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„Die Demokratie weiterentwickeln6 4

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Die Dezember-Ereignisse in der Hainburger Au haben auch die Politiker im Westen nachdenklich gestimmt. Der Tiroler Landeshauptmann will nun mehr Bürgermitbestimmung.

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Die Dezember-Ereignisse in der Hainburger Au haben auch die Politiker im Westen nachdenklich gestimmt. Der Tiroler Landeshauptmann will nun mehr Bürgermitbestimmung.

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„In Tirol möcht' ich kein Hainburg erleben”, sagte Landeshauptmann Eduard Wallnöfer beim traditionellen Neujahrsempfang für die Nord- und Südtiroler Medien. Und der 71jährige, im vergangenen Sommer mit überwältigender Mehrheit wiedergewählte Landesvater bekannte weiter: „Was da drunten in dieser Au geschah, hat mich tief bewegt. Da ist Österreich knapp an einer Staatskrise vorbeigegangen. So etwas kann nicht ohne Konsequenzen bleiben.”

Konsequenzen zeichnen sich auch für Tirol ab, denn Wallnö-fers Anspielung auf Hainburg geschah vor allem in Hinblick auf das Kraftwerksprojekt Dorfertal in Osttirol. „Dort wird man mit größter Behutsamkeit vorgehen müssen”, konstatiert Wallnöfer und weist darauf hin, daß für das Dorfertal-Kraftwerk immerhin vier Varianten vorliegen. Mit der Ausgliederung der Drau sei nun auch ein überschaubarer Kostenrahmen gegeben.

Wallnöfer kann sich aber noch andere Konsequenzen der Ereignisse von Hainburg vorstellen. Er denkt an die Verankerung der Volksabstimmung nach Schweizer Muster in Österreich. Dazu wäre allerdings eine Verfassungsänderung notwendig.

„Ich mein', der Gedanke einer Änderung unserer Verfassung in dieser Richtung war' wohl eine Überlegung wert! Ich stell' mir halt so vor, wenn zwanzig Prozent der Bevölkerung mit Unterschrift für eine Sache eintreten, müßte man darüber eine Volksabstimmung abhalten. Das müßte beim Bund so sein, aber auch beim Land. Ja, und in der Gemeinde, da könnt' der erforderliche Prozentsatz etwas höher liegen, etwa bei 30 Prozent. Man braucht ja nicht so weit gehen wie in der Schweiz, daß man über jeden neuen Misthaufen abstimmen lassen muß, aber etwas muß g'schehn, damit wir in der Entwicklung der Demokratie weiterkommen.”

Befriedigt zeigt sich der Tiroler Landeschef, daß man mit der Stärkung der Länderrechte nun doch einen Schritt weitergekommen sei. Bei einer Bundesentscheidung, die die Länderrechte betrifft, ist nun bekanntlich die Zweidrittel-Mehrheit des Bundesrates erforderlich. „Das ist einmal ein erster Schritt, der uns nicht dazu verleiten soll, nun die Hände in den Schoß zu legen. Die Stärkung der Länderrechte muß uns weiterhin ein dringendes Anliegen bleiben!”

Der Hainburgschock sitzt tief. Wallnöfer, bisher in Erschließungsangelegenheiten nicht gerade zimperlich, kommt nicht mehr aus dem Sinnieren: „Leider sind wir auch in Tirol nicht von Umweltproblemen verschont geblieben. Man wird auch auf diesem Sektor dem einfachen Menschen mehr Gehör schenken müssen in der Zukunft. Den Ursachen, die zur Unzufriedenheit vieler Landsleute führen, muß man nachgehen.”

Da wäre in Tirol zum Beispiel die Umweltbelastung der Anrainer von Durchzugsstraßen durch den Verkehr. Immer mehr Menschen fühlen sich dadurch geschädigt und verlangen Abhilfe. Eine spürbare Erleichterung könnte die teilweise Verlagerung des internationalen Transitverkehrs von der Straße auf die Schiene bringen.

Gegen die Schadstoffbelastung der Luft und das daraus resultierende Waldsterben müßten eine ganze Reihe von Maßnahmen getroffen werden. Dazu gehört auch der Bau einer Erdgasleitung von Rosenheim nach Innsbruck. Die Entscheidung über das 500-Mil-lionen-Schilling-Projekt soll in diesem Jahr fallen.

Kurz vor dem Neujahrsempfang wurde Wallnöfer neuerdings zum Obmann des Tiroler Bauernbundes gewählt. Die erhoffte und auch von Wallnöfer selbst angeregte Wachablöse fand nicht statt, weil sich die Delegierten zum Landesbauernrat auf keinen anderen Kandidaten einigen konnten und Wallnöfer zum Weitermachen nötigten. Also gab es nach 28jähriger Obmannschaft für ihn eine neuerliche Zustimmung von 93 Prozent.

Im Landesbauernrat selbst kam es zu beträchtlichen Änderungen. Mehr als 40 Prozent der Orts- und Gebietsobleute wurden mit neuen Männern besetzt, und in der Jungbauernschaft-Landjugend erbrachten die Urwahlen sogar bei drei Viertel der Funktionäre eine Wachablöse.

Im März dieses Jahres findet die Landwirtschaftskammerwahl statt. Bisher konnte der Bauernbund der ÖVP alle Mandate besetzen. Mit der Wahllokomotive Wallnöfer hat der Bauernbund die beste Aussicht, sein Wahlziel zu erreichen, nämlich den bisherigen Stand zu halten.

Wallnöfers Beliebtheit und Ausdauer schafft in den eigenen Reihen allerdings auch gewisse Probleme. Der altgediente Landesvater kann sich nämlich nicht mit dem Gedanken anfreunden, neue Gesichter um sich zu sehen. So muß sowohl in der Landesregierung wie bei der ÖVP und in der Bauernkammer die alte Mannschaft weiterdienen, obwohl schon einige gerne den Ruhestand genießen würden.

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