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Die Manager für die Visionen

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Das Land Niederösterreich geht sein „Jahrhundertprojekt“ — so Landeshauptmann Siegfried Ludwig, VP, und sein Stellvertreter SP-Landesobmann Ernst Höger unisono — mit vorbildlicher Akribie an. Schon vor dem Sommer wurde eine „Hauptstadt Planungs-Gesellschaft m. b. H.“ gegründet. Ihre drei Vorstandsposten wurden über das Management-Beratungsbüro J. F. Jene-wein (Wien und Scheibbs) öffentlich ausgeschrieben. Und der Ansturm der Bewerber war beachtlich: 266 Interessenten meldeten sich.

„Ins Auswahlverfahren haben sich die Politiker nicht eingemischt“, lobt J. F. Jenewein, „nur sachliche Kriterien haben den Ausschlag gegeben.“ Bei den drei Dreiervorschlägen, die die Management-Berater Mitte Oktober der Niederösterreichischen Landesregierung unterbreiteten, hatten dann die Landespolitiker das Sagen.

• Für die Raum- und Stadtplanung zuständig ist Norbert Steiner, 46. Der geborene Bayer studierte in Wien Architektur und erwarb sich durch Mitarbeit an Planungsprojekten in Wien, Graz, Salzburg, in den USA und Tübingen internationalen Ruf. Zuletzt war er im Münchner Stadtplanungs-Referat tätig. Weil er dort seinen „beruflichen Horizont erreicht“ hat (so Steiner über Steiner), übersiedelt er gerne mit Frau und zwei Kindern zu neuen Horizonten nach St. Pölten.

Er ist übrigens Verfechter einer „sanften Stadtplanung“.

• Vorstand für Finanzen und Recht ist der 43jährige Robert Sega, geborener Wiener, wohnhaft in Neulengbach. Sein Fachwissen im Grundstückskauf, bei der Finanzierung von Planungsprojekten und bei Betriebsansiedlungen erwarb er sich bei diversen Planungsinstituten der Gemeinde Wien, bei der „Strabag“ in Linz und zuletzt als einer der Geschäftsführer der Wiener Betriebs- und Baugesellschaft.

• Den dritten Vorstandsposten bezeichnet Jenewein als „absolutes Novum“: Er ist für Innovation, Information und Bürgerbeteili-gung zuständig. Ausgewählt wurde dafür Gerhard Bonelli, 42, Oberassistent an der wirtschafts-und sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. Der geborene Wiener hat nach St. Pölten „eingeheiratet“. Er ist Fachmann für soziologische Entwicklungen, Städteprojekte und die Verschiebung von Bevölkerungsstrukturen.

Wie groß der Freiraum der drei Planer sein wird, wird von den Verhandlungen über die Vierjah-resverträge mit dem Land abhängen. Das Salär, von dem man munkelt, ist der Privatwirtschaft adäquat: 1,5 Millionen Schilling pro Jahr.

Aber das Land und die Stadt St. Pölten haben sich Mitspracherechte ausbedungen. Im Aufsichtsrat der Planungsgesellschaft sitzen die neun Mitglieder der Landesregierung, zwei Vertreter der Stadt, der Landesamtsdirektor und die an der Planung beteiligten Landesämter.

Die Finanzierung erfolgt über Land (51 Prozent der“ Gesellschaftsanteile) und die in der Spitalsfinanzierung erfahrene Tochter der Landeshypothekenbank „Landeshypo-Leasing“, die 49 Prozent der Anteile hält. Sie wird - über Wunsch - der Stadt St. Pölten bis zu zehn Anteile abtreten.

Das Geld soll über ein Bankenkonsortium aufgebracht werden.

Uber die Köpfe der St. Pöltner Stadtväter hinweg wird nichts zu entscheiden sein. Fünf Standorte für Landhaus und Verwaltungsgebäude stehen vor Ort zur Auswahl. Mit dem Ankauf von 150.000 Quadratmetern Grund hat sich: die Stadt aber erfolgreich zum zweitgrößten Grundbesitzer nach der Diözese St. Pölten in der Traisenstadt hochkatapultiert.

Kein Wunder, daß im Gemein-deratswahlkampf — am 23. November wird in St. Pölten nebst Nationalrat auch das Stadtparlament neu gewählt — die Visionen von der Hauptstadt eine Hauptrolle spielen. Hauptstadtbürgermeister Willi Gruber dürfte am 23. November die „rote“ Stadtmehrheit noch ausbauen. Vor der Volksbefragung am 1. und 2. März ist er — gegen die Intentionen der Landes-SPÖ - für St. Pölten auf die Barrikaden gestiegen.

Mit 1. Jänner 1987 wird auch eine „Regionalisierungsgesellschaft“ die Arbeit aufnehmen. Während die Hauptstadt-Vorplanung vier Jahre dauern wird (Norbert Steiner), kann sie schon im nächsten Jahr konkret werden. Mit einem Budget von 350 Millionen Schilling aus Landesmitteln.

Die Regionalisierungsgesellschaft wird mit den Stadtplanern eng zusammenarbeiten. Aber ihre drei Vorstände stehen noch nicht fest. Die Ausschreibung läuft noch, da das Interesse angeblich gering war.

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