7082999-1994_06_10.jpg
Digital In Arbeit

Transit und E U-Beitritt als Wahlhits

Werbung
Werbung
Werbung

Die Fragen

DIKFURCHK: Würden Sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Empfehlung für oder gegen einen EU-Beitritt abgeben?

DIEFURCHE: Werden Sie oder Ihre Partei sich dafür einsetzen, daß die Landesregierung beziehungsweise der Landtag vor der EU-Volks- abstimmung eine klare Empfehlung pro oder contra EU-Beitritt ab geben?

DIEFURCHE: Wie kann, Ihrer Meinung nach, eine praktikable Lösung des Problems der Zweitwohnsitze ausse- hen?

DIEFURCHE: Reicht der Transitvertrag aus, um Tirol vor der Verkehrslawine zu schützen3 Welche Priorität hat der Brenner-Basistunnel?

DIEFURCHE: Was ist das Wahlziel Ihrer ParteP

W. Weingartner (ÖVP)

In erster Linie sind die Ergebnisse der EU-Verhandlungen ausschlaggebend, wobei ich optimistisch bin, was die Durchsetzung unserer Anliegen anbelangt. Drei Dinge sind entscheidend: der Inhalt des Transitvertrags muß erhalten bleiben. Die Agrarverhandlungen müssen so abgeschlossen werden, daß für Tirols Bauern der gemeinsame Markt wirklich eine Chance darstellt. Die Frage des Grundverkehrs ist so zu regeln, daß Länder wie Tirol nicht zum Spekulationsobjekt werden.

Die Zustimmung unserer Partei wird dann einstimmig sein,

wenn die Verhandlungen erfolgreich verlaufen.

Im übrigen glaube ich, daß die Bürger mündig I genug sind, auch ohne offizielle Empfehlung eine richtige Entscheidung zu treffen.

Tirol hat mit dem neuen Grundverkehrsgesetz ein praktikables Modell vorgegeben. Zweitwohnsitze wird es in Zukunft nicht mehr geben. Diese Regelung gilt für Einheimische wie für Ausländer. Sie ist nicht diskriminierend und daher durchsetzbar.

Es hat keinen Sinn, mit Polemik dagegen vorzugehen, daß unsere Gesellschaft mobil ist - zum Nutzen aller. Wir müssen versuchen, den Nahverkehr auf öffentliche Verkehrsmittel umzulagern, indem wir diese attraktiver machen. Dafür ist der Ausbau des Streckennetzes im Unter - inntal nötig, wobei für mich nur eine unterirdische Trassenführung in Frage kommt. Der Brenner-Basistunnel ist ein Milliardenprojekt, das sicher nicht von Österreich allein finanziert werden kann.

Wir arbeiten darauf hin, mindestens doppelt so stark zu sein wie die nächststärkste Partei. Und wir wollen Landeshauptmann-Partei bleiben.

Hans Tänzer (SPÖ)

Die Haltung der SPÖ ist im Gegensatz zu anderen eindeutig: Wir bekennen uns zu einem aufrechten Gang in die EU und wollen in den Verhandlungen optimale Voraussetzungen erreichen. Aus Tiroler Sicht sind drei Punkte besonders wichtig: An der Substanz des Transitvertrags darf nicht gerüttelt werden. Der Gefahr, daß Tirol zu einer riesigen Feriensiedlung verkommt, muß ein Riegel vorgeschoben werden. Die Probleme der Tiroler Landwirtschaft sind spezifisch zu lösen.

Ich halte eine umfassende Information über die Vor- und Nachteile eines EU-Beitritts für die wichtigste Entscheidungsgrundlage im Hinblick auf eine Volksabstimmung. Dabei ist es mir wichtig, daß die Vermittlung dieser Information nicht zur billigen Propaganda verkommt. Nachteile sind klar zu artikulieren. Den Politikern kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Eine Abstimmung im Tiroler Landtag halte ich angesichts einer darauffolgenden Entscheidung des Volkes allerdings nicht für zielführend.

In einzelnen Gemeinden haben wir eine Zweitwohnsitzquote von über 60 Prozent. Die ÖVP-Bürgermeister hätten genug Instrumente gehabt, dies zu verhindern. Im Vordergrund steht der soziale Aspekt und nicht die Frage der Nationalität der Zweitwohnungsbesitzer.

Der Transitvertrag ist ein gutes und brauchbares Instrument. Anzumerken wäre, daß jene, die uns seinerzeit als „Verräter“ kritisiert haben, heute als Hüter des Transitvertrages auftreten. Der Brennerbasistunnel ist eine wichtige Maßnahme, um die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene zu realisieren. Besonders wichtig ist die Entscheidung über die nördliche Zulaufstrecke, wobei wir uns für eine optimale unterirdische Bahntrasse im Unterinn- tal aussprechen.

Zum einen wollen wir die absolute Mandatsmehrheit der ÖVP brechen, zum anderen an Stimmen, Prozenten und Mandaten zulegen.

Johannes Lugger (FPÖ)

Derzeit würde ich ein „Nein“ als Empfehlung der Frage eines EU-Beitrittes geben, da wesentliche Fragen noch nicht geklärt sind. Der Tran-’ sitvertrag ist in seinem Bestand keineswegs gesichert. Darüber hinaus verlangen wir die Festlegung zusätzlicher Verkehrswege, vor allem einer unterirdischen nördlichen Zulaufstrecke. Außerdem ist die Erhaltung und Sicherung bäuerlicher Existenzen in der EU in weite Feme gerückt; die Frage des Grundverkehrs ist unbefriedigend gelöst.

Sobald konkrete, endgültige Verhandlungsergebnisse vorliegen, haben sich Landesregierang und Landtag selbstverständlich damit auseinanderzusetzen und Beschlüsse zu fassen.

Die FPÖ

wird dabei ihren Standpunkt entsprechend vertreten.

In der Frage der Zweitwohnsitze sind Beschränkungen für Inländer, insbesondere Tiroler, für mich absolut unerklärlich. Bei den Erwerbsmöglichkeiten für Ausländer treten wir für entsprechende Beschränkungen mit entsprechend langen Übergangsfristen ein.

Der Transitvertrag stellt für uns ein absolutes Minimum dar, das zumindest erhalten bleiben muß. Eine wesentliche weitergehende Maßnahme wäre eine zur Gänze unterirdisch verlaufende Zulaufstrecke als kürzeste Verbindung zwischen München und Verona. Diese Variante wäre entsprechend auszuverhandeln. Den Brenner Basistunnel erachten wir als ungeeignet und nicht machbar.

Wir wollen Stimmen und Mandate zulegen, die absolute ÖVP-Mehrheit brechen und der SPÖ die Position der zweiten Kraft streitig machen.

Eva Lichtenberger (Grüne)

Derzeit würde ich ein „Nein“ zur EU empfehlen. Das momentan bekannte Verhandlungsergebnis ist mehr als enttäuschend. Außerdem hege ich grundsätzliche Bedenken gegen die EU, wie sie sich derzeit darstellt. Die Flucht in die Großstruktur ist für Europa der falsche Weg. Zentralismus schürt Nationalismen: diese haben sich in der europäischen Vergangenheit und Gegenwart schon als zerstörerisch genug herausgestellt.

Die Aufgabe der Landesregierung wird nicht sein, Ja oder Nein zu empfehlen, sondern ehrliche Informationen zu geben. Derzeit wird verkürzt und schöngefärbt.

Die Menschen sind

mündig genug, sich auf Basis klarer Fakten zu entscheiden.

Solange die Niederlassungs- freiheit als EU-Prinzip gilt, ist jeder Grunderwerb durch Firmengründungen (Mini- oder Pseudofirmen) möglich. Das heißt, diese Frage ist in Wirklichkeit nicht regelbar. Einzige Möglichkeit wäre eine strengere Kontrolle von Umgehungsspielarten.

Der Transitvertrag reicht nicht aus, die Bevölkerung vor der Belastung des LKW- Transits zu schützen. Ein generelles Nachtfahrverbot, eine Anhebung der LKW-Maut zur Verhinderung des Umwegtransits und strenge Kontrollen sind unabdingbar. Vor allem muß der Bau neuer Transitrouten verhindert werden. Der Brenner-Basis-Tun- nel ist ein untauglicher Ansatz, denn er bringt keinen LKW auf die Bahn, solange die Kostenstruktur im Güter- . transit nicht geändert wird.

Ziel ist der Sprung über zehn Prozent und ein Plus von ein, zwei Mandaten. Wir sind bereit, in der Landesregierung Verantwortung zu tragen.

Klaus Edlinger (Liberale)

Ich spreche mich eindeutig für einen Beitritt Österreichs in die EU aus. Tirols Liberale sind sich der Chancen • und Riskett eines Beitritts voll bewußt. Vor allem langfristig gesehen überwiegen unserer Ansicht nach die Vorteile eindeutig. Das Liberale Forum Tirol ist derzeit übrigens die einzige Partei in Tirol, die sich klar zum österreichischen EU-Beitritt bekennt.

Selbstverständlich. Wir drängen die Landesregierung seit Wochen zu einer klaren Stellungnahme — bisher allerdings ohne Erfolg.

Der Entwurf, auf den Landeshauptmann Weingartner Österreichs Verhandler eingeschworen hat, ist als Diskussionsbasis in Ordnung. Allein fehlt uns der Glaube, daß das in Brüssel akzeptiert wird. Ungeachtet, welche Regelung kommt: sie muß für alle gelten, auch für die Tiroler.

Der Transitvertrag reicht nicht aus. Solange es kein Gesamtkonzept für die Verkehrsberuhigung in Tirol gibt, das sich etwa auch mit den Seitentälern, den Städten und Orten befaßt, kann die Verkehrslawine kaum vernünftig bewältigt werden. Über den Brenner-Basistunnel zu sprechen, ist derzeit müßig, da seine Finanzierung noch nicht einmal andiskutiert ist. Aber selbst bei sofortigem Baubeginn wäre die Inbetriebnahme erst lange nach Ablauf des Transitvertrags möglich.

Unser Wahlziel sind fünf Prozent der Stimmen, was den Einzug in den Tiroler Landtag bedeutet.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung