Abgesetzter Erzbischof wechselt den Beruf

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Vor fünf Jahren wurde Róbert Bézak 2012 als katholischer Erzbischof von Trnava abgesetzt. Die Gründe dafür liegen bis heute im Dunkeln. Ab September unterrichtet der von seinen Amtskollegen Gedemütigte an einer Eliteschule der slowakischen Brüderkirche.

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Vor fünf Jahren wurde Róbert Bézak 2012 als katholischer Erzbischof von Trnava abgesetzt. Die Gründe dafür liegen bis heute im Dunkeln. Ab September unterrichtet der von seinen Amtskollegen Gedemütigte an einer Eliteschule der slowakischen Brüderkirche.

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Sollte er Coach werden, wie von Freunden in der Wirtschaft angedacht? Vorträge halten wie vergangenes Jahr in Prag oder, wie von Sympathisanten geplant, in Wien? Oder Berater von Präsident Andrej Kiska werden, der sich für ihn bei Papst Franziskus persönlich eingesetzt hat? Jetzt hat Róbert Bezák, mittlerweile 57, Nägel mit Köpfen gemacht. In zwei Interviews-einem am Sonntag ausgestrahlten im privaten TV Markíza und einem am Montag erschienenen in der Qualitätszeitung Denník N-teilte er mit, dass er das Angebot des zweisprachigen C.-B.-Lewis-Gymnasiums in der Pressburger Satellitenstadt Petrz alka angenommen habe, im Fach Religion und Ethik zu wirken.

Zu lehren wäre das falsche Wort, denn an dem Oberstufengymnasium, das nach dem "Apologeten des Christentums" und Verfasser der "Chroniken von Narnia" benannt ist, wird das Fach nicht doziert, sondern gemeinsam erarbeitet.

Ausgangspunkt sind die Fragen der Schülerinnen und Schüler, denen im Dialog mit der Lehrkraft behutsam der Kosmos der "biblischen Anthropologie" erschlossen werden soll. Und es soll nicht bei der Theorie bleiben: Die Grundsätze sollen in die Bildung einer lebendigen Klassengemeinschaft einfließen.

Zweierlei Du-Wort

"Raum schaffen für das Wachsen jedes Studenten, einen Weg eröffnen zum offenen und kritischen Denken, hinführen zu Verantwortung und Selbständigkeit im Geist der christlichen Werte, schulen um sich im internationalen Umfeld einbringen zu können":Ein solches Programm musste einen Kirchenmann ansprechen, den offensichtlich gerade sein unorthodoxes Verhalten den Kopf in der bischöflichen Hierarchie gekostet hat (die konkreten Gründe sind weiterhin unbekannt). Nichts macht den Kontrast zwischen den beiden Welten deutlicher als das Du-Wort, dessen Anwendung Bezák im Fernsehinterview gleich zweimal thematisiert hat:

"In der Bischofskonferenz haben wir uns ja auch nicht mit Herr Zvolensky und Herr Bezák angesprochen",erinnert er sich und lässt durchblicken, wie sehr es ihn nach wie vor kränkt, dass ihn die Kollegen nach seiner Ausbootung unbedenklich als Mensch haben fallen lassen. Jetzt hingegen beschäftigt es ihn, wie ihn die Vierzehn-bis Neunzehnjährigen in der von englischer Sprache und amerikanischer Pädagogik geprägten Schule ansprechen werden: als Herrn Bezák oder gar als Robo? Darüber werde er wohl erst im nächsten Interview Auskunft geben können, meint er augenzwinkernd und lässt durchblicken, dass mit ihm auch weiterhin in der Öffentlichkeit zu rechnen ist.

Der fünfte Jahrestag seiner Absetzung heuer am 2. Juli hat keinen Medienhype mehr ausgelöst, doch das "Siehe Bezák" ist fest im Sprachschatz der Journalisten verankert. Und der Anker ist jetzt noch tiefer ins Flussbett der slowakischen Kirchengeschichte eingesenkt worden, denn die Causa Bezák hat eine ökumenische Dimension erhalten.

Die slowakische Brüderkirche

Nicht zufällig durch keine der großen, alteingesessenen Kirchen, sondern eine der kleinsten vom Staat anerkannten und im Ökumenischen Rat der Kirchen vertretenen. Während sich die Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses immer wieder vor den Karren der katholischen Mehrheitskirche spannen lässt, agiert die aus Böhmen zugewanderte, erst seit 1926 in der Slowakei offiziell wirkende und im faschistischen Slowakischen Staat des Zweiten Weltkriegs verbotene Brüderkirche (Cirkev bratská) mit ihren nur rund 4.000 Mitgliedern in kleinen Gemeinden unbekümmert als Kirche von unten.

Das von der Brüderkirche geführte Gymnasium ist das Vorzeigeprojekt nicht nur einer offenen Religionsgemeinschaft, sondern auch einer offenen Gesellschaft. Das Reizwort "liberal" ist nicht zu vermeiden angesichts einer katholischen Kirchenführung, die auch den Humanismus als potenziell gefährlich einstuft, und einer politischen Landschaft, in der zwei slowakisch-nationale Parteien miteinander um den Vorrang streiten und die meisten anderen versuchen, den gemäßigten wie den extremistischen Nationalisten Wähler abspenstig zu machen.

Eine andere Slowakei

Sympathisanten der winzigen Brüderkirche sind auch in der katholischen Kirche zu orten. Der katholische Priester Míroslav Kocúr, bei einer Pressekonferenz auch in Wien als Verteidiger Róbert Bezáks hervorgetreten, war Projektleiter des Pressburger Gymnasiums und danach dessen erster Direktor. Ein Mitglied der Brüderkirche, der Starjournalist S tefan Hríb, hat ein Dialogbuch mit Erzbischof Bezák verfasst und räumt als Chefredakteur der Wochenzeitung "Ty´z den "dem in slowakischen Augen liberalen Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn monatlich eine Kolumne ein.

Ein Freund im Vatikan habe ihm erzählt, so Bezák gegenüber Denník N, bei einem Kardinalsrat sei Ende Februar beschlossen worden, seine Causa abzuschließen und "für 50 Jahre zu versiegeln". Dieses "Lebenslänglich" wie auch der Tod seines Fürsprechers, des Prager Alterzbischofs Kardinal Miloslav Vlk, im März dieses Jahres, sei einer der Auslöser gewesen, die unfreiwilligen fünfjährigen "Ferien" zu beenden und einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen. Ein kleiner Schritt für einen Bischof, aber ein großer für die Kirche in seinem Land.

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