"Eine Pkw-Maut kommt sicher nicht"

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Strafen, die wehtun, verlangte Infrastrukturminister Michael Schmid vergangene Woche für das Begehen schwerer Verkehrsdelikte. Im Furche-Gespräch präzisiert er diese Forderung und nimmt zu aktuellen verkehrspolitischen Fragen Stellung.

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Strafen, die wehtun, verlangte Infrastrukturminister Michael Schmid vergangene Woche für das Begehen schwerer Verkehrsdelikte. Im Furche-Gespräch präzisiert er diese Forderung und nimmt zu aktuellen verkehrspolitischen Fragen Stellung.

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Die Furche: Nach dem schweren Unfall, bei dem acht Jugendliche ums Leben kamen, forderten Sie strenge Strafen für Verkehrssünder. Was sagen Sie zur daraufhin laut gewordenen Kritik?

Michael Schmid: Einkommensbezogene Strafen sind im österreichischen Strafrecht bekannt. Es werden Tagsätze nach Höhe des Einkommens festgelegt. Das ist unproblematisch. Worum es mir geht: Ich habe den intensiven Eindruck, dass das Kavaliersdelikt "Übertretung der Straßenverkehrsordnung" ein Hasardspiel ohne hohes Risiko ist. Wenn ich 500 oder 1.000 Schilling bei einem Einkommen von 25.000 bis 30.000 Schilling bezahle, kalkuliere ich als gelernter Österreicher: Bei 20 Übertretungen werde ich einmal ertappt - das ist allemal 500 Schilling wert. Aus dem Denken müssen wir herauskommen. Daher sage ich: Es muss wehtun, etwa wenn es der Verzicht auf einen Urlaub ist. Die Strafen sollen nicht so sein, dass jemand sein Haus verkaufen muss, aber es muss in seinem täglichen Wohlbefinden einen spürbaren Einbruch geben.

Die Furche: Welche Höhe haben Sie konkret im Auge?

Schmid: Ich will die Diskussion nicht mit irgendeiner Kennzahl stören. Übrigens berät schon seit längerem eine Arbeitsgruppe eine Novelle der Straßenverkehrsordnung. Das Ergebnis soll noch heuer ins Parlament. Zur Abrundung ein Beispiel: Wenn ich mich in Amerika bei 50 Meilen einreihe, käme ich mir dumm vor zu überholen, weil alle 50 fahren. Fahre ich in Österreich auf einer Strecke mit 80 Beschränkung das vorgeschriebene Tempo, komme ich mir dumm vor, weil mich Kolonnen überholen - und in mir wachsen negative Emotionen. Diesen Umdenkprozess müssen wir herbeiführen: Dass ich mich innerlich gut fühle, wenn ich mich an die Spielregeln halte.

Die Furche: Die Bilanz der Bundesregierung nach 100 Tagen hält fest, dass ein Verkehrswegeplan erstellt wird. Wie weit sind Sie damit?

Schmid: Das Thema Verkehrswegeplan war bisher davon belastet, dass zwei politische Gruppierungen sich vermeintlich konträr gegenüberstanden: Straße - ÖVP, Schiene - SPÖ. Ich habe erfreulicherweise festgestellt, dass innerhalb der Sektionen eine große Gesprächsbereitschaft gegeben ist. Es finden laufend Beratungen statt. Das Ergebnis wird sein, welche Bereiche im Schienen-, Straßen- und Wasserverkehr Vorrang haben. Es wird ermöglichen, vernünftige Prioritäten zu setzen.

Die Furche: Im Gesamtverkehrskonzept 1991 wird der Schiene Vorrang vor der Straße eingeräumt. Gilt das noch?

Schmid: War dieser Vorrang jemals gegeben? Wo wurde das jemals umgesetzt? Die Schiene ist verschuldet, bis zum "Geht-nicht-mehr". Der Staat hat nicht einmal seine Infrastruktur-Kosten, die er vom Gesetz her bezahlen müsste, beglichen, sondern bei der ÖBB 58 Milliarden Schilling Schulden aufgebaut. Wenn ich mir aber etwas ans Herz nehme, verschulde ich den Laden nicht. Das dauernde Aufrechnen: Was geht in die Straße?, was in die Schiene? ist unsinnig.

Die Furche: Der Schienenverkehr wird erst zum Zug kommen, wenn dem Straßengüterverkehr seine wirklichen Kosten zugerechnet werden ...

Schmid: So stimmt das nicht. Ein Beispiel: Auf der einen Seite diskutiere ich, dass ich so viele Nebenbahnen schließen muss, weil sie unwirtschaftlich sind, nütze aber nicht die Möglichkeiten, sie attraktiv zu machen. Ja, ich bemühe mich nicht einmal darum: Die Bahnhöfe lässt man verfallen, sie werden zugesperrt, das Zugpersonal wird herausgenommen, es fahren alte Waggons ... Dann brauche ich mich nicht zu wundern, dass niemand die Nebenbahnen benützt. Da ist die Philosophie: "Wir brauchen die Schiene" nicht gegeben. Noch ein Beispiel: Im Unterinntal gibt es die bestausgebaute zweigleisige Schienenstrecke. Sie schafft bis zu 400 Züge im Tag. Daneben bauen wir eine neue zweigleisige Strecke, meistens durch Tunnel. Erster Bauabschnitt 15,8 Milliarden Schilling. Aber der Zulaufbereich aus Italien, Deutschland, Ost- und Westösterreich reicht bei weitem nicht aus, um die bestehende Strecke auszunützen. Sage ich jetzt: Wir bauen diese Strecke erst, wenn der Zulauf es erfordert, sagen alle, ich sei gegen die Schiene. Das stimmt nicht. Der Bedarf regelt uns.

Die Furche: Genau dieser Bedarf wird ja durch die Kostenstruktur im Verkehrswesen geregelt. Und da ist die Straße einfach zu billig. Was geschieht, um das zu ändern?

Schmid: Das Road-pricing, die kilometerbezogene Gebühr für Lkws ist ja vorgesehen. Das ist die einzige mögliche Maßnahme, denn die Vignette ist ausgereizt, bei der Maut stehen wir an - da ist ja die Brenner-Maut-Klage beim Europäischen Gerichtshof anhängig. Daher fordert mein Ministerium eine Zweckbindung der Mineralölsteuer und die Querfinanzierung Straße-Schiene in einer Gesellschaft - wie immer die aussieht. Dann kann ich aus einem Topf jeweils die vernünftigen Projekte finanzieren.

Die Furche: An Pkw-Maut ist nicht gedacht?

Schmid: Mit Sicherheit nein. Die Autofahrer zahlen pro Jahr 65 Milliarden in den Staatsäckel, das sind fast zehn Prozent des Budgets. Da darf es keine weitere Belastung geben.

Die Furche: Österreich hat mit viel Transitverkehr zu kämpfen. Wollen Sie in dieser Frage innerhalb der EU initiativ werden?

Schmid: Da geht es um System-Entscheidungen jenseits des nationalen Disputs. Und da erkenne ich, dass die Verlagerung auf die Schiene so nicht läuft, wie das behauptet wird. 14 europäische Staaten haben einen Rückgang im Schienen-Gütertransport. Nur in Österreich ist die Tendenz gleichbleibend bis leicht steigend.

Die Furche: Zeichnet sich da eine politische Gegensteuerung ab?

Schmid: Bei der letzten Konferenz in Thessaloniki hat mich ziemlich nachdenklich gestimmt, dass einer der Experten festgestellt hat: "Warum geben wir nicht zu, dass wir die Bahn nicht mehr brauchen? Wir reden doch nur darüber, wo zukünftig die Autobahnen in den Oststaaten verlaufen sollen." Im Großen und Ganzen geht es also um Diskussion, wie man den Autobahnbau im Osten finanzieren kann. Das europäische Verkehrssystem wird in sehr hohem Ausmaß von den wirtschaftlich-industriellen Interessen vorgelenkt. Ich denke, wir wehren uns zu wenig dagegen. Und wir haben uns ja Selbstbeschränkungen auferlegt, die bewirken, dass sich einzelne Nationen nicht wehren können. Die Spielregeln lassen den Einsatz von Steuerungsinstrumenten kaum zu.

Die Furche: Warum haben Sie den Baustopp für den Lainzer Tunnel verfügt?

Schmid: Ich habe immer klargemacht: Priorität im österreichischen Schienennetz hat der viergleisige Ausbau der Westbahn. Das sage ich selbst als Steirer. Als ich das Ressort übernommen habe, wurde ich mit der Tatsache konfrontiert, ich müsse Wien-St.Pölten ausbauen. Aber es ist in keinem Finanzierungsprogramm enthalten. Also die Frage: Macht es Sinn, zweigleisig nach Wien zu fahren und dann hier großzügig aufzuteilen? Was ist wichtiger? Zuerst Wien-St. Pölten viergleisig ausbauen und dann die Verteilung in Wien oder zuerst der Lainzer Tunnel, der in eine zweigleisige Westbahn mündet? Das Ergebnis: Wenn es keinen viergleisigen Ausbau Wien-St. Pölten gibt, brauche ich den Lainzer Tunnel nicht. Es werden also nur die Prioritäten neu geordnet.Ideal wäre es, wenn beides gleichzeitig fertig würde: Wien-St. Pölten vierspurig und der Lainzer Tunnel.

Die Furche: Wie wird das finanziert?

Schmid: Wie schon angedeutet wünsche ich mir eine Zweckbindung der Mineralölsteuer. Aber zu sagen: Wir stocken noch einmal um 60 Milliarden Schilling auf und wissen, dass wir das nie zurückzahlen können und irgendwann einmal wird es der Staat zahlen, also unsere Nachkommen, da spiele ich nicht mit.

Die Furche: Wird die Lkw-Maut fahrplanmäßig über die Bühne gehen?

Schmid: Ich hoffe. 1. Juli 2002. Aber wir diskutieren über die Art der Systeme und tragen diese Diskussion sehr offen aus.

Die Furche: Wann wird das entschieden?

Schmid: In den nächsten drei Monaten. Wir haben eine Nachfrist eingerichtet. Die elektronischen Anbieter haben im Vorfeld alle behauptet, sie wären in der Lage, das zu machen. Angeboten hat es dann niemand. Das Problem ist die garantierte Erfassung der Fahrzeuge. Die elektronischen Anbieter konnten sie nicht zusichern. Daher die Nachfrist mit klaren Parametern.

Das Gespräch führte Christof Gaspari ZUR PERSON Architekt mit FPÖ-Karriere in der Steiermark Michael Schmid ist am 7. Juni 1945 in Mühldorf am Inn geboren. Sein Vater war praktischer Arzt, seine Mutter Hausfrau. Die Volksschule besuchte er in Preding in der Weststeiermark, die Mittelschule in St. Paul im Lavanttal. Es folgte das Studium der Architektur an der Technischen Universität Graz, das Schmid als Diplomingenieur abschloss. Nach Beendigung des Studiums war er zunächst technischer Angestellter in einem Architekturbüro und ab Ende 1979 selbständiger Architekt. Er ist gerichtlich beeideter Sachverständiger für das Bauwesen. 1989 wurde er Landesparteiobmann der Freiheitlichen in der Steiermark. 1990-1991 warer Abgeordneter zum Nationalrat und anschließend Mitglied der Steiermärkischen Landesregierung. Seit der Bildung der neuen Bundesregierung leitet er das Infrastrukturministerium. Michael Schmid ist in zweiter Ehe verheiratet und Vater zweier Kinder, die beide studieren.

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