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Heiligenstädter Spaziergänge...

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Bundesregierung und Bauern sitzen einander wieder am Verhandlungstisch gegenüber. Und weil sich die Agrarier abgewöhnt haben, ihre Probleme mit dem Landwirtschaftsminister zu erörtern, finden diese jetzigen Gespräche wieder im Bundeskanzleramt und unter dem Vorsitz des Regierungschefs satt. Manche Beobachter haben darin — entgegen der offiziellen Lesart — eine De-facto-Übernahme der Kompetenzen des Agrarressorts durch Bundeskanzler Kreisky gesehen, wegen der eher farblosen Politik von Landwirtschaftsminister Weihs.

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Bundesregierung und Bauern sitzen einander wieder am Verhandlungstisch gegenüber. Und weil sich die Agrarier abgewöhnt haben, ihre Probleme mit dem Landwirtschaftsminister zu erörtern, finden diese jetzigen Gespräche wieder im Bundeskanzleramt und unter dem Vorsitz des Regierungschefs satt. Manche Beobachter haben darin — entgegen der offiziellen Lesart — eine De-facto-Übernahme der Kompetenzen des Agrarressorts durch Bundeskanzler Kreisky gesehen, wegen der eher farblosen Politik von Landwirtschaftsminister Weihs.

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Die nicht sonderlich dynamische Art der Amtsführung durch Minister Weihs hat bei den Bauemvertretern zu einer heftigen Reaktion geführt. Und wenn man „Bauernvertreter“ sagt, kann man getrost vom ÖVP-Bauernbund sprechen, der rund 85 Prozent aller Landwirte unter seinen Fittichen hat. Denn die kleinen Organisationen von SPÖ und FPÖ und der parteipolitisch im luftleeren Raum schwebende „Allgemeine Bauernverband“ haben kein Gewicht. Der anfangs als Königsgedanke gepriesene Versuch von Bundeskanzler sowie Landwirtschaftsund Finanzminister, durch gelegentliche kleine Zugeständnisse an den Allgemeinen Bauernverband den ÖVP-Bauernbund aufzureiben, ist gescheitert.

Gescheitert ist auch der Versuch der SPÖ, den Bauembund selbst auseinanderzutreiben. Denn Bauern-bundpräsident Minkowitsch und 6ein oft innerparteilich als progressiv verschriener Bauernbunddirektor Lanner arbeiten Hand in Hand. Wenn auch die private Wertschätzung der beiden für Bundeskanzler Kreisky ganz verschieden ist. Minkowitsch verkehrt nur in offizieller Funktion mit dem Bundeskanzler, Lanner hingegen trifft auch privat öfter mit Kreisky zusammen. Oft nur ganz zufällig, da die beiden unmittelbar benachbart in Wien-Heiligen-stadt wohnen. Diese privaten Kontakte Lanners zu Kreisky haben in seinen eigenen Reihen den Argwohn gegen ihn geschürt. So kann man im Bauernbund ohne weiteres hören, Lanners Sperrfeuer gegen den Kanzler sei nur ein bengalisches Feuer, hinterher hätten die Herren wieder das beste Einvemehmen.

So wird auch die jetzt vom Bauembund begonnene Urabstimmung der ländlichen Bevölkerung unter dem Aspekt gesehen, daß Lanner und mit ihm der Bauernbund innerhalb der eigenen Partei dringend ihr Image wieder aufpolieren müssen. Schließlich darf nicht übersehen werden, daß der Bauernbund in der Mitgliederzahl eine stark rücklaufige Tendenz aufweist. Glaubt man einer, wie es scheint, eher pessimistischen Erhebung, dann legen derzeit etwa 100 Bauern täglich ihre Landwirtschaft zurück. Das brächte für den Bauembund jährlich einen enormen Mitgliederschwund, besonders wenn man weiß, daß schon jetzt alle Mitglieder einer bäuerlichen Familie für den Bauembund angeworben werden, um den Mitgliederstand einigermaßen hochzuhalten.

Die bündische Struktur der ÖVP bringt es nun mit sich, daß jede Teilorganisation versucht, für sich möglichst viele gute Spitzenpositionen innerhalb der Volkspartei zu besetzen. Immerhin ist es dem Bauernbund jetzt wieder gelungen, seinen Mann auf den Sessel des Parteiobmannes zu setzen: Karl Schleinzer, der seinen Hof allerdings schon längst verkauft hat und somit auch selber als Abwanderer aus der Landwirtschaft gelten kann, zählt noch immer zum Besitzstand des Bauem-bundes.

Der Arbeiter- und Angestelltenbund wartet unterdessen auf den Tag, da die von ihm kreierte Machtverteilungsformel innerhalb der ÖVP endlich zum Tragen kommt. ÖAAB : Wirtschaftsbund : Bauernbund = 3 : 2 :1.

Gegner dieser arithmetischen Darstellung wenden ein, ein solcher Machtverteilungsschlüssel wäre das Ende der ÖVP, da sie nun einmal nicht über die Tradition einer großen Arbeitnehmerpartei verfugt und außerdem viel zu stark von der finanziellen Unterstützung potenter Wirtschaftsbund-, aber auch Bauern-bundmitglieder (landwirtschaftliche Genossenschaften) abhängig ist.

Auf der anderen Seite gibt die Entwicklung bei den lokalen und regionalen Wahlen der ÖVP und dem Bauernbund auch wieder den Glauben an die Möglichkeit einer Profilierung. In Salzburg stehen die Aktien für die ÖVP gut, in einem Bundesland also, in dem es noch eine weitverbreitete bäuerliche Struktur gibt. In Tirol, wo jetzt Gemeindewahlen vor der Tür stehen, sieht Sixtus Lanner selbst nach dem Rechten, er, der sich auf dem väterlichen Anwesen in Wildischönau im Unterinntal noch sehr zu Hause fühlt. Und Niederösterreich kann als eine traditionelle Bauernibunddomäne angesehen werden. Die Fäden, die Landeshauptmann Maurer von seinem Bauernhof in Trauttmannsdorf zieht,haben gerade in den letzten Jahren oft die Richtung der ÖVP bestimmt. Unter seinem Vorsitz tagte auch 1971 das Komitee, das über die Kandidatur für das Amt des Parteiobmannes zu entscheiden hatte. Aus dem Rennen Schleinzer (Bauernbund) gegen Koren (Wirtschaftsbund) ging Schleinzer — viele sagen: durch die Härte Maurers bei den Verhandlungen — als Sieger hervor.

Es mag also durchaus sein, daß die derzeitige Offensive des Bauernbundes gegen die Regierung nicht nur Standes- sondern auch parteipolitische Motive hat. Denn um Wahlen zu gewinnen, lassen schließlich alle Parteien nichts unversucht. Dazu kommt, daß der ehrgeizige Bauem-bunddirektor Lanner seine politische Karriere mit der jetzigen Position nicht beendet wissen will. Aus Tirol ist zu hören, er wäre ein möglicher Nachfolger für Landeshauptmann Wallnöfer, wenn dieser einmal sein Amt niederlegt.

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