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Um die Konkurrenzwahrheit

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Mit ihrem Plan, die Mineralölsteuer für den Schienenverkehr anzuzapfen, sind Finanz- und Verkehrsminister am Veto der Bundesländersozialisten gescheitert. Nur einen Teil seines Konzepts konnte Androsch durch Neuregelung der Mineralölsteuer-Rückvergütung retten.

Die Mineralölsteuer ist bekanntlich zugunsten des Straßenbaues zweckgebunden. Nun sollte die Zweckbindung aufgehoben und ein Teil des Aufkommens — auf Kosten der Straßenbautätigkeit — für Investitionen der Bahn verwendet werden.

Die Argumente dafür: es empfiehlt sich, beim Straßenbau gegenwärtig zurückhaltender zu sein, da die Konstellation auf dem Rohölsektor langfristig — trotz momentaner Verbesserung der Versorgungssituation, allerdings zu stark erhöhten Preisen — nach wie vor undurchsichtig ist und die Gefahr besteht, daß sich ein weiterer Straßenausbau in vielen Fällen als Fehlinvestition erweisen könnte. Bereits heute drohe er da und dort hypertroph zu werden, etwa was die immer neuen Nord-Süd-Verbindungen anlangt, die eigentlich in vielen Fällen vor allem nur dazu dienen, den Ausländem ein möglichst rasches, bequemes und aufenthaltloses Durchbrausen durch Österreich zu gestatten.

Darüber hinaus komme der Ausbau der Bahn, speziell des Nahverkehres, indirekt auch der Straße zugute, könnte doch dadurch das Verkehrsaufkommen stärker verlagert und die Straße entlastet werden. Speziell die Urbanen Agglomerationszentren würden dadurch profitieren.

Als besonderes ideologisches Argument kommt noch hinzu, daß gegen den Individualverkehr seit alters her Ressentiments bestehen, die die Massenmotorisierung nur mundtot machen, nicht aber überwinden konnte, und die nun massiv wieder hervorbrechen. Des weiteren gilt Umverteilung auf alle Fälle als etwas Erstrebenswertes, um so mehr, wenn von der „privaten“ Straße zur „öffentlichen“ Bahn umverteilt wird.

Die Argumente dagegen: Die Zukunft gehöre doch dem Straßenverkehr, speziell was den Flächenverkehr betrifft. Es gebe noch immer verkehrsmäßig schlecht erschlossene Gebiete oder überlastete Hauptstrek-ken. Bahninvestitionen in allen Ehren, aber nicht auf Kosten der Straße.

Die Argumentationen beider Seiten sind ziemlich kleinkariert. Gewiß ist beim Straßenausbau heute Zurückhaltung am Platz, denn das Verkehrsaufkommen wird in Zukunft mit ziemlicher Gewißheit nicht mehr so wachsen wie in den letzten Dezennien. Gewiß ist es richtig und notwendig, den Massenverkehr zu forcieren, die Straße zu entlasten.

Aber wird das Problem wirklich allein schon damit gelöst, daß man mehr Geld dem Schienenverkehr zur Verfügung stellt? Sind mangelnde Initiative und Organisation, Fehlplanung und Fehlinvestition nicht mit ein Grund, daß die Bahn so unattraktiv geworden ist? Hat das Fehlen einer wirtschaftlichen Betriebsführung nicht die Hauptschuld an der finanziellen Misere? Wo gibt ^ es in Österreich wirklich rasche Expreßzüge, wo Konferenzwagen und was sonst moderne Bahnverwaltungen zu bieten haben?

Doch auch die Gegenargumente sind nicht immer so sachlich wie sie sich präsentieren, häufig kaschieren sie nur massive Interessenpolitik: Nicht zufällig lebte an Hand dieses Problems die alte Frontstellung zwischen Bundesländersozialisten und Wiener Sozialisten wieder auf, jener parteiinterne Widerspruch, der der SPÖ seit langem zu schaffen macht. Lokale Interessen und Prestigedenken ließ die „Provinzler“ entschieden gegen die Aufhebung der Zweckbindung auftreten. Die Straße vor dem Haus des Wählers läßt sich eben politisch besser verkaufen als die Erneuerung des desolaten Oberbaus vieler Bahnlinien, der schon seit der Ära Waldbrunner — als der Großteil der Investitionsmittel für überstürzt und schlecht konzipierte Bahnhöfe verwendet wurde — vernachlässigt worden ist.

Wien hingegen denkt vor allem fiskalisch: Die vordringlichen Investitionen bei der Schiene kämen — dies sei nicht verschwiegen — speziell den Urbanen Agglomerationszentren und somit ganz zufällig gerade Wien zugute. Das Interesse, möglichst viel Bundesgelder für Wiener Belange zu bekommen, ist natürlich groß und stößt ebenso natürlich bei den Bundesländern auf wenig Gegenliebe.

Aber, abgesehen von den Interes-sensantagonismen, es wäre selbstverständlich etwas Sparflamme für den hypertrophen Straßenverkehr und bessere Ausnützung des vorhandenen Bahnnetzes oder dessen Modernisierung und die Entschärfung seiner Engpässe volkswirtschaftlich wünschenswert. Nur: Ist es wirklich der richtige Weg, die Zweckbindung der Mineralölsteuer aufzuheben, eine unkontrollierte Transferierung der Gelder zuzulassen?

Zweckbindungen von Steuern haben schließlich die eminent wichtige Aufgabe, den Etat etwas „transparenter“ zu machen, dem Staat wenigstens in Teilen seiner Verwaltung eine rudimentäre Kostenrechnung und Bilanzwahrheit abzuverlangen.

Gerade für das Verhältnis Schiene und Straße ist das dringend erforderlich.

Die Rückvergütung der Mineralölsteuer an Bahn und Landwirtschaft (die schließlich keine Straßenbenüt-zer sind und denen daher eine zweckgebundene SteueF nicht auferlegt werden kann) nicht mehr wie bisher aus dem allgemeinen Budgetaufkommen, sondern aus dem Topf der Mineralölsteuer — in den ja auch die zuviel gezahlte Steuer hineingewandert ist —, stellt einen besseren Weg zur Lösung des Umverteilungsproblems dar. Der Finanzminister betrachtet dies zwar nur als eine Notlösung, aber manchmal haben Notlösungen auch ihr Gutes. Man könnte auf diesem Weg fortfahren und der Straße stärker als bisher die von ihr de facto verursachten Kosten auf die zweckgebundenen Steuern anrechnen, um auf diese Weise allgemeine Budgetmittel freizubekommen. Nicht die Schiene durch die Straße zu subventionieren, sondern Konkurrenzwahrheit zwischen den beiden Verkehrsträgern zu schaffen, müßte die eigentliche Aufgabe sein.

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