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Neue Funktion des ÖAAB

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ständnissen, und in beiden Parteien könnte eine verhängnisvolle Entwicklung einsetzen, die die Substanz der Partei angreifen würde. Der Umwandlungs- und Anpassungsprozeß hat in beiden politischen Lagern Kräften den Auftrieb gegeben, die im Organisationsgefüge rege Tätigkeit entfalten, aber nicht mehr aus dem Holz bester Parteitradition geschnitzt sind. In der Volkspartei muß der Geist der christlichen Demokratie nicht selten einem .Liberalismus“ das Feld räumen. Ein Neo-radikalismus ist auch in der SPÖ am Werk. Er verrät Linkstendenz oder kommt von gewissen Technikern der Macht mit mehr pragmatischer Einstellung, die die Zeit für gekommen sehen, mit Methoden von gestern den Sozialismus im Burgenland zu installieren. Da wie dort drängen infolge der Palmsonntagentscheidung Männer in die Führungsgremien, die von der Öffentlichkeit kritisch beobachtet werden müssen.

Abschied der alten Christlichsozialen

Die Volkspartei des Burgenlandes ist in Gefahr, Opfer eines „Liberalismus“ zu werden, der sich zwar auf keine politische Philosophie stützt — zu philosophischen Überlegungen hat man längst keine Zeit —, aber einer opportunistischen Haltung entspricht, die das politische Grundsatzdenken und moralische Überlegungen dem Fußvolk überläßt. Mit dem Ausscheiden des bisherigen Landeshauptmannes hentsch geht in der Führungspolitik der ÖVP die Nachkriegsära zu Ende. Die Persönlichkeiten, die bisher die Politik bestimmten, von Dr. Karall angefangen über Kommerzialrat Wagner bis zu Lentsch, kommen aus der christlichsozialen Ära der Ersten Republik. Sie versuchten das alte Erbe irgendwie lebendig zu erhalten. Die Politiker der christlichsozialen Schule der dreißiger Jahre sind von der Kommandobrücke der Partei abgetreten. Sie konnten in den letzten Jahren den Liberalisie-

rungsprozeß nicht verhindern. Vielfach haben sie aus Kompromißbereitschaft oder aus taktischen Gründen bewußt oder unbewußt diese Entwicklung gefördert, wenn sie auch zuweilen über die Folgen dieses Prozesses erschrecken.

Nicht eine pluralistische ÖVP mit einem christlichen Kern steht vor ihnen, sondern eine in der Gesinnung liberalisierte und in ihren Grundsätzen weithin aufgeweichte Partei. Vertreter eines faktischen Neoliberalismus und Kräfte, die aus dem Mutterboden der modernen christlichen Demokratie nach dem zweiten Weltkrieg mit lauterer westeuropäischer und österreichischer Tradition hervorgewachsen sind, gehen jeder auf seinen Weg nun

daran, das Antlitz der Partei von heute und morgen zu gestalten. Die ersteren kommen mehr aus dem Wirtschaftsbund und die letzteren aus dem ÖAAB, der Bauernbund hält die Mitte. Es scheint, daß in Zukunft der ÖAAB jener Raum der Volkspartei sein wird, wo sich die neuen Kräfte der christlichen Demokratie sammeln und ein Betätigungsfeld finden. Wer wird das Gesicht der Partei in Zukunft formen? Wie der weitere politische Weg der SPÖ im Burgenland von ihrem Verhalten zur Kirche und zu den christlichen Bevölkerungsschichten abhängt, so ist für die Volkspartei entscheidend, ob es ihr gelingt, die Arbeiter anzusprechen, in ihre Reihen vorzustoßen und dort die christliche Demokratie als glaubwürdig zu erweisen.

Keine Sitze für Arbeiter

Aber die politische Umgruppierung, die in den letzten Wochen in der ÖVP erfolgt ist, gibt wenig Hoffnung, daß man hier schon heute jene Wege beschreitet, die in die Zukunft führen. Nicht genug, daß die Partei auf die Kandidatenliste der Landtagswahl keinen einzigen Arbeiter setzte, sie hat nach dem Verzicht der Regierungsmitglieder auf ihr Landtagsmandat keinen Arbeiter nachgezogen.

Jedenfalls läßt sich im Augenblick schwer sagen, wie die Entwicklung in den beiden Regierungsparteien weitergehen wird. Die Burgenländer sind der Programme müde, die den politischen Ideenhimmel bewölken und bei Gedenkfeiern zur Erinnerung an die Gründerzeiten mit allgemeinen Wendungen beschworen werden. Ideen verlieren ihre Werbekraft, wenn sie nicht mehr als re-gula vivendi das Alltagsleben der Parteien bestimmen und in den Handlungen der Politiker nicht präsent und wirkkräftig werden. Dies trifft sowohl für die Ideen der alten Sozialdemokratie wie auch der christlichen Demokratie in ihrer lau-

teren und erneuerten Ausprägung zu. Noch ist es unentschieden, wann und in welchen Persönlichkeiten der ÖVP und SPÖ des Burgenlandes die regenerierenden Tendenzen zum Durchbruch kommen und das Par-teileben stabilisieren. Die Weichen sind in beiden Parteien noch nicht endgültig gestellt. Damit fehlt auch der „Fahrplan“.

Es könnten nur Namen genannt werden, ohne daß man ihr geistiges und politisches Profil darstellen, ihren Standort fixieren und ihre Wege voraussagen könnte. Man sagt zuviel und zuwenig, wenn man die gegenwärtige Situation im Burgenland als eine Ubergangsperiode interpretiert. Die Namen, die in der ÖVP und SPÖ die politische Entwicklung vorantreiben und die um Führungspositionen ringen, erscheinen dem Beobachter noch als ein taktisches und dialektisches Nebeneinander. Erst in den nächsten Jahren werden in der SPÖ und in der ÖVP die Würfel in der innerparteilichen Auseinandersetzung fallen! Aber das ist ja nicht nur im Bur-gehland so ...

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