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Alle zwei Jahre gibt die Niederösterreichische Landesausstellung in der alten Kultur-und Handelsstadt Krems einen Leistungsbericht über alle Zweige der niederösterreichischen Wirtschaft. Diese große Landesausstellung ist zur Standortsbestimmung in Produktivität und Konkurrenzfähigkeit geworden.

Die von Jahr zu Jahr zunehmende Anzahl der Aussteller und die Besucherzahlen, aber auch die erfreulich hohen Geschäftsabschlüsse ließen, würde man das Ergebnis der Niederösterreichischen Landesausstellung isoliert für sich allein betrachten, den Schluß zu, als gäbe es für die Wirtschaft Niederösterreichs keine offenen Fragen. Industrie, Handel, Gewerbe und Landwirtschaft vermögen ihre Leistungen in Niederösterreich zwar von Jahr zu Jahr beträchtlich zu steigern, trotzdem ist es seit 1945 noch nicht gelungen, den Rückstand gegenüber den westlichen Bundesländern gänzlich aufzuholen. Wie es dazu gekommen ist, ist bekannt.

Niederösterreich mußte auf seinem Weg bergauf zwei schwere Gewichte — Kriegsschäden und Besatzungszeit — mitschleppen; jeder Höhengewinn ließ sich nur mit den größten Anstrengungen erkaufen. 1945 waren weite Teile des Bundeslandes Niederösterreich Kriegsschauplatz. Die politische Entwicklung in Ost- und Südosteuropa führte sehr bald nach dem Kriegsende dazu, daß sich Länder, zu denen seit der Zeit der Monarchie ausgezeichnete Wirtschaftsverbindungen bestanden, gegen die freie Welt hermetisch abschlössen. Niederösterreich, das durch seine Lage am Donaustrom zum Wirtschaftsaus-tausch mit anderen Ländern prädestiniert erscheint, wurde dadurch in eine Randlage gerückt, die sich zwangsläufig wirtschaftlich nachteilig auswirken mußte. Die Schwierigkeiten in den niederösterreichischen Grenzgebieten sind nicht zuletzt auf diese Entwicklung zurückzuführen.

Dazu kam, daß das Land bis 1955 von Soldaten einer Macht besetzt war, die die Gesetze der Wirtschaft nach Maßstäben maßen, die das freie Kräftespiel nicht kannten. Viele Großbetriebe, die als deutsches Eigentum galten, waren bis 1955 dem Einfluß Österreichs entzogen.

Aufgebot eigener Kräfte

Was sich in Niederösterreich seit dem Ende des zweiten Weltkrieges zum Besseren gewendet hat, ist fast ausschließlich dem Aufgebot eigener Kräfte zuzuschreiben. Die Hilfsmittel, die das Land unter der Enns zwischen 1945 und 1955 durch ausländische Kapitalsinjektionen erhalten hat, sind, verglichen mit dem, was zur wirtschaftlichen Sanierung anderer Teile des Staates aufgeboten wurde, gering.

Verglichen mit den Schwierigkeiten im ersten Dezenium nach dem Ende des zweiten Weltkrieges sind die Leistungen Imponierend, die In Niederösterreich vollbracht wurden. Trotzdem war es der niederösterreichischen Wirtschaft nicht möglich, in den zehn Jahren, die seit dem Abzug der Besatzungssoldaten vergangen sind, wirtschaftlich wieder gleichzuziehen. In den zwanzig Jahren des Bestandes der Zweiten Republik ist auch in Niederösterreich ein großes Aufbauwerk erfolgreich geleistet worden. Diese Leistungen wiegen aus den angeführten Gründen doppelt. Dia schweren Wunden, die Krieg und Nachkriegszeit geschlagen haben, wurden weitgehend geheilt. Darüber hinaus sind viel« Werke von bleibendem Bestand und dauerndem Nutzen geschaffen worden. Hieran haben der beispielgebende Fleiß der niederösterreichischen Bevölkerung aller Berufsschichten und die zwanzigjährige zielstrebige Arbeit

Eigene, neue Wege

Die Landesverwaltung ging zur Ankurbelung der Wirtschaft eigene, neue Wege. Die Mittel, die das Land für die Gesundung der Wirtschaft zur Verfügung stellen konnte, wurden nur selten als Subvention vergeben, sondern immer so angelegt, daß sie auf die Wirtschaftsentwicklung stimulierend wirken mußten. In diesem Zusammenhang sei etwa auf den Schulbaufonds, auf den Fremdenverkehrsförderungsfonds, auf den Betriebsinvestitionsfonds und auf den Wirtschafts-förderungsfonds des Landes verwiesen. Die Mittel, die das Land bereitstellt, bringen zwangsläufig ein Mehrfaches des Betrages an öffentlichen Geldern ins Rollen. Für die wirtschaftliche Entwicklung bringt diese Art der Wirtschaftsförderung die größtmöglichen Erfolge.

Niederösterreich kann den immer noch vorhandenen Rückstand nur dann aufholen, wenn sich die österreichische Gesamtwirtschaft kontinuierlich weiterentwickelt. Niederösterreich hat daher an allen jenen Maßnahmen regstes Interesse und will an ihnen mitwirken, die von der Bundesregierung und den einschlägigen Bundesressorts und vom Parlament zur Steigerung des Wirtschaftswachstums vorbereitet werden.

Das Land will nicht nur die bestehenden Betriebe und Arbeitsplätze soweit wie möglich erhalten, es braucht auch weitere Industrieansiedlungen und neue Arbeitsplätze. Eine Frage, der aus sozialen und soziologischen, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen höchstes Augenmerk zugewendet werden muß, ist das Pendlerwesen, das eine der schwierigsten Zeiterscheinungen darstellt. Eine Analyse des Pendlerproblems hat ergeben, daß mehr als 200.000 Niederösterreicher Ihren Arbeitsplatz nicht am Wohnort haben; mehr als 70.000 Arbeitskräfte aus unserem Land arbeiten in anderen Bundesländern, vor allem in Wien und in Oberösterreich. Diese Tatsache wirkt sich selbstverständlich auch auf das Steueraufkommen aus und engt die Finanzkraft des Landes stark •in. Die Schaffung neuer Arbeitsplätze und die Beschaffung des notwendigen Wohnraumes sind zwei ursächlich zusammenhängende Angelegenheiten. Niederösterreich hat, obwohl die Mittel, die für die Wohnbauförderung zur Verfügung stehen, nur beschränkt Bind, schon vor 16 Jahren als erstes Bundesland eine eigens Landeswohnbauförderung «ingerichtet.

Ein Umstellungsprozeß

Gesellschaft und Wirtschaft sind zur Zeit In einem gewaltigen Umstellungsprozeß begriffen, dessen Ende noch nicht abzusehen ist. Die fortschreitende Bildung größerer europäischer Wirtschaftsräume beschleunigt dielen Wandlungs- und Umstellungsprozeß.

Zahlreiche selbständig und unselbständig Erwerbstätige, ja fast alle Bevölkerungsschichten werden davon betroffen. Ihnen zu helfen, sich der neuen Lage anzupassen, um ihre wirtschaftliche Existenz aufrechtzuerhalten und zu festigen, ist eine der wichtigsten und vornehmsten Aufgaben einer Landesverwaltung. Diese wichtigen Arbeiten können aber nicht aus reiner Intuition geschehen, sondern brauchen sachliche, handfeste Unterlagen. Es ist daher notwendig, Fachleute zu Rate zu ziehen, die nach genauem Studium der Vielfalt der Verhältnisse die Grundlage für die entsprechenden Schlüsse schaffen. Bei wichtigen Planungen sollen daher die Fachmänner der Raumforschung und Landesplanung zu Rate gezogen werden.

In einem Land, in dessen Mittelpunkt eine Millionenstadt liegt, hat das Verkehrswesen ganz besondere Bedeutung. Die Straßen — ich denke da nicht nur an die Autobahnen, sondern genauso auch an die Bundes-, Landes- und Gemeindestrecken, ja selbst an die

Güterwege, die einen Einschichthof an das Verkehrsnetz und damit an das pulsierende Wirtschaftsleben anschließen — sind die Nervenstränge der Wirtschaft. Beim Ausbau des Straßenwesens müssen zwangsläufig jene Strecken den Vorrang haben, die Wirtschaftszentren erschließen oder die die weitere Entwicklung niederösterreichischer Fremdenverkehrsgebiete möglich machen.

Mindestens die gleiche Bedeutung wie einem gutfunktionierenden Straßenwesen kommt für die Entwicklung der Wirtschaft eines Landes die Verbesserung der Energieversorgung zu. In dieser Hinsicht ist in den vergangenen Jahren in Niederösterreich sehr gute Arbeit geleistet worden. Eine Anzahl neugebauter Kraftwerke liefert Strom, und ein weitgespanntes Netz von Erdgasleitungen versorgt die Wirtschaft mit zusätzlicher billiger Energie.

Mitten in Niederösterreich liegt die Millionenstadt Wien. Hunderttausende Wiener suchen in Niederösterreich vor allem über die Wochenenden Entspannung und Erholung. Es ist daher notwendig, die Fremdenverkehrseinrichtungen — vor allem jene, die den Ausflugsverkehr fördern, wie etwa neue Sommerbäder, Skilifte usw. — modern auszubauen. Die Fremdenverkehrswirtschaft wäre aus eigener Kraft zu derartigen großen Investitionen nicht in der Lage. Das Land hat daher durch eine großzügige Kreditaktion, über die den Fremdenverkehrsbetrieben zinsenbegünstigte Kredite zur Verfügung gestellt werden, dafür gesorgt, daß die nieder-österreichische Fremdenverkehrswirtschaft ihre Betriebe an das internationale Niveau angleichen kann.

Auswirkungen der Landflucht

Der Sog der Großstadt auf das Umland hat zur Folge, daß sich in Niederösterreich die Landarbeitsflucht besonders auswirkt. Trotzdem ist und bleibt Niederösterreich, gemessen an der Kulturfläche, vor allem aber auch an der agrarischen Produktion, das Agrarland Österreichs schlechthin. Die vermehrte Anwendung von Maschinen ist in der Land-und Forstwirtschaft zum Rückgrat der Existenzsicherung und Konkurrenzfähigkeit geworden. Es ist daher die Aufgabe der Landesverwaltung, dafür zu sorgen, daß die modernen Maschinen in Feld und Flur rationell und zweckmäßig arbeiten können. Dazu ist die Durchführung von Kommassierungen, die Aufschließung von Flur und Wald durch entsprechende Güterwege, die Verbesserung des Kleinklimas durch Windschutzanlagen und der Anschluß von Einschichthöfen an das Verkehrsnetz und die Stromversorgung auch der Einschichthöfe genauso wichtig, wie die großzügige Durchführung von Ent- und Bewässerungsarbeiten.

Im Bewußtsein, daß die wirtschaftliche Zukunft des Landes schon in den Schulbänken entschieden wird, hat Niederösterreich nicht nur seine Pflichtschulen — 290 Neubauten —, sondern seit 1949 auch sein gewerbliches und landwirtschaftliches Berufsschulwesen modern ausgebaut. Ein gutausgebildeter Nachwuchs in allen Berufszweigen ist der beste Garant dafür, daß Niederösterreichs Wirtschaft seinen schweren, aber kontinuierlich aufwärtsführenden Weg auch in der Zukunft weitergehen kann. Die Landesausstellung 1965 wird zeigen, daß auch die vergangenen zwei Jahre für dieses Ziel gut genützt wurden.

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