Vorrang für freie Fahrt

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Die Auseinandersetzungen um das Lkw-Fahrverbot in Tirol und die neue Wegekosten-Richtlinie lassen erkennen: Freier Straßenverkehr hat weiterhin in der EU Vorrang.

Sommerzeit ist's - man merkt's nicht nur an den Hitzerekorden, sondern auch an den Meldungen von den Durchzugsstraßen: 18 Kilometer Stau vor dem Tauerntunnel letzten Samstag. Die "Asfinag" verteilte 15.000 Flaschen Mineralwassser und 40.000 Erfrischungstücher. Und dabei hieß es, das Stau-Wochenende sei besser bewältigt worden als befürchtet.

Schlechter als befürchtet entwickelte sich jedoch die Situation an einer anderen Front der Schlacht gegen den überbordenden Transit-Verkehr: Die EU-Kommission beschloss, Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu verklagen, um das von Tirol verhängte Fahrverbot für bestimmte Lkw-Transporte zu verhindern. Ab 1. August darf nämlich eine Reihe von Gütern, die man sinnvoller Weise eher per Bahn befördert (Abfälle, Baustoffe, Erze, usw.), nicht mehr auf der Straße durch Tirol gekarrt werden. Das seit 1. Juni gültige Lkw-Nachtfahrverbot zwischen Wörgl und Hall hatte die EU noch geschluckt. Aber diese massive Einschränkung - das ging zu weit. Eine einstweilige Verfügung des EuGH soll verhindern, dass die Verordnung in Kraft tritt.

In Tirol gibt man sich kämpferisch. Klar, am 28. September wird ein neuer Landtag gewählt. Da gilt es für Politiker, sich in der sensiblen Transit-Frage zu profilieren.Tatsächlich haben die Tiroler ja gute Argumente: Die Lkw-Transitflut über den Brenner schwillt ständig an, die angepeilten Schadstoff-Reduktionen wurden nicht erreicht. Vor allem aber unternahm die EU-Kommission bisher alles, um die Öko-Punkte-Regelung zu unterlaufen. Der Lkw-Verkehr sollte nur ja nicht begrenzt werden! Dass die Tiroler Notwehr-Maßnahme auf eine Umschichtung der Gütertransporte auf die Brennerbahn abzielt, wird als Argument wohl auch nicht ziehen, obwohl "Schiene statt Straße" ein Slogan ist, der auch in Brüssel gern verwendet wird.

Warum? Weil Tirol mit diesem Verbot gegen ein EU-Dogma verstößt. Der freie Warenverkehr ist einer der Pfeiler der Gemeinschaft. Wer an diesem rührt, holt sich in der EU-Zentrale ein Abfuhr, wie die rasche Reaktion der Kommission nur zu deutlich zeigt. Maßnahmen, die den Straßenverkehr dämpfen könnten, finden nun einmal in Brüssel nicht wirklich Gnade. Das zeigt auch der vorige Woche präsentierte Entwurf einer EU-Wegekosten-Richtlinie. Sie legt den Rahmen für künftige Lkw-Maut-Regelungen in der EU fest.

Bundeskanzler und Verkehrsminister begrüßten den Entwurf, sieht er doch eine Differenzierung bei der Mauthöhe vor: Wo oft Staus auftreten und viele Leute von Lärm und Abgasen betroffen sind, darf künftig mehr für die Straßenbenützung verlangt werden. Zu Spitzenzeiten darf der Tarif doppelt so hoch sein, wie in verkehrsarmen Perioden. Und ein Teil der Einnahmen darf zur Finanzierung anderer Verkehrswege herangezogen werden.

Das klingt zwar gut und könnte den geplagten Tirolern auch zugute kommen. Aber den Lkw-Verkehr insgesamt wird es nicht bremsen, bestenfalls verlagern, etwa vom Brenner- zum Pyhrn-Pass. Auch sind die vorgesehenen Tarife viel zu niedrig, um dämpfend zu wirken. Sie dürfen nämlich die vom Verkehr verursachten Umwelt- und Gesundheitskosten weiterhin nicht berücksichtigen. EU-Verkehrskommissarin Loyola de Palacio machte klar, dass sie gegen eine Verteuerung des Straßenverkehrs ist: "Das reduziert die Wettbewerbsfähigkeit und somit das Wachstum in der EU und führt letztlich zu mehr Arbeitslosen." Österreich muss endlich zur Kenntnis nehmen: Die EU ist ein auf Verkehrswachstum ausgerichtetes Projekt und Österreichs Straßen sind EU-Verkehrswege, die im Zuge der weiteren Wirtschaftsverflechtung zunehmend belastet werden - im Nord-Süd- wie im Ost-West-Verkehr. Der Begriff Transit gehört der Vergangenheit an. Italiens Frächter haben auf unseren Straßen die selben Rechte wie Österreichs Spediteure.

Wer Österreich vor der drohenden Verkehrslawine bewahren will, muss sich für eine fundamentale Änderung der EU-Verkehrspolitik stark machen. Lokale Störaktionen allein werden das aller Voraussicht nach nicht erreichen, Allianzen mit anderen belasteten Regionen vor allem im Alpen- und Pyrenäenraum schon eher.

christof.gaspari@furche.at

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