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Herauslösung aus dem ungarischen Bereich

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Die neue Grenze der Südslowakei zerschnitt die bisherigen Bereiche der ungarischen Erzdiözesen Gran und Erlau, aber auch in den überwiegend slowakischen Diözesen wirkten ungarische Bischöfe, die im Februar 1919 ausgewiesen wurden. Der-neue tschechoslowakische Staat gestattete aber auch den in Ungarn residierenden Bischöfen nicht die Ausübung ihrer Pflichten auf tschechoslowakischem Gebiet. Durch eine Verordnung des Ministeriums für die Verwaltung der Slowakei aus dem Jahre 1919 wurde dann für die Diözesen, deren Bischöfe dem neuen Staat keinen Treueid leisteten, die nach Ungarn geflohen oder ausgewiesen worden waren oder deren Sitz in Ungarn lag, eine Zwangsver-waltung für deren Besitz, vor allem für die Wälder errichtet. Später erfolgte die Zusammenfassung dieses vorerst beschlagnahmten Besitzes in einer „Zentraikommission für die Verwaltung kirchlichen Grundbesitzes“, die dann 1923 an „Liquidie-rungskommiission“ umbenannt wurde.

Am 13. Februar 1921 wurden schließlich in Neutra in der Slowakei in Anwesenheit des Apostolischen Nuntius Micara, des nachmaligen Kardinals, wieder drei slowakische Bischöfe, Blaho, Kmetko und Voj-tassak, geweiht. Vorausgegangene politische Bestrebungen, Andrej Hlinka zum Metropoliten von Preß-burg oder zum Patriarchen der Slowakei zu machen, scheiterten ebenso sehr an der vatikanischen Zurückhaltung wie am Widerstand Prags, repräsentiert durch Minister Srobar.

Die vorläufige Beschlagnahme und Zwangsverwaltung des Kirchenibe-sitzes im Bereich der Slowakei belastete neben anderen Dingen das vatikanisch-tschechoslowakische Verhältnis. Zehn Jahre nach Errichtung der Tschechoslowakei versuchte nun die Bürgerblockregierung nicht nur das Minderheitenproblem zu sanieren, sondern auch eine Beruhigung auf kirchlichem Gebiet eintreten zu lassen. Da ein Konkordat politisch nicht durchzusetzen war, einigten sich die Prager Regierung und der Heilige Stuhl im Jahre 1928 auf einen „Modus vivendi“, der nicht vom Parlament gebilligt werden mußte, in den folgenden Jahren aber auch seine Brüchigkeit unter Beweis stellte. Im Rahmen dieses „Modus vivendi“ wurde auch die Frage der Diözesangrenzen in der Slowakei bereinigt, die Diözesen selbst wurden aus den Metropolitanverbänden der ungarischen Erzbischöfe von Gran (Estergom) und Erlau (Eger) herausgelöst. Da die Prager Regierung aber erst nach weiteren sieben Jahren, und zwar 1935, die unter Zwangsverwaltung stehenden Kirchengüter der Slowakei der Kirche zurückgab, war auch der Vatikan in der Zwischenzeit nicht bereit, die schriftlich vereinbarte Neuabgrenzung der slowakischen Diözesangrenzen durchzuführen. Es war übrigens eine ganz und gar nicht kirchenpolitische Frage, die die kirchlichen Probleme 1935 ins Rollen brachte: Benes brauchte für seine Wahl die Stimmen der (katholischen) Volkspartei und auch die der slowakischen (katholischen) „Ludovä strana“ und war deshalb bemüht, die Streitursaehe, nämlich die Grundbeschlagnahme, aus der Welt zu schaffen. Die nunmehrige Durchführung der Bereinigung der Diözesangrenzen entlang der österreichischen und ungarischen Grenze erfolgte weitere zwei Jahre später, 1937 auf Grund der päpstlichen Delimitatäonsbulle „Ad ecclesiastici regiminis incrementam“.

Inzwischen aber war die Weltpolitik nicht stehen geblieben und die neue kirchliche Grenzziehung entsprach ein Jahr später wieder einmal nicht den politisch-geographischen Gegebenheiten, die durch den Wiener Schiedsspruch 1939 neuerlich verändert worden war. In den Verhandlungen mit dem Vatikan versuchten nunmehr die Slowaken neuerlich eine eigene Kirchenprovinz für die Slowakei durchzusetzen. Jetzt waren sie ja direkte Verhandlungspartner des Vatikans geworden. Die Hauptschwierigkeit bestand nunmehr darin, daß die Slowaken ihrerseits die nunmehrigen slowakisch-ungarischen Grenzen nicht anerkannten und auch im kirchlichen Bereich nicht akzeptieren wollten. Das einzige, was sie durchsetzten, war 1944 die Ernennung von Karol Kmetko zum Erzbischaf ad personam.

1968 mögen es neben den Föderali-sierungsbestrebungen die Tatsache gewesen sein, daß der Vatikan fünfzig Jahre nach der Grenzziehung von 1918 und 1919 nunmehr glaubte, diese Grenzen zur Kenntnis nehmen und die kirchliche Gliederung entsprechend gestalten zu können. Immerhin wurden die Pläne einer eigenen slowakischen Kirchenprovinz auch nach dem Tode von Erz-bischof Necsey — seine Apostolische Administratur Neutra war keineswegs zu einem Erzbistum erhoben worden — nicht zu den Akten gelegt und schon wenige Monatespäter hat der Apostolische Administrator von Tyrnau, Bischof Lazik, anläßlich seines Rombesuches erneut die Errichtung einer eigenen Kirchenprovinz angeschnitten und im Vatikan Aufgeschlossenheit und Verständnis gefunden, und dies um so mehr, als von seiten Prags zwar keine Begeisterung, aber auch keine Bedenken mehr zu erwarten waren. Die Intervention Laziks schien vor allem deshalb wirkungsvoll, weil keinerlei persönliche Interessen im Vordergrund standen, denn nach dem Tode Necseys kamen die beiden letzten Bischöfe der Slowakei, Lazik von Tyrnau (72) und Dr. Pobozny von Rosenau (78) wegen ihres- Alters nicht mehr in Frage. Erschwert wurde das Problem aber auch gerade wegen personeller Dinge, einmal, weil von den fünf slowakischen Diözesen nur zwei besetzt und diese Bischöfe stark überaltert waren. Die Erhebung in eine eigene Kirchenprovinz konnte also nur mit einer Neubesetzung der Bischofsstühle der Gesamtrepublik in Betracht gezogen werden — einem der sorgenvollsten Probleme der immer wieder verzögerten Gespräche zwischen Staat und Vatikan. In dieser Situation war aber trotz allem der Vatikan in einer eher günstigen Situation, weil eine solche Neugliederung eher im slowakischen und auch tschechoslowakischen Interesse, als im vatikanischen lag.

Trotz der verzögerten bilateralen Gespräche nahm aber der Papst zur Frage einer slowakischen Kirchenprovinz nunmehr klar und deutlich Stellung. Günstiger Anlaß war die 1100-Jahr-Feier des Slawenapostels Cyrill. In einem aus diesem Gedenken an den Episkopat, den Klerus und das Volk der Tschechoslowakei gerichteten Apostolischen Brief erklärte Papst Paul am Vorabend des Todes des hl. Cyrill, am 13. Februar 1969, eine baldige organisatorische Neuordnung des katholischen Kirche der Slowakei stehe bevor. jDie Neugliederung des kirchlichen Lebens in der Slowakei wird an sich kaum sensationell sein; mit großer Wahrscheinlichkeit wird aus historischen Gründen die Diözese Neutra zur Erzdiözese erhoben werden, die übrigen vier Diözesen werden dann Suffraganbdstümer werden. Vermutlich werden die auf slowakischem Gebiet liegenden Teile der unierten Diözese Sathmar der von Presov unterstellt werden. Gegenüber den mährischen Diözesen ist ja eine Neuabgrenzung nicht nötig, weil hier ja, ebenfalls historisch bedingt, längst die kirchlichen und staatlichen Grenzen übereingestimmt haben. Sonst aber werden die Bischöfe der zu errichtenden slowakischen Kirchenprovinz künftig zweifellos eine gesamtstaatliche Bischofskonferenz beschicken, weil es ja auch gesamtstaatliche, die Kirche betreffende Probleme geben wird, auch wenn die wichtigsten Dinge, die die Kirche betreffen, überwiegend länderweise geregelt werden, weil die Kultusangelegenheiten und damit die kirchlichen Probleme entsprechend der neuen Verfassung in die Länderzuständigkeit fallen. Im übrigen haben die slowakischen Bischöfe auch schon in letzter Zeit gelegentlich gemeinsame slowakische (und nicht nur tschechoslowakische) Hirtenbriefe herausgegeben.

Wenn sich auch im staatlichen Bereich der vorgeschlagene Trialismus (Böhmen, Mähren-Schlesien, Slowakei) nicht durchgesetzt hat, sondern ein Dualismus (Böhmen-Mähren-Schlesien, Slowakei) realisiert wurde, so wird auf kirchlichem Gebiet diese Einteilung keinesfalls so starr sein. Gewiß auch hier stellt die Verfassung mit ihrer Kompetenzaufteilung die Weichen, in den westlichen Ländern ist aber die kirchliche Organisation längst natürlicher und vernünftiger gewesen. Hier besteht das Erzbistum Prag, dessen Bischof den Titel eines „Primas Bohemiae“ trägt, mit den Suiffraganbistümern Leitmeritz. Budweis und König-grätz. Aber auch das gerade für die Kirche so wichtige und seelsorglich erfreuliche Mähren hat im Erzbistum Olmütz ein sichtbar herausgehobenes Zentrum, zu dem auch noch das Bistum Brünn gehört. So wird, nach den zu erwartenden Umgruppierungen in der Slowakei und den längst überfälligen Bisehofsernennungen künftig je efn Erzibischof in Böhmen, Mähren und in der Slowakei regieren, was dem Kräfteverhältnis und der unterschiedlichen Mentalität eher entspricht, als der gegenwärtige staatsrechtliche Dualismus.

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