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Zentrum, nicht Vorort

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Ige Volksschulen, das waren mehr als ein Drittel der gesamten niederösterreichischen Volksschulen. Damals besuchten nur 43.700 Schüler eine Hauptschule. Unverhältnismäßig ■wenig Kinder von Bauern- und Arbeiterfamilien studieren an höheren Schulen und Universitäten, so daß auf dem Land eine große Intelligenzreserve gegeben ist, die nur durch Schaffung entsprechender Bildungseinrichtungen ausgeschöpft werden kann.

Kleingemeinden können heute den Erfordernissen der stark erweiterten Verwaltungsaufgaben nicht mehr nachkommen, daher versucht man die Nachteile der Kleingemeinden durch Gemeindevereinigungen zu beheben, die durchaus in der Lage sind, diesen Aufgaben gerecht zu werden. In ähnlicher Weise ist man auch bestrebt, landwirtschaftliche Betriebe, die wegen ihrer geringen Größe weder für die Eigentümer eine entsprechende Einkommensquelle noch für die Gesamtwirtschaft einen wesentlichen Faktor darstellen, zu größeren, produktiveren Betrieben zusammenzufassen.

Die Zahl der Gemeinden konnte in Niederösterreich vom 1. Jänner 1965 bis 1. Jänner 1969 durch freiwillige Vereinigungen von 1652 bereits auf 1281 verringert werden. Auch auf landwirtschaftlichem Gebiet sind bei den Betriebsvergrößerungen schon beachtliche Erfolge erzielt worden.

Zug zur höheren Organisation

Auf dem Gebiet des Volksschulwesens ist man in Niederösterreich ebenfalls bemüht, durch Auflassung von Kleinstschulen und Zusammenschließung eine Mehrklassigkeit, also höhere Organisation zu erreichen. Damit soll nicht gesagt werden, daß eine einklassige Volksschule ungeeignet ist, den Schülern eine vollständige Ausbildung zu geben und sie auf ein späteres Studium vorzubereiten. Aus verkehrstechnischen Gründen wird man auch in Zukunft ohne einklassige Volksschulen nicht auskommen können. Es ist jedoch unbestrit-

ten, daß eine einklassige Volksschule ein weniger geeignetes Bildungsinstrument ist als eine höher organisierte.

Im Februar 1965 gaben der akute Lehrermangel und die sich daraus ergebende Notwendigkeit eines rationelleren Einsatzes der Lehrer den unmittelbaren Anstoß zu einer umfassenden Schulreorganisation. Der Tatsache, daß die Pflichtschule in unserer Zeit größter technischer, wirtschaftlicher und soziologischer Umwälzungen ganz besondere Aufgaben zu erfüllen hat, Rechnung tragend, wurden alle Anstrengungen unternommen, um durch Gesetzgebung und Vollziehung ehestens optimale Schulverhältnisse sicherzustellen. Heute, nicht einmal 5 Jahre später, beträgt die Anzahl der einklassigen Volksschulen in Niederösterreich nur mehr 192 und die Zahl der Hauptschüler ist von 43.700 auf 67.259 angestiegen;

Die Schaffung von Mittelpumktschulen, von neuen Hauptschulen, und der Ausbau bestehender Schulen wäre jedoch für die Schulerhalter weitgehend undurchführbar geblieben, wenn nicht das Land hiefür aus dem Schul-und Kindergartenionds die erforderliche finanzielle Unterstützung gewährt hätte. Seit dem Bestand dieses Fonds wurden den Schulerhaltern mehr als 783 Millionen Schilling in Form von Subventionen und Darlehen zur Verfügung gestellt und für die nächsten drei Jahre für diesen Zweck bereits weitere 250 Millionen Schilling zugesichert. Bis zum Ende der Schulreorganisation im Jahre 1975 hofft man, in Niederösterreich optimale Schul Verhältnisse zu haben: Nur noch zirka 50 einklassige Volksschulen und zirka 240 Hauptschulen.

Auf dem Gebiet des gewerblichen und kaufmännischen Berufsschulwesens hat da* Land Niederösterreich schon seinerzeit durch Schaffung der Landesberufsschulen eine Pionierleistung vollbracht und derzeit fast inen optimalen Zustand erreicht.

Es ist für die größeren Städte Niederösterreichs von besonderer Bedeutung, daß sie nicht allzusehr in den Sog der Millionenstadt Wien geraten. Zwar wird die Stadt Wien in vieler Hinsicht' Immer für Niederösterreich Zentralfunktionen ausüben, sie ist der Sitz der Landesverwaltung, der politischen Interessenvertretungen, hier sind die Hochschulen konzentriert, an denen Niederösterreichs Studenten ausgebildet werden, haben die bedeutendsten Industrieunternehmen des Landes ihre Direktionen und bieten sich für viele Niederösterreicher günstigere Arbeitsplätze als in den Städten des Landes unter der Enns.

Für 9t. Pölten ist von größter Bedeutung, daß dte Stadlt nur 60 Kilometer westlich von Wien gelegen und mit der Bundeshauptstadt durch gutausgebaute Verkehrslinien verbunden, zentrale Funktionen für das gesamte Land, für das westliche Niederösterreich, für das Viertel ob dem Wienerwald oder für den eigentlichen politischen Bezirk ausüben kann. Gegenwärtig ist St. Pölten auf

mehreren Gebieten Landeszentrum. Hier ist das Militärkommando für Niederösterreich stationiert, und die Gebietskrankenkasse der Arbeiter und Angestellten für Niederösterreich hat in unserer Stadt ihren Sitz. Zwei wichtige Funktionen der öffentlichen Verwaltung werden also für Niederösterreich von St. Pölten aus ohne Schwierigkeiten erfüllt und unsere Stadt erweist sich auf diesen Gebieten als echter Landesmittelpunkt.

Wechselwirkungen

Zentralfunktionen für das gesamte westliche Niederösterreich hat St. Pölten in kirchlicher

Hinsicht. Seit 1785 wird die Diözese für die westliche Landeshälfte von unserer Stadt aus betreut und auf dem Gebiet der kirchlichen Verwaltung hat sich St. Pölten als echter und günstiger Zentralort erwiesen. Auch verschiedene Funktionen des kulturellen, wirtschaft-Vcher und sozialen Lebens reichen über mehrere Landesviertel. Ich möchte hier nur das Einzugsgebiet unserer Höheren Technischen Bundeslehranstalt für Maschinen und Elektrotechnik erwähnen, die ebenso wie die frühere Lehrerbildungsanstalt ein sehr große Ausstrahlung besitzt. Auch Handelsbetriebe unserer Stadit versorgen Wie des Waldyierbela und selbst Grenzgebtete der Steiermark von St. Pölten aus. Nicht zu vergessen wäre unser Krankenhaus, das größte Im Lande Niederösterreich, das auf vielen Fachgebieten ein Oberzentrum danstellt und Pen aus allen Landesteilen von der steirischen bis zur tschechischen Grenze aufnimmt. Als ..Viertelstadt“, als Sitz eines Kreisamtei für das Viertel ob dem Wienerwald, war St. Pölten seit dem Jahre 1753 bekannt. Während in der politischen Verwaltung die Kreis-einteüung verschwunden Ist und nur noch bei Vehlen in Form des Wahlkreises wiederauf-lebt. ;t s'e in der Gerichtsverwaltun erhalten geblieben. Das Kreisgericht St. Pölten Ist für den südwestlichen Teil des Landes zuständig, auch Teile der Landesverwaltome, wie etwa das Gebietsbauamt oder das Arbeits-inspektorat, sind für das gleich Gebiet verantwortlich. Verschieden Schulen der Stadt, wie etwa das miuisisch-pädagoglscbe Realgymnasium, die Schule für Arbeitslehrerinnen oder die Handelsakademie, haben einen Einzugsbereich, der sich fast mit den Grenzen dieses Landesviertels deckt.

Der engere Bereich

Das engere Einzugsgebiet St. Pöltens sind di Bezirke St. Pölten und Lilienfeld, daneben noch Teile der Bezirke Melk und Krems. Von hier aus kommt die Masse der Berufspendler in unsere Stadt, um in den Industriebetrieben oder in den Büros zu arbeiten. Umgekehrt strömen eine Reihe von höher qualifizierten Arbeitskräften, besonders auch Lehrer an den Pflichtschiulen, täglich von ihren städtischen Wohnsitzen in die Arbeitsplätze im Bezirk aus. Auch das Wirtschaftsleben hat die kräftigsten Impulse in den Wechselbeziehungen zwischen diesen Gebieten, die in vieler Hinsicht völlig von der Stadt versorgt werden. Damit deckt sich auch das Einzugsgebiet des

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