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Sehnsucht nach dem alten System

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Ein eher tristes Bild des slowakischen Wirklichkeit zeichnete unlängst die frühere CSFR-Botschafterin in Wien, Magda Vasaryova, vor katholischen Publizisten. Dabei bekam auch die Kirche einiges ab, die sich nach den Worten Vasaryovas vor der Vergangenheitsbewältigung drücke.

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Ein eher tristes Bild des slowakischen Wirklichkeit zeichnete unlängst die frühere CSFR-Botschafterin in Wien, Magda Vasaryova, vor katholischen Publizisten. Dabei bekam auch die Kirche einiges ab, die sich nach den Worten Vasaryovas vor der Vergangenheitsbewältigung drücke.

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Der slowakische Regierungschef Vladimir Meöiar setzt, wie er vor slowakischen Bischöfen vor kurzem bekundete, auf die Werte der Kirche. Der tschechische Premier Vaclav Klaus ergeht sich in positiven Worten über christliche Werte und Tradition im Kontext mit der politischen Erneuerung der Tschechei. Im Hintergrund geht es jedoch um Machtansprüche, um Vereinnahmung der Kirche für politische Ziele.

In der Tschechei droht die Auseinandersetzung um die Rückgabe von Kircheneigentum zu eskalieren. Die Kirche sieht sich mit einer Verzögerung des Gesetzes über die Rückerstattung des von den Kommunisten enteigneten Besitzes konfrontiert. Seinerzeit sorgte der kommunistische Zentralstaat für die von ihm festgelegte Zahl der Priester, die er fest kontrollierte. Die sogenannte Untergrundkirche hatte darunter stark zu leiden. Heute drängt der säkularisierte Staat auf eine saubere Trennung von Kirche und Staat und will die Eigentumsrückerstattung von der Durchsetzung dieses Vorhabens abhängig machen.

Der seit der Wende von 1989 stark strapazierte Seufzer von Kirchenleuten, es sei unter den Kommunisten „so viel einfacher gewesen-, macht wieder die Runde. Jede neue Diskussionsrunde um den kirchlichen Besitz verstärkt nur den Eindruck bei tschechischen Bischöfen, der Staat gehe gezielt gegen die Kirche vor. In der Tat, es geht um das finanzielle Überleben der Kirche in der Tschechei. Und da muß auch die Kirche mit allen Mitteln kämpfen. Beispielsweise beruft sie sich in der Frage des Kirchenvermögens auf die Volkszählung von 1991, bei der sich rund 40 Prozent der Tschechen als Katholiken deklarierten. Wenn es . um Fragen der Pastoral und Schwierigkeiten der Katechese geht, dann verweist man - so Erzbischof Mi-loslav Vlk von Prag - auf nur fünf Prozent Katholiken in Böhmen und 17 Prozent in Mähren. Der Zweck heiligt die Mittel.

Mit der „riesengroßen moralischen Devasta-tion- in der ehemaligen CSFR -so Magda Vasaryova - kommt offenbar die Kirche, die „noch tief im 19. Jahrhundertstecke (Vasaryova), nicht zurecht. In diesem Zusammenhang ist eine Bemerkung interessant, die kürzlich der bedeutendste tschechische Philosoph und seinerzeit gesuchter Gesprächspartner der Paulusgesellschaft im Rahmen des christlich-marxistischen Dialogs, Milan Machovec, gegenüber einem österreichischen Beobachter machte, die Kirche der Tschechei sei im 17. Jahrhundert stek-kengeblieben, habe nicht einmal noch die Aufklärung mitgemacht.

Diskreditierend für die Kirche in der Slowakei, so Vasaryova weiter, wirkten zusätzlich die Bekenntnisse einer Reihe von Priestern zu Jozef Tiso, dem Geistlichen und slowakischen Staatschef von Hitlers Gnaden, desgleichen die Bereitschaft „sehr vieler- Kleriker, mit der Staatssicherheit zusammenzuarbeiten, etwas, das die Kirche heute „unklugerweise nicht öffentlich diskutiere-.

Als paradox bezeichnete Vasaryova die Situation in der Slowakei, wenn etwa der Katholik und frühere Parlamentspräsident Frantisek Mikloäko -„eine moralische Autorität- - in der Öffentlichkeit bespuckt werde (FURCHE 26/1991), Altkommunisten wie der ehemalige KP-Sekretär Vasil Bi-lak, er lebt jetzt in einer Villa am Rand von Bratislava, aber ungeschoren davonkämen. Die Kommunisten, sagte die in Wien sehr beliebte ehemalige CSFR-Botschafterin, nützten die Gunst der Werte-losen Stunde, indem sie dem Nationalismus huldigten, zugleich die eigene Verantwortung bequem beiseite schieben.

Die frühere Schauspielerin diagnostiziert für die Slowakei eine gewisse „nostalgische Sehnsucht- nach dem alten Zustand, was sich auch im Ergebnis der letzten Wahlen widergespiegelt habe. „Das alte Regime war bequem, ein Kindergarten. Die Leute hatten keine Verantwortung, die personifizierte Partei trug sie allein - Der Vorsitzende der Christdemokraten der Slowakei (KHD), Jan Carnogurs-ky (siehe FURCHE-Dossier 3/1993), habe sich gründlich getäuscht in seiner Annahme, die Slowakei sei „antikommunistisch und christlich-.

Zur Trennung der Tsche-cho-Slowakei bemerkte Vasaryova, daß sich erst zeigen werde, ob diese auf der Unfähigkeitberuhte, „Probleme mit normalen politischen Mitteln zu lösen-. Jetzt entfalle der in vielerlei Hinsicht förderliche Wettbewerb mit Prag. „Die Slowakei hat von der Tschechoslowakei sehr profitiert-, betonte sie, die für ein Weiterbestehen der CSFR eingetreten war.

Die Hoffnung einer Reihe slowakischer Minister richte sich jetzt auf den Westen. „Ein Flügel der Meciar-Par-tei HZDS (Bewegung für eine demokratische Slowakei) und sicher 80 Prozent der Slowaken sind westorientiert-, meinte Vasaryova. Man müsse sich aber der „EG-Philosophie- bewußt bleiben, dergemäß Länder wie Polen, Ungarn und die Tschechei als „brave Kinder-, die übrigen osteuropäischen Staaten aber als „tolpatschig-bewertet würden.

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