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Der 11. Entwurf

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Xu den Insgesamt zehn Entwürfen eines niederösterreichischen Landesplanungsgesetzes, die seit Februar 1959 fabriziert wurden, wird sich demnächst ein elfter gesellen. Noch läßt sich nicht absehen, ob nicht auch ihm das gleiche Schicksal blüht wie seinen Vorgängern.

Niederösterreich besitzt auf Grund seiner geographischen Gegebenheiten und historischen Entwicklung eine sehr differenzierte Wirtschaftsstruktur. Es ist infolge seiner leidvollen jüngsten Vergangenheit ein Land, das wirschaftlich noch viel aufzuholen hat. Behindern sich die einzelnen Wirtschaftszweige gegenseitig, wird viel Kapital unnötig verpulvert, und der Aufschwung wird verzögert.

Niederösterreich hat noch große Erholungsreservate. Sie stellen in der heutigen Zeit einen unschätzbaren natürlichen Reichtum dar und sollten nicht in kleiner Münze vertan werden.

Niederösterreichs Infrastruktur — sein Verkehrsnetz, sein Verwaltungsaufbau, seine geographische Gliederung und sein Netz an wirtschaftlichen und siedlungspolitischen Schwerpunkten weist manche Mängel auf. Als Land ohne Hauptstadt muß es diesen strukturellen Nachteilen besondere Aufmerksamkeit schenken. Wie bedrohliche Folgen sich aus den aufgezeigten Mängeln ergeben können, zeigt die sich auf den Landesorganismus wie eine galoppierende Schwindsucht auswirkende Bevölkerungsabwanderung.

Das Wohlstandsgefälle, das sich zwischen den westlichen Bundesländern und Niederösterreich herausgebildet hat, hat trotz der unbestreitbaren Aufbauleistungen im Lande unter der Enns keineswegs abgenommen. Das Bild der niederösterreichischen Aufwärtsentwicklung wird vor allem durch die noch immer unbefriedigenden wirtschaftlichen Verhältnisse längs der toten Grenzen getrübt.

Modelle für Fehlinvestitionen

In kaum einem anderen Lande ist das Verhältnis zwischen den erforderlichen Investitionen der öffentlichen Hand und den tatsächlich verfügbaren Mitteln so ungünstig wie in Niederösterreich. Nirgends ist daher ein planvoller, gezielter und möglichst sparsamer Einsatz sowohl von öffentlichem als auch von privatem Kapital nötiger als hier.

Daß bei den Investitionen in Niederösterreich in der Vergangenheit nicht immer am rationellsten gewirtschaftet wurde, mußten nicht erst die leidigen Affären im Zusammenhang mit den kürzlich erfolgten Schulstillegungen ans Tageslicht bringen. Bekanntlich haben sich einige Schulen, die erst vor kurzem neu erbaut oder renoviert worden sind, nun als überflüssig erwiesen. Ähnliche Fehlinvestitionen können auf dem kommunalen Sektor zu Dutzenden nachgewiesen werden.

Wer widersetzt sich eigentlich in

Niederösterreich der Landesplanung? Erkundigt man sich bei den einzelnen Interessenverbänden, so erfährt man, daß eigentlich alle grundsätzlich die Notwendigkeit eines Landesplanungsgesetzes betonen. Nur bringt man da und dort Einwände gegen jene Bestimmungen vor, die darauf abzielen, Landesplanungsentwürfe nötigenfalls auch als verbindlich zu erklären.

In der Landeslandwirtschaftskammer befürchtet man, die Planung könnte zu weiteren Einbrüchen führen.

Darüber hinaus geht es der Landwirtschaftskammer aber auch darum, daß in jenen Gebieten, in denen die Landwirtschaft auf dem Aussterbeetat steht, den landflüchtigen Grundbesitzern die Möglichkeit erhalten bleibt, sich durch Abverkauf ihrer Wiesen und Felder als Bauland finanziell über Wasser zu halten. In manchen Teilen des Wienerwaldes etwa kann ein Bauer in fünfzig Jahren aus seiner Wirtschaft nicht das herausholen, was er beim Verkauf eines einzigen Ackers, den er parzelliert, bar auf den Tisch bekommt. Nun, die Kammer hat alle Mitglieder zu vertreten, die mit und die ohne Zukunft als Landwirte. Schließlich müssen auch die Bauern in den Rückzugsgebieten der Landwirtschaft leben. Es ihnen zu erschweren oder zu verbieten, das einzige ihnen verbliebene Kapital entsprechend zu nützen, ohne ihnen wenigstens einen halbwegs akzeptablen Ersatz dafür zu geben, ist nicht sehr fair. Begreiflich, daß die Kammer dazu nicht ohneweiters „Ja“ sagen kann.

Der gefesselte Unternehmer

Auch in der Handelskammer ruft das Vorhaben, ein Landesplanungsgesetz zu schaffen, alles andere denn Begeisterung hervor. Die Allergie, die sich in Wirtschaftskreisen gegenüber dem Wort Planung bemerkbar macht, entspricht einer Art „Notwehrliberalismus“.

Ernster zu nehmen ist aber jene Gruppe von Gegnern des Landesplanungsgesetzes, die darauf verweisen, daß der „Planungsmythos“ der Linken noch immer sehr virulent ist und von dort her versucht werde, auf dem Umweg über die Raumplanung unternehmerfeindliche Prinzipien einzuschleusen. Um nicht in eine Falle zu gehen, weicht man dem Begriff Planung, sofern es sich nicht um Planungen innerhalb des eigenen Bereiches handelt, tunlichst aus. Die Gefahr des Mißbrauches der Planung könnte aber zweifellos durch ein stärkeres Engagement der Kammer in den Planungsgremien besser als durch eine ängstliche Ausweichstaktik abgewendet werden.

Vorteile für Industrie und Fremdenverkehr

Für die Industrie bringt die Landesplanung zwar gewisse Einschränkungen bei der Standortwahl mit sich, räumt ihr aber zugleich große Vorteile ein. Was hat die

Industrie schließlich von der Freiheit, auf jedem Krautacker einen neuen Betrieb zu errichten, wenn es an der Stromversorgung, an Zufahrtsstraßen, an einer Wasserleitung und dem nötigen Kanalisationssystem fehlt? Ein unbeschränktes Ansiedeln von Industriebetrieben gab es auch bisher nicht. Wasserrechte, Nachbarschaftsrechte, das Natur- und Landschaftsschutzgesetz und die Bestimmungen über den Grundverkehr engen die Bewegungsfreiheit schon jetzt sehr stark ein. Nun sollen diese oft recht widerspruchsvollen Beschränkungen koordiniert und in ein System eingeordnet werden. Außerdem soll die Standortwahl zwar auf bestimmte Areale und Zonen eingeschränkt, dafür aber durch bessere Auf-schließungseffekte begünstigt werden.

Das Gerüst ist da

Man darf an die Verabschiedung eines Landesplanungsgesetzes keine übertriebenen Erwartungen knüpfen, solange einige wichtige Vorbedingungen für seine möglichst effektvolle und sinnvolle Anwendung nicht erfüllt sind. Die Landesplanung braucht als Grundlage ein wirtschafts- und gesellschaftspolitisches Landesentwicklungskonzept. Sie soll ja die Projektion eines solchen Konzeptes auf den Raum sein. Wo ein solches Konzept fehlt, gibt es auch nichts zu projizieren.

Landeshauptmann Dr. h. c. Dipl.-Ing. Eduard Hartmann hat in seiner Regierungserklärung gezeigt, wie das Gerüst eines solchen Konzeptes aussehen müßte. Es wäre nun Sache eines von der Landesregierung zu berufenden Teams von Fachleuten, das sich aus Wirtschafts- und Sozialwissenschaftern zusammensetzen sollte, dieses Gerüst zum Bau eines großen Wegweisers in die Zukunft des Landes zu benützen. Es wäre zu überlegen, ob nicht eine Art Wirtschafts- und Sozialbeirat des Landes diese Aufgabe übernehmen sollte, wobei allerdings die Fehler auf Bundesebene vermieden werden müßten. Aufgabe dieses Teams müßte es sein, in ständiger Tuchfühlung mit dem Landeschef und der Landesregierung die Einzelplanungen der Kammern, Bundesund Landesdienststellen zu koordinieren.

Raumplanung erfordert einen Stab qualifizierter Fachkräfte. Das Institut für Raumplanung hat der Landesregierung vor Jahren einen Organisationsvorschlag für die Landesplanungsstelle unterbreitet. Dieser Plan ist nun aktueller denn je. Wenn die Landesplanungsstelle nämlich nicht auf einen Personalstand und auf ein Niveau gebracht wird, das sie befähigt, ihre verantwortungsvollen Aufgaben fachmännisch zu lösen, behalten jene recht, die in der Planung eine Gefahr für die weitere Entfaltung der niederösterreichischen Wirtschaft erblicken.

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