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Grüne Trojanische Pferde

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Jahrelang hatte sich Agrarminister Weihs erfolgreich gegen die Installierung eines Staatssekretärs in seinem Ressort gewehrt, da dieser nicht als bloßer Gehilfe des Ministers gedacht war, sondern — mit klaren Kompetenzen ausgestattet — den Aktionsradius des Ministers beschränken, in vielen Belangen sogar eine Überschneidung der Befugnisse mit sich bringen mußte. Nun hat er sich endlich doch dem Lieblingswunsche des Bundeskanzlers gefügt. Der Grund ist offenkundig: Infolge der SP-Altersklausel ist Weihs nach den nächsten Wahlen eine Rückkehr

Neuer Staatssekretär Haiden: Gewerkschaftler und Agrarier

Photo: Kern

auf den Stubenring auf alle Fälle verwehrt, und er hat daher nichts mehr dagegen, wenn während seiner restlichen Amtszeit bereits sein Nachfolger „aufgebaut“ wird.

Der den Außenstehenden fast skurril anmutende obstinate Wunsch des großen Taktikers Kreisky nach einem Agrarstaatssekretär hat sehr wohlerwogene Gründe. Damit sollen

gleich mehrere Fliegen auf einen Schlag getroffen werden.

Das vordergründigste Motiv ist natürlich die Installierung eines Nachfolgers im Agrarressort, dem die Möglichkeit geboten werden soll, sich schon vor den Neuwahlen zu profilieren und den Einbruch, den die SPÖ bei den letzten Nationalratswahlen in ländliche Regionen erzielen konnte, zu zementieren und nach Möglichkeit auszubauen.

Für diese Rolle wurde nun, da sich innerhalb des ÖVP-Bauernbundes kein Renegat gefunden hat — worauf der Kanzler zunächst gehofft hatte —, Günter Haiden erkoren, der tatsächlich viele Qualitäten aufweist, die ihn zu einem sozialistischen Agrarminister nach Maß machen könnten: er stammt aus den westlichen Bundesländern, war — zunächst als Sekretär, später als Generalsekretär der Gewerkschaft der Land- und Forstarbeiter — während seiner ganzen Berufslaufbahn mit der Landwirtschaft in Kontakt, er ist aber trotzdem eindeutig ein Mann der Gewerkschaften und der Sozialistischen Partei. Seit 1962 — dem Jahr, in dem er Generalsekretär wurde — gehört er dem Vorstand des ÖGB an und bekleidet, obwohl nur Wahl-Wiener, seit 1964 die Position eines roten Bezirksvorsteher-Stellvertreters im schwarzen Wäh-ring, was ihm die Mitgliedschaft im Klubvorstand der Wiener Gemeinderatsfraktion einbrachte. Er ist somit auch in der Parteiorganisation — noch dazu in der Urbanen der Bundeshauptstadt — fest verankert. Die Basis Günter Haidens ist also von beachtlicher Breite.

Seit 1972 wurde er darüber hinaus noch in der Agrarbürokratie zementiert. Im Rahmen des sehr zielstrebigen Konzepts der sozialistischen Regierung für die Unterwanderung von ÖVP-Positionen wurde er in diesem Jahr auf den Sessel eines

kaufmännischen Direktors in der Generaldirektion der Bundesforste gesetzt.

Nachdem es Bruno Kreisky nicht gelungen ist, den ÖVP-Bauernbund in seiner Gesamtheit von der Mutterpartei zu distanzieren, ihn direkt oder indirekt in eine zur Kooperation mit den Sozialisten bereite Agrarpartei nach schwedischem Muster zu transformieren, geht es ihm jetzt darum, den bäuerlichen Block zu spalten, sowohl organisatorisch als auch berufsständisch. Auf der einen Seite soll der Bauernbund trotz seiner überwältigenden demokratischen Legitimation von den Landwirten isoliert werden, ihm Kompetenzen entzogen und anderen ad hoc geschaffenen Gremien bzw. kleineren Bauernverbänden übertragen werden, um diese über Gebühr aufzuwerten, auf der anderen Seite soll der bisher politisch weitgehend homogene Block der Bauern gesprengt werden.

Als Trojanisches Pferd sollen die Bergbauern dienen, die tatsächlich den „soft underbelly“ des bäuerlichen Berufsstandes bilden, was dem „praktischen Soziologen“ Kreisky längst bewußt ist: in Zeiten der Mechanisierung und der großen Anbauflächen sind sie tatsächlich Stiefkinder der agrarischen Produktion. Erzeugen sie doch weitgehend die gleichen Waren wie die Flachlandbauern mit unvergleichlich größerem Kostenaufwand.

Hier Abhilfe zu schaffen und die

spezifische Funktion der Bergbauern entsprechend herauszuarbeiten, ist eine Aufgabe, die der modernen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik kategorisch gestellt ist. Sie wurde sicherlich auch vom Bauernbund wahrgenommen und sogar ansatzweise realisiert, wir können aber nicht leugnen, daß in dieser Organisation, in der der Einfluß der Flachlandbauern — auch unter den „Hörndlbauern“ — überwiegt, die speziellen Bergbauernprobleme doch etwas (im wahrsten Sinne des Wortes) links liegen gelassen wurden.

Es geht um das Problem einer besseren wirtschaftlichen Integration der Bergbauern. Der Ansatzpunkt dabei ist, daß den Bergbauern — mehr noch als ihren Kollegen im Flachland — nicht nur eine Produzentenfunktion, sondern auch eine Landschaftspflegefunktion übertragen ist, die irgendwie honoriert werden muß. Dies kann natürlich auf verschiedene Weise erfolgen. Die

sozialistische Version könnte darauf abzielen, die Bergregion mit Hilfe des Zuckerbrotes staatlicher Löhne graduell und unauffällig in den Status einer Art von Staatsgütern mit mehr oder minder unselbständig Beschäftigten überzuführen, die dann eine willkommene sozialistische Phalanx gerade in den westlichen Bundesländern mit bisher massiver nichtsozialistischer Mehrheit bilden könnten.

Derartige Pläne liegen auf der Hand. Es genügt für die Gegenseite nicht, empört zu sein und allenfalls Obstruktion zu betreiben. Sie ist zum Ideenwettbewerb herausgefordert und kann nur die Oberhand behalten, wenn sie die besseren Ideen liefert. Es muß ein echtes Kontrastprogramm geschaffen werden, das unter Achtung der bäuerlichen Selbständigkeit bessere Lösungen zur Aufwertung der Bergbauernposition offeriert.

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