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Bei seinem Pastoralbesuch in der Slowakei vom 11. bis 14. September findet Papst Johannes Paul II. eine sowohl gestärkte als auch gefährdete Kirche vor.

Vor 13 Jahren kam Johannes Paul II. in die Slowakei als Sieger, heute kommt er nur als oberster Repräsentant einer der verfeindeten Parteien", urteilten die Hospodárske noviny schon Ende Juli und präzisierten: "Die Christkonservativen in der Regierung probieren mit unglaublicher Kraftanstrengung aus, wie viele Einfälle, die Slowakei in eine Pfarrerrepublik umzuwandeln, sie in einer einzigen Legislaturperiode durchzusetzen vermögen." Wie sehr derartige Angriffe die katholische Kirche verunsichern, bezeugt ein Artikel des Kaschauer Erzbischofs Alojz TkáÇc in der Tageszeitung Sme, in dem er warnte: "Ein paar Tropfen Zyankali vergiften einen ganzen See."

Angst vor "Pfarrer-Republik"

Die Angst vor der "Pfarrerrepublik" wurzelt in der Erfahrung des "Slowakischen Staats" von 1939 bis 1945, an dessen Spitze der katholische Priester Jozef Tiso stand. Die Souveränität wurde den Slowaken damals von Hitler aufgedrängt, aber sie entsprach einem Wunsch breiter Bevölkerungsschichten. Um die Unabhängigkeit von Ungarn erkämpfen und bewahren zu können, hatten sich die Slowaken 1918 mit den Tschechen verbündet, doch die vereinbarte Gleichberechtigung ließ auf sich warten. Die Katholiken verärgerte insbesondere die laizistische Ausrichtung der Prager Politik, die sich in der Entsendung freisinniger Lehrer und Beamter in die Slowakei manifestierte.

Wie sehr der Papst darauf bedacht ist, auch nicht den geringsten Verdacht einer Verteidigung von Unrecht zu erwecken, zeigt der Umstand, dass er zumindest vorerst darauf verzichtet, neben Schwester Zdenka Schelingová und Bischof Vasil' Hopko auch Bischof Ján VojtaÇsÇsák selig zu sprechen, dessen Prozess auf diözesaner Ebene abgeschlossen ist, der aber von Kritikern der Mitwirkung an Deportationen nach Auschwitz bezichtigt wird. Er und Präsident Tiso haben sich diesen Deportationen, die 70.000 Juden das Leben kosteten, widersetzt, sich aber nicht behaupten können.

Anders als im Ausland wird der Slowakische Staat im Inland nicht ausschließlich an diesen Deportationen gemessen und wird auch in der Kirchenführung unterschiedlich beurteilt. Meldet etwa Bischof Rudolf BaláÇz von Banská Bystrica deutliche Vorbehalte an und fordert "keine Katholisierung, keine Rückkehr des Slowakischen Staats, sondern eine normale Republik", so bezeugt der Erzbischof von Pressburg-Tyrnau, Ján Sokol, Jahrgang 1933, mit Nachdruck: "Trotz des Krieges war das Leben in der Slowakei gut und angesichts der Situation sogar sehr gut." Die katholische Kirche erlebte damals tatsächlich eine Blütezeit, von der sie heute noch zehrt.

In der Politik bedeutet die Kontroverse um die Vergangenheit auch einen Kampf um Wählerstimmen. So erschien der christdemokratische Ministerpräsident MikuláÇs Dzurinda Mitte August in RuÇzomberok, um der Heimholung des Sarges von Andrej Hlinka beizuwohnen, eines anderen katholischen Prälaten, der als "Vater des Volkes" gilt, aber noch vor Ausrufung des Slowakischen Staats verstorben ist. Dzurinda versuchte in der Hochburg der Nationalpartei zu punkten und durch die Abgrenzung Hlinkas von Tiso sich zugleich als Demokrat auszuweisen. Auch der Zelebrant des Gottesdienstes, der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof FrantiÇsek Tondra, äußerte sich differenziert.

Provokation für die Ungarn

Andererseits traten bei der Feier Jugendliche in Erscheinung, deren Uniformen an die so genannten Hlinka-Garden erinnerten. Und dieselben Jugendlichen waren auch dabei, als kurz zuvor in Komorn (Komárno/Komárom) unter Beistand von Erzbischof Sokol, Nuntius Henryk Nowacki und dem lutherischen Generalbischof Július Filo ein Zyrill-und-Method-Denkmal enthüllt wurde. Der nationale Kulturverein "Matica Slovenská" hatte dieses Denkmal durchgesetzt und verabsäumte es nicht, darauf hinzuweisen, es stehe "auf altem Territorium der Slowaken" - eine Provokation der Ungarn, für die in der Stadt demnächst eine eigene Universität errichtet werden soll. Die Errichtung einer eigenen Diözese oder auch nur die Ernennung eines Weihbischofs für alle slowakischen Ungarn wird von der Slowakischen Bischofskonferenz kategorisch abgelehnt. Zu tief sitzt die Erinnerung vor allem an die Kriegsjahre, als Grenzgebiete vorübergehend wieder zu Ungarn geschlagen wurden.

Der diesseits der Donau gelegene Pressburger Vorort PetrÇzalka, wo der Papst seinen Abschlussgottesdienst feiern wird, war schon 1938 dem Deutschen Reich einverleibt worden. Doch an das dort errichtete Konzentrationslager erinnert heute nur mehr ein Denkmal, es dominieren die Plattenbauten der kommunistischen Zeit und neuerdings Einkaufspaläste wie der auch bei Österreichern beliebte "Aupark". Die neue Kirche zur Heiligen Familie wird sicherlich rasch Kern einer Gemeinde werden, nimmt doch auch in den Städten der Kirchenbesuch zumal junger Menschen zu. Bei der Volkszählung von 2001 verzeichneten fast alle Religionsgemeinschaften in der Slowakei kräftige Zuwächse, die katholische Kirche konnte sich von 60,3 auf 68,9 Prozent der Bevölkerung steigern. Und Sorgen um Priesterberufe plagen die slowakischen Bischöfe nicht.

Papst: slowakische Mutter?

Dem Papst, der nach dem Urteil von Erzbischof Sokol "schön und fließend" Slowakisch spricht und dessen Mutter aus KruÇsetnice an der Orava stammen soll, werden in der Slowakei auch diesmal die Herzen zufliegen, denn die Kritik gilt nicht ihm, sondern dem politischen Katholizismus im Lande. Realisten wie Bischof BaláÇz warnen freilich vor Euphorie: "Wir haben schon zwei Papstbesuche erlebt, aber ein radikales Umdenken ist nicht erfolgt." Dieselben Leute, die sich jetzt als Gläubige deklarierten, fänden nichts daran, kommunistisch zu wählen. Und während sich die Rechtsstellung der Kirche kontinuierlich verbessert, bläst ihr der Wind des Konsumismus und Liberalismus ins Gesicht. Freilich, wie meinte doch Nuntius Nowacki beim Neujahrsgottesdienst im Pressburger Martinsdom? "In den slowakischen Wurzeln verbirgt sich Kraft und lebensspendender Saft."

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