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Am Ziele angelangt

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Jede Institution hat ihre Geschichte. In den meisten Fällen beginnt sie mit der Gründung, der dann der Ausbau folgt. Die Diözese Eisenstadt aber, deren Errichtung in diesen Tagen festlich begangen wird, kann auf eine lange Vorgeschichte zurückblicken. In ihr hat sich jener Aufbau vollzogen, der die Voraussetzung für den bedeutsamen Akt wurde, den unser Heiliger Vater Johannes XXIII. durch die Erhebung der Apostolischen Administratur Burgenland zur selbständigen Diözese nun gesetzt hat.

Es ist verständlich, daß für Klerus und Volk des Burgenlandes und auch für seinen Bischof die Diözesanerhebung zunächst als ein erreichtes Ziel erscheint und daß erst dann dieses Ziel als ein neuer Anfang gesehen wird. Denn es führt ein langer Weg bis zu diesem Ereignis herauf, und er war mit vielen Schwierigkeiten verbunden. Vom Ziele her wollen wir ihn rückblickend noch einmal kurz überschauen.

HISTORISCHES ÜBER DIE KIRCHLICHE ORGANISATION DES BURGENLANDES Die Besonderheit und auch die Schwierigkeit einer Geschichte der kirchlichen Organisation des burgenländischen Raumes hängt mit der Eigenart der historischen Entwicklung des Burgenlandes überhaupt zusammen, das ja bekanntlich erst seit dem Jahre 1921 ein geschlossenes politisches Gefüge darstellt. Vorher hat es jahrhundertelang das schwere Geschick eines umstrittenen Grenzgebietes getragen, das sich weniger seiner jeweiligen staatlichen Zugehörigkeit als seiner mehr oder minder druckenden Abhängigkeit von verschiedenen, oft wechselnden Grundherren bewußt war. Der Bewohner dieses Gebietes fühlte sich als Deutscher, Kroate oder Ungar nicht nach seiner staatlichen, sondern nach seiner nationalen Zugehörigkeit. Die Residenzen seiner weltlichen und kirchlichen Obrigkeit lagen für ihn nicht immer im gleichen Lande. Sein Bischof saß in ganz frühen Zeiten, als noch die Römer hier die Herren waren, vielleicht in Scarabantia oder Sabaria, seit der Neu-missionierung nach der Völkerwanderung in Passau oder Salzburg, später dann in Györ oder Szombathely und noch später in Wien.

Als nämlich das Gebiet des Burgenlandes durch den Friedensvertrag von Saint-Germain von Ungarn abgetrennt und als eigenes Bundesland an Österreich angegliedert wurde, ergab sich auch die Notwendigkeit einer Neuorganisation der kirchlichen Verwaltung. Sie geschah zunächst durch ein Provisorium, das aber fast vier Jahrzehnte lang der äußere Rahmen für das kirchliche Leben des Burgenlandes bleiben sollte.

DIE KIRCHENRECHTLICHE ENTWICKLUNG Kirchenrechtlich gesehen, setzt sich das Burgenland aus ehemaligen Teilen der Diözesen Györ (Raab, 99 Pfarren) und Szombathely (Steinamanger, 58 Pfarren) zusammen. Zunächst versuchten die Mutterdiözesen, die abgetrennten Gebiete auch weiterhin zu verwalten, und zwar Györ direkt, Szombathely durch den Erzpriester Franz Thomas von St. Michael, dem die Vollmachten eines Generalvikars für den burgenländischen Teil der Diözese übertragen wurden. Das Ungarische sollte die kirchliche Amtssprache sein, für die Matrikenführung wurde die lateinische Sprache angeordnet, für die Schule die deutsche. Das war ein untragbarer Zustand, und die österreichische Regierung wandte sich mit der Bitte um eine Regelung der Verhältnisse nach Rom.

Am 18. Mai 1922 erhielt der Wiener Nuntius den Auftrag, ein Dekret über die Ernennung des damaligen Erzbischofs von Wien, Kardinal Doktor Friedrich Gustav Piffl, zum Apostolischen Administrator des Burgenlandes zu erlassen. Am 24. September des gleichen Jahres übernahm der neue Oberhirte sein Amt und begann einige Tage später, zusammen mit dem Kanonikus des Wiener Domkapitels, Dr. Franz Hlawati, den er zu seinem Provikar ernannt hatte, seine erste Visitationsreise durch das Burgenland. Es gelang dem volkstümlichen Kardinal bald, das Vertrauen des burgenländischen Volkes und des Klerus zu gewinnen, und so konnte er mit seinem Provikar das schwere Werk wagen, eine kirchliche Verwaltung aus dem Nichts aufzubauen. Die Rechtsverhältnisse der Kirche, der katholischen Schule und des Klerus wurden geregelt und die Dekanate neu eingeteilt. Im Jahre 1925 bestimmte der Heilige Stuhl den heiligen Bischof Martinus zum Landespatron des Burgenlandes; damit fielen die Schwierigkeiten mit der Feier des St.-Stephans-Tages weg, der stark nationalen Charakter hatte.

Nach dem Tode des ersten Administrators war für das Burgenland zwei Tage lang unmittelbar der Heilige Stuhl zuständig, bis am 24. April 1932 Weihbischof Dr. Kamprath, der Kapitelvikar der Wiener Erzdiözese, mit der kirchlichen Leitung des Burgenlandes betraut wurde. Doch schon am 31. Oktober des gleichen Jahres erhielt es einen neuen Apostolischen Administrator in der Person des Wiener Metropoliten Dr. Theodor Innitzer. Er machte einen Priester aus dem burgenländischen Klerus, den früheren Sekretär und Dechanten Sekretär Doktor Josef Koller, zum Provikar. Unter der Leitung dieser beiden um das Burgenland hochverdienten Männer wurde die kirchliche Verwaltung weiter ausgebaut und die Seelsorge intensiviert.

Inzwischen gingen die Bestrebungen weiter, das Burgenland auch rechtlich immer mehr selbständig zu machen. So vereinbarten der Heilige Stuhl und die österreichische Regierung im Artikel III, 2, des Konkordats vom 5. Juni 1933 die Erhebung der Apostolischen Administratur Burgenland zur selbständigen und unabhängigen Praelatura nullius, sobald die dazu nötigen Vorkehrungen getroffen seien.

Die Ungunst der politischen Entwicklung, die der Kirche in Österreich eine siebenjährige Unfreiheit brachte, ließ es nicht zur Verwirklichung dieser Vereinbarung kommen. Doch auch nach der Wiederherstellung des österreichischen Staates hielt der Streit um die Anerkennung des Konkordats die Entwicklung des Burgenlandes zur kirchlichen Selbständigkeit noch lange auf. Trotzdem setzte der Heilige Stuhl einen Akt des Entgegenkommens und einen weiteren Schritt zur Selbständigkeit, als er am 10. November 1949 einen eigenen, im Lande residierenden Apostolischen Administrator ernannte, und zwar den Dechantpfarrer von Wien-Mauer,

Dr. Josef Schoiswohl, der die Rechte eines Residenzbischofs und am 2. September 1951 auch die Bischofsweihe erhielt.

Als Exzellenz Schoiswohl einige Jahre später zum Diözesanbischof von Seckau ernannt wurde, hat der Heilige Stuhl den damaligen Kanzleidirektor zugleich zu seinem Nachfolger bestellt. Dieser empfing am 11. November 1956 die Bischofsweihe in Eisenstadt als Titularbischof von Metellopolis.

Immer noch gehörte das Burgenland de iure zu den ungarischen Diözesen Györ und Szombathely, wenn es auch de facto längst selbständig verwaltet wurde. Es mußte den Katholiken des Burgenlandes, aber auch der österreichischen Bundesregierung ein Anliegen sein, auch die juridische Lösung der Frage zu betreiben. Am 23. Juni 1960 wurden dazu durch einen Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem österreichischen Staat endlich die unmittelbaren Voraussetzungen geschaffen.

In Erfüllung der Vertragsverpflichtung wurde am 15. August 1960 die Diözese Eisenstadt für den kirchlichen Bereich als errichtet erklärt. Am 15. Oktober 1960 kam sodann die Nachricht von der Ernennung des bisherigen Apostolischen Administrators zum ersten Diözesanbischof von Eisenstadt. Sobald eine Ausfertigung der Bulle über die Errichtung der Diözese bei der österreichischen Bundesregierung hinterlegt wurde, galt die Diözese auch für den staatlichen Bereich als errichtet. Die Publikation erfolgte sodann am 31. Oktober 1960 in der neuen Domkirche zum heiligen Martin; bei dieser Gelegenheit nahm auch der neue Diözesanbischof Besitz von seiner Diözese. Die festliche Begehung dieses Ereignisses wurde für den Tag des heiligen Martin, den Patron der neuen Diözese und des Landes, festgelegt.

DIE BEDEUTUNG DER DIÖZESANERHEBUNG

Auf dem Hintergrund dieser Entwicklung der Apostolischen Administratur Burgenland zur Diözese Eisenstadt ist die Bedeutung des Ereignisses zu messen. Es ist mehr als die aktenmäßige Erledigung einer Verwaltungsangelegenheit, mehr auch als Rang- und Titelerhöhung. Für das Burgenland bedeutet es die Vollendung jener Selbständigkeit, die es naturgemäß seit Jahren anstrebte und für den politischen Bereich schon vor 39 Jahren erlangt hat. Die Burgenländer sind in dieser Zeit zu einer wirklichen Einheit zusammengewachsen, die auch durch die Zerreißung des Landes in der nationalsozialistischen Ära und durch seine Angliederung an zwei verschiedene Reichsgaue nicht zerstört werden konnte. Auch die Mannigfaltigkeit der Nationalitäten und Sprachen hat die Burgen-lähder niemals getrennt. Sie ist ebenso mitgewachsen wie die Bereitschaft zur Zusammenarbeit und die Toleranz den Andersgläubigen gegenüber. Die Kirche des Burgenlandes hat auf die nationale Eigenart ihrer Gläubigen immer Rücksicht genommen. Von den 173 Pfarren und selbständigen Seelsorgestellen haben heute 131 die deutsche Seelsorgesprache, 28 die kroatische, 2 die ungarische und 12 eine gemischte. Es ist für den Bischof immer eine Freude, wenn er alle seine Diözesanen in ihrer Muttersprache ansprechen und anhören kann.

Für Österreich bedeutet die Errichtung der Diözese Eisenstadt die vollständige Eingliederung des jüngsten Bundeslandes in das österreichische Staatsgefüge. Nun liegen auch theoretisch keine Rechte oder Ansprüche außerösterreichischer Behörden auf innerösterreichisches Gebiet mehr vor; lediglich die Bande christlicher Nächstenliebe sind geblieben, die auch durch die neue Grenzziehung nicht unterbunden werden. Die einvernehmliche Regelung dieses Konkordatspunktes zwischen dem Heiligen Stuhl und Österreich läßt zudem auch eine positive und beide Partner befriedigende Behandlung der noch ungelösten Konkordatsfragen erhoffen.

Für die Welt ist die Errichtung der Diözese Eisenstadt ein Zeichen der Freiheit und ein Beweis für die Möglichkeit einer Verständigung zwischen Kirche und Staat. Nur wo Freiheit herrscht, gibt es echte Verhandlungen und Verträge; die Unfreiheit hingegen diktiert einseitig und unterbindet das organische Wachstum. So ist dem totalitären Staat die Kirche verdächtig, der freie Staat hingegen schützt ihr Lebensrecht, weil er das Gesamtwohl seiner Bürger zum Ziele hat. So gesehen, reicht die Bedeutung der burgenländischen Diözesanerhebung weit über den lokalen Bereich hinaus.

AUSBLICK IN DIE ZUKUNFT Es ziemt sich, daß in diesen Tagen Volk und Klerus des Burgenlandes, Würdenträger der Kirche und Vertreter des österreichischen Staates große Ereignisse festlich begehen. Damit aber ist es nicht getan. Denn die Diözese Eisenstadt bedeutet nicht nur ein erreichtes Ziel, sondern auch einen neuen Beginn. Es gflt nun, die Kirche des Burgenlandes äußerlich und innerlich fähig zu machen, ihren Aufgaben in jeder Hinsicht zu entsprechen. In der Verwaltung sind noch einige diözesane Institutionen einzurichten und in geeigneten Gebäuden unterzubringen. Große Bauvorhaben sind zu diesem Zweck zu vollenden oder neu zu planen. Der Bischofsdom in Eisenstadt ist weiter auszugestalten; aber auch viele Kirchen in den Pfarren und Filialen sind zu bauen, zu erweitern oder zu restaurieren. Zahlreiche Pfarrhöfe entsprechen nicht mehr selbst den bescheidensten Ansprüchen; Pfarrheime und Kindergärten sind eine unbedingte Notwendigkeit geworden. Auch ein zentrales Bildungsheim soll schon in der nächsten Zeit entstehen.

Mit dem äußeren Ausbau der Diözese soll deT innere Hand in Hand gehen. Eines der wichtigsten Anliegen hierbei ist der Priesternachwuchs, weil es nicht wenige Lücken auszufüllen gilt. Was die Seelsorge anlangt, werden Priester und Laien immer mehr in einer zeitgemäßen, aufgeschlossenen und missionärischen Arbeit zusammenwirken müssen. Dazu ist eine in die Tiefe gehende Schulung und religiöse Bildung notwendig. Viel ist zur Aktivierung des katholischen Lebens schon getan worden, nun gilt es, seine Vertiefung anzustreben und den gläubigen Menschen zu einem mündigen und verantwortungsbewußten Christen zu bilden. Besonderes Augenmerk erfordert auch weiterhin die Betreuung der katholischen Jugend in ihren verschiedenen Lebensformen, weil aus ihren Reihen die Zukunft unseres Landes und unserer Kirche hervorgehen wird.

So erwartet uns also in der neuen Diözese nicht weniger, sondern mehr Arbeit. Doch im Vertrauen auf den Segen Gottes, der uns bisher so augenscheinlich geführt hat, wollen wir sie gerne auf uns nehmen.

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