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Digital In Arbeit

Weder Rom, noch Washington

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Wiens Regierungschef über umfassendes Standortmarketing, Verkehrs- und Migrationsprobleme sowie seine Sensibilität für den Föderalismus.

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Wiens Regierungschef über umfassendes Standortmarketing, Verkehrs- und Migrationsprobleme sowie seine Sensibilität für den Föderalismus.

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DIEFURCHE: Herr Bürgermeister, Sie waren vor kurzem in den USA, um für Wien die Werbetrommel zu rühren Gibt es in den Vereinigten Staaten eigentlich ein Wien-Bild jenseits der Klischees von ku.k und Walzerseligkeit3 Michael haupl: Sofern es in den Vereinigten Staaten überhaupt ein Österreich- und Wien-Bild gibt, ist es ein außerordentlich 'widersprüchliches. Das Wien-Bild, das man in den USA vordergründig vorfindet, ist genau das Klischeebild, das Sie gezeichnet haben: eine Mischung aus unseren geliebten weißen Pferden, Marzipankugeln, Tanz, ein bißchen angereichert noch durch die Familie Trapp, die sich offensichtlich als das erfolgreichste imagebildende Element in den Staaten erwiesen hat.

Es gibt aber auch noch ein anderes Bild - das Bild eines in vordemokratischen Zeiten befindlichen halbdiktatorischen Osterreich, wo man je nach Bedarf entweder Kommunisten herumhupfen sieht oder Nazis. Ein Bild, das sich verschiedene Seiten bemühen, auch immer wieder darzustellen. Wenn Herr Doktor Haider in den Vereinigten Staaten Österreich als ein in vordemokratischen Zeiten befindliches Land bezeichnet, ist das ebenso verwerflich, wie wenn einzelne Mitglieder verschiedener Detailgemeinden in den USA meinen, Österreich sei ein Land, in dem nach wie vor die Juden verfolgt werden.

Also, was wir uns zu bemühen haben, ist, aufbauend auf dem Verständnis, das die Bürger der Vereinigten Staaten von Demokratie, Wirtschaft und Kultur haben, auch dieses Bild Österreichs in eine Wirklichkeit zu rücken, die wir uns schlicht und einfach auch verdienen. Ich glaube, daß mit den neuesten Aktivitäten, die Wien setzt, die die Bepublik Österreich setzt - die Kulturinstitute in New York, aber auch die Wirtschaftsaktivitäten die gesetzt werden — dies mühselig ist, aber doch gelingen wird. Reichischen Steuersystem beginnend bis hin zu den Infrastruktureinrichtungen, dem sozialen Frieden, der Qualität, der Ausbildung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land, in unserer Stadt. Das ist eine wichtige Aufgabe, das ist Standortmarketing.

Der zweite Bereich ist Produktmarketing. Hier ist die Wirtschaftskammer federführend, hier unterstützen wir. Wir haben gerade in Washington auch einen großen Erfolg erzielt bei einem solchen Produktmarketing anläßlich eines Mittagessens, das - wenn man so will

- stimmig durchgestylt gewesen ist, bis zu den Tischtüchern und den Servietten, die selbstverständlich von einer prominenten Wiener Firma stam -men.

Und letztendlich das Stadtmarketing, das heißt Fremdenverkehrswerbung, das heißt Veranstaltungsbewerbung. Es kennen beispielsweise sehr viele Amerikaner - aber auch Japaner

- den Eislaufplatz am Rathausplatz. Das hat sich erstaunlich herumgesprochen, was angesichts der Berichte von über 40 ausländischen Fernseh-

Stationen nicht weiter verwunderlich ist.

Wir haben eine Dreiteilung: Wir haben ausgezeichnete Ergebnisse im Fremdenverkehr, das ist kein Zufall; wir haben eigentlich zufriedenstellende Investitionen in unserer Stadt, wenn ich etwa an die Sieben-Milliarden-Investition von Opel/General Motors in Aspern denke; was wir sicherlich zu för-

DIeFukchE: Zu den Niederungen der Kommunalpolitik Sie habeh sich bei der letzten Regierungsklausur ein ehrgeiziges Programm gesetzt Einer der zentralen Punkte - Schlagwort Standortmarketing- hat ja auch sehr viel mit Selbstpräsentation zü tun Was soll wie vermarktet werden? HäUPL: Wir haben in der gemeinsamen Arbeit der Wiener Wirtschaftskammer, des Wirtschaftsförderungs-fonds und der Stadt Wien eine Arbeitsteilung gefunden, wobei wir in allen Bereichen eng zusammenarbeiten.

Standortmarketing im engeren Sinn: Hier geht es um die Präsentation Wiens als eines Wissenschafts- und Wirtschaftsstandortes. Hier ist die Federführung beim Wirtschaftsförde-rungsfonds. Wir sind in der Welt bekannt - und da brauchen wir nicht werben dafür - als eine Kulturstadt, als eine Stadt der Musik, des Theaters. Sehr gut bewerben müssen wir hingegen - gerade auch für internationale f nvestoren - die großartigen wirtschaftlichen Vorteile, vom österdern haben, ist der Export, die Produktbewerbung. Wir müssen aber auch unermüdlich in allen anderen Marketingbereichen sein, denn das ist der Erfolg der Zukunft.

DIEFURCHE: Großstädte wie Wien stehen vor enormen Herausforderungen und Problemen - Stichworte Verkehr und Umwelt, Migration und Ghettoi-sierung von Ausländern in bestimmten Bezirken, zunehmendes Auseinanderklaffen von imageträchtigen Stadtteilen wie etwa der City und „ armen ” Gegenden wie der Gürtelregion Was kann die Politik tun, oder ist die Politik mit diesen Entwicklungen, die ja über den Bereich des Kommunalen hinausgehen, überfordert1 HäUPL: Im Gegensatz zur Propaganda einer bestimmten Oppositionspartei befinden wir uns hier in Wien in einer vergleichsweise hervorragenden Situation, was die mehr als sieben Millionen Besucher im Jahr ja auch immer wieder bestätigen. Wir sind darüber hinaus auch in der Lage, als Bundesland entsprechende Einwirkungen auf die Bundespolitik zu nehmen, was insbesondere für die Frage von Aufenthaltsgesetzen und ähnlichem, Stichwort neues Integrationspaket, von besonderer Bedeutung ist. Natürlich stehen wir vor der Herausforderung, daß es unterschiedliche Entwicklungszustände auch innerhalb unserer eigenen Stadt gibt - ich sage das sehr bewußt als einer, der begeistert in Ottakring wohnt und lebt und diesen Bezirk auch sehr verteidigt. Aber wir versuchen, dem mit gezielten Projekten zu begegnen: Gerade im Gürtelbereich haben wir mit dem Projekt, das wir gemeinsam mit der EU entwickeln und wofür wir auch namhafte Finanzzuschüsse seitens der EU bekommen, etwas entwickelt, das diesem Problembereich Gürtel auch entsprechend entgegenwirkt; und ich bin auch dafür, daß wir die Situation, gerade was den Verkehr und damit die ökologische Lebensqualität unserer Stadt betrifft, mit dem weiteren Ausbau des öffentlichen Netzes, Stichwort 30-Milliar-den-Paket, verbessern.

Ich habe vor zwei Jahren, als ich das erste Mal den Bürgermeister von Bom, Butelli, besucht habe, auf dessen Frage nach den größten Problemen von Wien geantwortet: Migration und Verkehr. Er hat hell aufgelacht, mich auf den Balkon seines Büros geführt, wir haben auf die Stadt hinunter geschaut, und er hat gesagt: „Das ist ein Verkehrsproblem”. Da sollte eine neue Bescheidenheit im Hinblick auf die Dimensionierung unserer Probleme einkehren, das steht einem auch gut an, wenn man aus den Vereinigten Staaten zurückkehrt und gesehen hat, mit welchen Problem etwa Washington als eine mit einer der höchsten Kriminalitätsraten versehene Stadt zu kämpfen hat. Dann lernt man die Probleme unserer Stadt zu redimensionieren, und so gesehen sind sie leichter zu lösen: die Verkehrsprobleme durch den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, die Migrationsprobleme durch das neue Integrationspaket, durch die Integration der ordentlich hier Lebenden und durch die Begrenzung des Zustroms; sodaß wir die kulturelle Lebensqualität, die ökonomische und ökologische Lebensqualität unserer Stadt entsprechend erhalten können.

DIEFURCHE: Es gibt in Sachen Semme-ring-Tunnel eine Wien-Niederösterreich-Achse zwischen Ihnen und dem Landeshauptmann PrölL Die Botschaft, die über die Medien kam, lautete vereinfacht gesagt: „Her mit den Semmeringmilliarden für den Ausbau des Nahverkehrs!” Das ist wohl nicht gerade die feine föderalistische Art... HäUPL: Die Frage des Semmering-tunnels ist nicht mein Thema. Landeshauptmann Pröll hat sich eine Meinung gebildet zu diesem Semme-ringbasistunnel, das ist seine Sache, mein Thema ist

DIEFURCHE: Aber eine Meinung haben Sie auch ... häupl: Ich habe mich gar nicht hinreichend damit befaßt, ich sage das ganz offen. Ich gehe davon aus, daß offensichtlich hinreichend Investitionsmittel bei den ÖBB vorhanden sind, weil sonst geht man ja ein derartiges Zwölf-Milliarden-Schilling-Projekt wohl nicht an. Dann aber sage ich, die Lösung des Problems des öffentlichen Personennahverkehrs im Umfeld von Wien hat für mich absolute Priorität. Wir halten fest, daß wir rund 210.000 Pendler aus Niederösterreich, dem Burgenland, der Steiermark täglich haben und daß 80 Prozent dieser Pendler mit dem Auto fahren. Der weitere Ausbau der Autobahnen kann ja wohl nicht der Weisheit letzter Schluß sein, mit mir wird es jedenfalls sicher keine amerikanische Stockautobahnen geben, das halte ich für Unfug. Daher kann der Lösungsansatz nur der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs sein,

da gibt es durchaus positive Beispiele, etwa an der Westbahn; da gilt es nun, die Südbahn ähnlich auszubauen, den Ausbau der Preßburg-Eisenbahn anzubieten, die wir für die Entwicklung des Baumes zwischen Györ, Bratislava, Brünn, Wien und St. Pölten ohnehin brauchen; da geht es sicherlich auch darum, daß man die Verbindungen etwa in Bichtung Weinviertel ausbaut, auch den Ausbau der Franz-Josefs-Bahn über Prag nach Berlin ins Auge faßt.

DIEFURCHE: Dennoch könnte der Eindruck entstehen, Wien und Niederösterreich richteten es sich wieder einmal- Sie kennen ja auch das Wort vom West-Ost-Gefälle was den Eöderalis-mus anlangt Stört Sie das nicht3 HäUPL: Ich habe große Sensibilität für den Föderalismus, und ich habe große Sensibilität was die Einheit Österreichs betrifft. Doch von einer Argumentation, wie sie Landeshauptmann Schausberger in der jüngeren Vergangenheit geboten hat, und die auch innerhalb der ÖVP vielfach nicht auf Zustimmung stößt, nicht einmal innerhalb des Westens - ich erinnere an eine sehr differenzierte Stellungnahme des damals noch amtierenden Landeshauptmannes Purtscher —y von dieser Argumentation sollte man sich rasch verabschieden. Ich beziehe mich bei Schausberger auf jene Auffassung, daß in den Osten sehr viel mehr investiert wird als in den Westen, auf Schausbergers Vergleiche, was er herausbekommt und was er einzahlt. Ich weiß, daß Salzburg hier etwa eine ausgeglichene Bilanz von Einzahlungen und dem, was es herausbekommt, hat, während es nur zwei Nettozahler gibt, Wien und Vorarlberg, die in den Topf wesentlich mehr einbezahlen als sie herausbekommen. Österreich ist eine Einheit, wir wissen alle, daß Wien im besonderen Ausmaß ein Nettozahler ist, da sollte man nicht mit Statistiken herumwischen, wir bekommen aus dem Finanzausgleich mit Sicherheit wesentlich weniger Geld zurück als wir in den gemeinsamen Topf einzahlen, und wir beschweren uns nicht darüber. Aber ich werde sicherlich sehr sensibel reagieren, wenn man hier versucht, Keile hineinzutreiben aus politisch vordergründigen Motiven, wo wichtige Gemeinsamkeiten dieser Bepublik auf dem Spiel stehen. Und ich darf erinnern, daß das Schicksal dieser Republik 1945 von den Ländern im wesentlichen entschieden wurde und die Einheit Österreichs auch. Wenn man mit sol chen Traditionen, von denen unser Land auch abhängig ist, bricht, das halte ich für einen Wahnsinn. Hier geht es nicht darum, daß sich Wien und Niederösterreich irgendetwas richten, sondern hier geht es darum, daß man mehr als 200.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die täglich von einer Verkehrssituation betroffen sind, die für sie unerträglich erscheint, hilft und daß man deren Probleme löst.

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