bevölkerung unabhängigen politischen Größen, also zum Selbstzweck, verkümmern.

In Österreich entspricht in keinem der beiden großen politischen Lager die Wirklichkeit der Parteienfinan- zienung diesem Wunschbild. Angesichts der zunehmenden Distanz zwischen Wählern und Parteien ist eine stärkere Annäherung an dieses Wunschbild jedenfalls in nächster Zeit nicht zu erwarten.

Die Sozialistische Partei, obwohl zahlenmäßig relativ stark, wird keineswegs allein von ihren Mitgliedern erhalten. Über verzweigte Kanäle fließen der sozialistischen Parteikasse sicherlich auch Gewerkschafts-, Konsum- und Sparkassengelder zu. Bekannt wurde erst vor kurzer Zeit, daß die SPÖ einen Teil ihrer Wahlkampfkosten im oberösterreichischen Landtagswählkampf über fingierte Werbeaufträge eines öffentlichen Unternehmens an ein SP-eigenes Werbebüro finanzierte. Natürlich wird auch die Österreichische Volkspartei nicht allein von ihren Mitgliedern erhalten. Es gibt tatsächlich zahlreiche organisierte Gruppen, die an einer starken und damit wirkungsvollen Volkspartei sehr interessiert sind. Dazu zählen nicht nur die Industriellen vereini- gung und die agrarischein Genossenschaften, sondern wahrscheinlich alle Organisationen und Institutionen, die an einer Bewahrung der Marktwirtschaft und unserer ohnedies stark unterhöhlten Eigentumsordnung vitales Interesse haben. Es ist dies ein Problem der SPÖ, daß ihr in dieser Frage von nur wenigen Österreichern Offensivgeist unterstellt wird. Auch unter Bundeskanzler Dr. Kreisky hat sich daran nichts geändert.

Die Aufgabe, die den Parteien gestellt ist, ist zweifellos kostspielig. Man wird deshalb ernsthaft zu prüfen haben, ob dieser Preis der Demokratie von den Parteien weiterhin auf freiwilliger Basis eingefordert werden kann oder ob das Parlament nicht von sich aus einen Gesetzesweg zur Regelung der Parteienfinan- zierung finden sollte.

Ein von allen Parteien unterstützter parlamentarischer Antrag zur gesetzlichen Regelung dieser gewiß nicht sehr populären Materie wäre die geeignete Form, dieses Problems Herr zu werden. Die unter allen Umständen ungeeignetste Form ist dagegen die, nur ein halbes Jahr vor der nächsten Nationalratswahl in einem Parteivorstand Beschlüsse über die Regelung von Detailproblemen der Parteienfinanzierung zu fassen, die dann von der Mehrheit der Opposition aufgezwungen werden sollen. Genau diese Form wählte die SPÖ in der letzten Sitzung ihres Parteivorstandes. Als „harten Kern“ eines entsprechenden Antrags nannte Zentralseikretär Fritz Marsch: Wahlkampf- und Parteispenden dürfen keine steuerliche Abzugspost sein.

Die Regierungspartei wird nicht erwarten dürfen, daß die Bevölkerung diese Form der Behandlung einer fundamentalen Frage unserer Demokratie als Zeichen der Inneren und äußeren Sicherheit der SPÖ deuten wird. Das schließt freilich nicht aus, daß die notorischen Wähler der SPÖ diese Vorgangsweise billigen werden. Die Frage ist bloß, ob die SPÖ und die von ihr gestellte Bundesregierung in der Zielgeraden dieser Legislaturperiode tatsächlich nur mehr Politik für den inneren Kern Ihrer Stammwählerschaft machen möchte. Vieles deutet darauf hin und darin äußert sich letztlich die Angst der SPÖ vor ihrer näheren politischen Zukunft.

Daß Sich heute das Problem der Parteienfinanzierung, zwar nur sehr schleppend, aber doch unaufhaltsam an die Oberfläche des öffentlichen Bewußtseins drängen konnte, hat viele Gründe: Die hohen Wahlkampf kosten, Probleme der politischen Bildung und der Öffentlichkeitsarbeit. Sicherlich handelt es sich dabei um kein populäres Thema, wahrscheinlich auch deshalb, weil es von den Parteien in polemischen Auseinandersetzungen als Munition eingesetzt wird. Die jüngste Vor- gangsweise der SPÖ beweist dies nur zu deutlich. Man wird diesem Problem nur dann gerecht werden können, wenn es in der ersten Hälfte einer Legislaturperiode, in gemeinsamen Verhandlungen und umfassend behandelt wird. Umfassend insofern, als auch die verfassungsmäßige Rechtsstellung der Parteien in diesem Zusammenbang geregelt werden muß. Am Ende rationaler und umfassender Verhandlungen sollte nicht die totale staatliche Finanzierung als Ergebnis stehen. Denkbar wären dagegen staatliche Beiträge („Sockelfinanzierung“) nur in beschränkter Höhe und eine steuerlich gleiche Behandlung aller finanziellen Zuwendungen von Interessengruppen an Parteien.

Derzeit genießt beispielsweise der Österreichische Gewerkschaftsbund steuerliche Privilegien, die es ihm leicht machen, an der Parteienfman- zierung mitzuwirken. Davon begünstigt ist in erster Linie die SPÖ. Will man tatsächlich Chancengleichheit hersteilen,, wird man nicht nur die Frage der steuerlichen Absetzbarkeit von Parteispenden, sondern auch den Finanzierungsmodus des ÖGB sehr genau prüfen müssen. Sogenannte rasche Lösungen, wie es sich die SPÖ nun vorstellt, sind keineswegs geeignet, dem heiklen Problem der Parteienfinanzierung gerecht zu werden. Sie sind vielmehr dazu angetan, djs Demokratieverständnis von Parteien, die auf einseitige Lösungen drängen, in Zweifel zu ziehen.

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