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Walliwill außischliafn

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Der Bauernbund reklamiert den Sessel des Tiroler Landeshauptmannes als Erbpacht für sich, auch nach dem Rückzug von Eduard Wallnöfer. Jetzt regt sich Widerstand.

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Der Bauernbund reklamiert den Sessel des Tiroler Landeshauptmannes als Erbpacht für sich, auch nach dem Rückzug von Eduard Wallnöfer. Jetzt regt sich Widerstand.

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GERT MÜLLER berichtet aus Innsbruck

Ein Sommer wie jeder andere in Tirol? So scheint es nur auf den ersten Blick, den allerersten. In Wirklichkeit ist einiges ander- ils in früheren Jahren. Das Wetter zum Beispiel ist prächtig wie selten zuvor, der Gästebesuch bescheiden wie noch nie. Beste Ernten für die Bauern und Gemüsegärtner, und doch ist die Freude darüber getrübt, cäsiumgetrübt.

Und in der Politik tut sich auch etwas, bahnen sich Entwicklungen an, die das gewohnte Bild der vergangenen Jahrzehnte nachhaltig verändern werden. Die „Ära Wallnöfer“ neigt sich langsam, aber sicher dem Ende zu. War das Rätselraten über den Termin des Rückzuges von Landeshauptmann Eduard Wallnöfer und seine Nachfolge in den letzten Jahren ein nicht ganz ernstzunehmendes Standardthema für die Sauregurkenzeit, so ergaben sich heuer Hinweise, die ein tatsächlich bevorstehendes Ende der Epoche Wallnöfers erkennen lassen.

Als der Tiroler Landeshauptmann, der sich nun schon an die 23 Jahre im Amt befindet, bei der Sitzung des VP-Parteipräsidiums wieder einmal seinen Rückzug ankündigte, wurde er zwar gebeten, sich mit dem „Außischliafn“ noch etwas Zeit zu lassen, der bisher bei solchen Gelegenheiten erschollene Ruf „Du mußt bleiben!“ war jedoch nicht mehr vernehmbar.

Man zeigte vielmehr Verständnis dafür, daß ein Politiker nach so langer Dienstzeit amtsmüde sein könne, und forderte ihn auf, selbst den Zeitpunkt zu bestimmen, wann er sich auf seinen Bauernhof in Barwies am Mieminger Plateau zurückziehen wolle. Das heißt, daß man mit einem „Abgang in würdevoller Form“ in absehbarer Zeit rechnet.

Ein anderer Hinweis, daß es dem „Walli“ mit seiner Ankündigung diesmal ernst sein könnte, ist die Tatsache, daß auch sein engster Mitarbeiter und Weggefährte, der für die Finanzen zuständige Landesrat Luis Bassetti, im Herbst endgültig das Feld räumen wird. Als Nachfolger ist bereits der Abgeordnete Franz Kranebitter vorgesehen.

Ein genauer Zeitpunkt seines eigenen Ausscheidens ist jedoch von Wallnöfer nicht zu erfahren. Bis zum Papstbesuch, der erst in zwei Jahren stattfinden soll, wird er nun wohl doch nicht mehr warten.

Wenn man einen Termin kurz nach den Nationalratswahlen im April 1987 anspricht, meint Wallnöfer nur: „Ich möcht' nit ausschließen, daß dieser Termin eine Rolle spielt.“

So wie die Dinge nun liegen, ist natürlich auch die Nachfolgefrage aktueller denn je. Und da hat sich etwas ereignet, womit man in der Tiroler Landespolitik bisher nie gerechnet hat: der Arbeiterund Angestelltenbund (AAB) erhebt Anspruch auf den Landeshauptmannsessel. Das kam selbst für Wallnöfer überraschend.

Bisher galt es als ungeschriebenes Gesetz, daß der Tiroler Bauernbund den Ersten Mann des Landes zu stellen hat. Das ist eine alte Tradition. Daher galt schon seit vielen Jahren der Bauern -bündler und Landesrat Alois Parti als ziemlich sicherer Kronprinz. Auch der eine oder andere Politiker aus dem Bauernstand wurde fallweise genannt, aber ein Kandidat aus nichtbäuerlicher Gruppierung schien nicht ernsthaft zur Diskussion zu stehen.

Und nun stellt plötzlich der AAB Ansprüche, genaugenommen sein Landesobmann Fritz Prior. Ganz so abwegig und anmaßend ist das Ansinnen nun wieder nicht. Prior, langjähriger Landeshauptmannstellvertreter, genießt innerhalb seiner Organisation ein außergewöhnliches Ansehen. Erst beim Landestag im Juni wurde er mit 100 Prozent der Stimmen als Obmann bestätigt. Außerdem vertritt der AAB auch in Tirol heute die zahlenmäßig weitaus größte Bevölkerungsgruppe.

Jedenfalls hat der AAB nun offiziell seinen Anspruch auf den Posten des Landeshauptmannes angemeldet und die Diskussion in den landespolitischen Kreisen Tirols nachhaltig belebt.

Der Zeitpunkt für diesen Vorstoß des AAB war gut gewählt, da sowohl Bauernbund als auch Wirtschaftsbund Führungsprobleme haben. Im Bauernbund ist der erst vergangenen Winter gekürte Obmannstellvertreter Anton Steixner mit 28 Jahren wohl noch zu jung, um Wallnöfer als Bauernbundobmann nachzufolgen. Es muß aber eine Lösung gefunden werden, daß der Bauernbund entsprechend in der Landesregierung vertreten ist.

Beim Wirtschaftsbund, der bisher den Anspruch des Bauernbundes auf die Wallnöfer-Nachfolge akzeptierte, entsteht wiederum durch den Abgang Basset-tis, der auch dessen Obmann ist, eine Lücke, die erst geschlossen werden muß.

So hat zur Zeit eigentlich nur der AAB sein Haus perfekt bestellt. Das stärkte natürlich sein Selbstbewußtsein und gab den Auftrieb zum jüngsten Vorstoß.

Wie sich die Dinge auch immer weiterentwickeln werden, eines steht fest: die politische Szene in Tirol ist wieder einmal in Bewegung geraten, und grundlegende Änderungen bahnen sich an.

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