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Kommt das Parteiengesetz?

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Der Bonner Bundestag hat vor einiger Zeit die Beratung zweier Vorlagen zu einem Partedengesetz in Angriff genommen. War man zuerst bemüht, einen gemeinsamen Entwurf aller im Bundestag vertretenen Fraktionen zustande zu bringen, so kam es jetzt mangels einer Einigung zu einer Vorlage der Regierungsparteien und der Opposition. Der Gesetzesentwurf versucht, den Art. 21 des Bonner Grundgesetzes zu ergänzen, der die Stellung der politischen Parteien folgendermaßen regelt:

1. Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft ihrer Mittel Rechenschaft geben.

2. Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. Uber die Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

3. Das Nähere regeln Bundesgesetze.

Diese angekündigte nähere Regelung steht bis jetzt noch aus, ist jedoch schon durch eine im Dezember 1955 eingesetzte Kommission gründlich vorberaten worden. Zur Mitwirkung wurden Fachleute aus dem Gebiet der Philosophie, Soziologie, Geschichte, des Staatsrechts und der politischen Wissenschaften berufen.

Das Bundesverfassungsgesetz ist in der Erwähnung der Parteien sehr sparsam. Es unterscheidet hier zwischen politischen und wahlwerbenden Parteien; erstere werden überhaupt nur im Art. 147 erwähnt. Nach dieser Bestimmung sollen dem Verfassungsgerichtshof Personen nicht angehören, die Angestellte oder Funktionäre einer politischen Partei sind. In den Bestimmungen über die Nationalratswahl wird im Art. 26 davon gesprochen, daß den Wahlbehörden als stimmberechtigte Beisitzer Vertreter der wahlwerbenden Parteien anzugehören haben. Die übrigen Bestimmungen, die den Begriff „Partei“ beinhalten, befassen sich mit den Entsendungen in den Bundesrat, den Hauptausschuß und dessen ständigen Unterausschuß (Art. 35, 55, 81a).

Alle diese Bestimmungen sowie die Aussagen der Geschäftsordnung des Nationalrates weisen den Parteien beziehungsweise Fraktionen oder Klubs bestimmte Aufgaben zu, sagen jedoch nichts über deren Wesen und Aufgabe aus. Man darf jedoch aus dieser Tatsache nicht die Meinung ableiten, daß Kelsen bei der Schaffung der Bundesverfassung die Bedeutung der politischen Parteien unterschätzt oder gar verkannt hätte. Allein aus der Natur des Verhältniswahlrechtes sowie der Beziehung zwischen Nationalrat und Bundesregierung ist die wesentliche Bedeutung der Parteien für den österreichischen Parlamentarismus zu erschließen. Die Verankerung des Verhältniswahlrechtes in Art. 26, Abs. 1 setzt die Bildung von Parteien voraus und verhindert eine absolute Mehrheitsbildung im Nationalrat durch eine relative Mehrheit. Die Bestimmungen des Art. 74, Abs. 1 B.-VG. geben dem Nationalrat (den nach dem Verhältniswahlrecht entsandten Mandataren) die Möglichkeit, der Bundesregierung oder einzelnen ihrer Mitglieder das Mißtrauensvotum zu erteilen.

An dieser Stelle stellt sich nun die Frage, ob eine Verankerung der Parteien in der Verfassung, ähnlich der Lösung des Bonner Grundgesetzes durchgeführt werden soll. Die Verfassungswirklichkeit spricht für eine solche Lösung, wobei die Beschreibung der Funktion der Parteien durch die Verfassung auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen wird.

Anläßlich der Budgetdebatte zum Bundesfinanzgesetz 1964 wurde folgende Entschließung gefaßt:

„Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat einen Bericht über ihre Rechtsauffassung betreffend die Stellung der politischen Parteien im öffentlichen Leben vorzulegen.“

Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes hat nun nach geraumer Zeit einen Bericht zusammengestellt, der neben einem Überblick über die vorgegebene rechtliche Situation, der entsprechenden Literatur, auch die Skizze eventueller Lösungsvorschläge aufzeigt. Die Aktualität dieser Frage ist durch die Aufdeckung der Olah-Millionenspende an die FPÖ sicher gegeben, da auf der einen Seite nach einer Finanzierung der Parteien aus öffentlichen Mitteln, auf der anderen nach einer wirksamen Kontrolle der Parteifinanzen gerufen wird. Eine entsprechende Regelung, vor allem die Verankerung in der Verfassung, hat aber inzwischen auch ihre Kritiker gefunden, die der Meinung Ausdruck gaben, die ohnehin dominante Position der Parteien solle nicht auch noch durch die Verfassung verstärkt werden. Vielleicht vergißt man aber bei dieser Argumentation, daß die Parteien auch ohne B.-VG. in der parlamentarischen Demokratie eine große Rolle spielen und die zwanzigjährige Herrschaft zweier Parteien, die miteinander eine neunzigprozentige Mehrheit der österreichischen Bevölkerung bilden, eine Wirklichkeit darstellt, der sich das „öffentliche Leben“ nicht entziehen kann.

Hier beginnt die Schwierigkeit des Verfassungsjuristen, der den Begriff „öffentliches Leben“ der Soziologie und der politischen Wissenschaft zurechnen wird, ihn aber nicht einer rechtlichen Prüfung unterziehen kann. Eine allfällige Regelung des Parteiwesens wird daher immer nur die rechtliche Stellung — allenfalls die von der Verfassung zugewiesene Aufgabe —, das Recht auf Bildung von Parteien, deren Registrierung und möglicherweise auch Finanzierung erfassen können.

Das Staatsgesetzblatt 1 aus 1945, datiert mit 1. Mai 1945, hat als Unterzeichner der Proklamation der Unabhängigkeit Österreichs Vertreter der Parteivorstände der ÖVP, SPÖ und KPÖ. Aus dieser Tatsache leitete der Oberste Gerichtshof in einer Entscheidung des Jahres 1947 die Ansicht ab, daß diese politischen Parteien als Träger öffentlicher Rechte Rechtspersönlichkeit haben; auf Grund der vorläufigen Verfassung des Jahres 1945 seien diese Parteien berufen gewesen, Mitglieder in die Staatsregierung und in die Regierungen der Länder zu entsenden. Der Oberste Gerichtshof distanzierte sich 1964 ausdrücklich von dieser Entscheidung mit dem Hinweis, daß die genannte Entscheidung nur den Zustand des Jahres 1947 im Auge gehabt habe und die vorläufige Verfassung heute nicht mehr rechtsgültig sei. Er stellt außerdem ausdrücklich fest, daß Parteien trotz der Entsendung von Mitgliedern in parlamentarische Vertretungskörper sowie ihrer Bedeutung für den Staat und die Besorgung öffentlicher Angelegenheiten „nicht als öffentlich-rechtliche Körperschaften anzusehen sind“.

Demnach sind die obgenannten Parteien heute weder öffentlichrechtliche Körperschaften — als solche müßten sie durch Gesetz oder durch einen auf Gesetz beruhenden Verwaltungsakt errichtet werden — noch Vereine im Sinn des Vereinsgesetzes. Lediglich die FPÖ und die EFPÖ sind nach dem Vereinsgesetz angemeldet und haben daher eine geklärte rechtliche Stellung.

1. Ähnlich der deutschen Lösung kann man die „Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung“ in der Verfassung verankern. Es wäre das nichts anders als die verfassungsrechtliche Beurkundung der modernen Parteiendemokratie.

2. Das Recht jedes Staatsbürgers auf Bildung einer Partei muß verankert werden. Dabei müßte von allzu engen Gesichtspunkten abgegangen werden, um der freien Interessens- und Parteienbildung eine Möglichkeit zu geben. Wenn die bestehenden Parteien die Hürde allzu hoch bauen, entstünde der Verdacht des Versuchs der Verewigung der jetzigen Parteien.

3. Es ist eine säuberliche Trennung der Staatsgewalten und der Parteien anzustreben. Das freie Mandat ist trotz mancher Versuche der Einengung doch ein Garant gegen versuchten Gewissenszwang und daher mit einer freiheitlichen Ordnung untrennbar verbunden.

4. Die Registrierung der Parteien auf eine Weise, die es unmöglich macht, auf Grund politischer Überlegungen die Anerkennung einer Partei zu verweigern oder zu entziehen, weiters öffentliche Auflage der Statuten und Wahlordnungen, Aufzeichnung der Parteigliederungen und etwaiger abhängiger Wirtschaftsbetriebe.

5. Überlegungen einer Parteienfinanzierung mit gleichzeitiger öffentlicher Kontrolle.

Der letzte Punkt wird bei einer praktischen Durchführung die größten Schwierigkeiten machen; Ende des Jahres 1963 wurde ein Bundesgesetz zur Unterstützung der Tätigkeiten der parlamentarischen Klubs verabschiedet, das den Parteien einen gewissen Betrag für Klubaufwendungen zur Verfügung stellt. Schon damals versuchte man, eine etwaige Kontrolle der Klubs durch den Rechnungshof zu vermeiden. Daß die Kontrolle einer Partei durch eine ähnliche Institution noch schwieriger und problematischer ist, versteht sich von selbst. Die Demokratie — gerade die österreichische — braucht Ehrlichkeit zu sich selbst; die Parteien sollten sie bei der Regelung ihrer Rechtsverhältnisse haben.

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