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Die jüngste Diözese

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Der Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich über die Errichtung der Diözese Feldkirch wurde im Außenministerium in Wien am 7. Oktober 1968 unterzeichnet. Es war dies, sieht man von der feierlichen Erhebung der Diözese am 15. Dezember 1968 selbst aib, der Höhepunkt von 150 Jahren dauerndien Bemühungen kirchlicher und weltlicher Behörden um ein eigenes Kirchengebiet im Raum Vorarlberg.

In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß es durchaus nichts Ungewöhnliches ist, daß sich auch staatliche Stellen um die Fragen der Abgrenzung kirchlicher Bereiche kümmern. Insbesondere waren früher aus Staats- und kirohenreohtlichen Überlegungen heraus, etwa zwecks strafferer Führung von Gebieten, deren politische und kirchliche Grenzen nicht übereinstimmten, die weltlichen Gewalten, Fürsten und Kaiser, um die Änderung und Neu-errdchtung von Bistümern bemüht. Seit jeher waren es also staatliche Stellen, die bei der Organisation kirchlicher Verwaätungsgebiete zumindest mitwirkten oder gar initiativ vorgingen und im Einvernehmen mit den kirchlichen Stellen die finanziellen und sonstige Voraussetzunigen schufen.

Die Bulle Plus* VII. „Ex imposito“

aus dem Jahre 1818, die die eigentliche Grundlage für die VorarJberger Biistumsfrage in den vergangenen eineinhalb Jahrhunderten darstellte und als rechtliches Hauptargument für die Bemühungen der Vorarlberger in den vergangenen Jahren gedient hatte, ging jedenfalls von seelsorglichen Gründen aus. Die besondere Stellung und Lage Vorarlbergs, die Hand in Hand mit der volfcstumsmäßigen Andersartigkeit seiner Bevölkerung ging, rechtfertigte, nicht zuletzt wegen der heute auf 276.000 Personen angewachsenen Bevölkerung, die Errichtung einer eigenen Diözese. Dem im Konzil vorgelegten Vorschlag von 200.000 bis 500.000 Gläubigen als Norm für die optimale Größenordnung entsprechen derzeit 148 Diözesen. Die untere Grenze bilden 190 Kleinsitdiözesen mit weniger als 100.000 Einwohnern. Doch hat sich das Konzil selbst auf keine verbindlichen Größenordnungen festgelegt. Das Vorarlberger Bistum war schon als Generalvikariat ein kirchenrechtlicher Sonderfall.

Das Schwergewicht der Wirtschafts- und Sozialentwicklung des Landes liegt im Rheintal. Die industrielle Entwicklung hat dort am frühesten begonnen und ist auch dort im höchsten Maße ausgereift. Innerhalb von 100 Jahren ist der Anteil der landwirtschaftlichen Bevölkerung von 50 Prozent auf 9 Prozent gesunken. Diese Entwicklung ist sicher nicht auf unser Land allein beschränkt, hat sich aber in Vorarlberg besonders augenfällig durchgesetzt. Demgegenüber behielt das im gleichen kirchlichen Organisationsbereäch bisher mit Vorarlberg vereinigt gewesene Tirol mehr seinen stark bäuerlichen Einschlag. Es hat sich, bekanntlich besonders zum Fremdenverkehrsland hin entwickelt, das unser Land zwar auch, aber nicht in dem Maße, geworden ist '•

Ein Jubiläumsgeschenk

Die Bemühungen um die Errichtung einer eigenen Diözese, die in den letzten Jahren unter Leitung von Landeshauptmann Ulrich Hg und unter Mitwirkung des Vorarlberger Klerus in konkrete Formen übergegangen sind, kommen den Wünschen eines Großteils der Vorarlberger Bevölkerung entgegen. Bischof Dr. Paul Rusch und sein Ordinariat in Innsbruck haben vom Zeitpunkt an, da sich die Verwirklichung des Vorarlberger Wunsches abzuzeichnen begann, auf den Ausbau des Generalvikariats Feldkirch mit diözesanen Einrichtungen hingearbeitet. Ohne ihre Mitwirkung wäre es nicht möglich gewesen, 1968, im Jubiläumsjahr des Landes, die als Geschenk aus Anlaß des 50. Jahres der Wiedererrichtung einer selbständigen Landesverwaltung betrachtete Erhebung des Generalvikariats zur Diözese zu feiern. Landtag und Landesregierung haben zusammen mit der Kirche alle Maßnahmen, die auch eines erheblichen Aufwandes bedurften, einhellig unterstützt. In einem Lande, dessen Prozentsatz an Katholiken der höchste unter den österreichischen Bundesländern ist, vermag die verständnisvolle Zusammenarbeit von Staat und Kirche sehr dem Wohle der Bevölkerung nützlich zu sein.

Das Interesse der Verantwortlichen des Landes hat sich raun begreiflicherweise, nachdem die Bistunisfrage so glücklich einer Lösung zugeführt werden konnte, anderen Problemen zugewandt.

Im Vordergrund des öffentlichen Interesses steht derzeit

die Autobahnfrage Bregenz

und der durch den Mindisterrat am 15. Juli dlie-

ses Jahres gefaßte Beschluß hinsichtlich der Verwirklichung des Unternurprojektes. Die Landesregierung wird nun nach endgültiger Entscheidung auf eine zügige Realisierung dieses Projektes, das auch vom Gesichtspunkt der Raumplanung her einen entscheidenden Schritt nach vorne bedeutet, betreiben und keine weiteren Trassenvorschläge mehr prüfen. Ab 1971 werden die Bauarbeiten vor sich gehen. Dieses große Projekt von europäischer Bedeutung an einem wichtigen Verkehrsver-tellungspunkt eröffnet vor allem für die Landeshauptstadt Bregenz neue raumplanerische Möglichkeiten. Insbesondere durch die Verlagerung des Güterbahnhofes aus dem Innen-staditbereiich von Bregenz und die Schaffung

eines Zentoalgüterbahnhofes und Personen-zugsbMebalhnlhofes im Räume Walfurt, mit dessen Bau heuer noch begonnen wird, soll dem schon lange bestehenden Bedürfnis der Wirtschaft des Vorarlberger Unterlandes entsprochen werden. Hierfür rechnet man mit Kosten von zirka 370 Millionen Schilling. In diesem Zusammenhang ist die baldige Schaffung eines zweiten Geleises im stark bewohnten Vortarlberger Zeratralraum Rheintal besonders vordringlich. Die Verwirklichung dieses Anliegens bei der Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in der sich abzeichnenden Band-stadit Rheintal rangiert gleich hinter dem schon lange fälligen Bau der Autobahn. Abgesehen davon stellt

die dynamische Bevölkerungsentwicklung

des Landes die Verantwortlichen auch in anderer Hinsicht vor große Probleme. Verschiedene Großbauvorhaban dies Landes wie etwa die Errichtung eines Landesunfallkrankenhauses zusammen mit dem Krankenhaus der Stadt Feldkirch und die Generalsanierung der Lan-

des-Heii- und Pflegeanstalt Vaiduna nehmen und nahmen einen großen Teil der Landes-mittel in Anspruch. Diese Großbauvorhaben des Landes schließen sich wirkungsvoll an die gerade in der abgelaufenen Regierungsperiode erbrachten Leistungen auf dem Baugebiet an und werden in Zukunft eine entscheidende Verbesserung der gesundheitlichen Betreuung der Einwohner Vorarlbergs zur Folge haben. Es gäbe noch eine Fülle von Problemen zu erwähnen, die das westlichste Land der Republik berühren. Es fehlt heute der Raum zu ihrer Behandlung. Daß Vorarlberg im vergangenen Jahr eine eigene Diözese geworden ist, nach langem geduldigem Bemühen, gilt heute schon fast als Selbstverständlichkeit.

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