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Die Friedenspriester

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Mehr als die Kirchensekretäre, die ja verständlicherweise vorwiegend intern arbeiteten, mehr auch als die durch das Vertrauen des Staates agierenden Kapitelvikare wurde die Organisation der „Friedenspriester“ eine Barriere und ein Hindernis im Verhältnis Staat und Kirche. Auch wenn der Vatikan in der Charakterisierung und Verurteilung einzelner Priester immer vorsichtiger wurde und Plojhar im Bereich der Tschechoslowakei der letzte Priester war, der namentlich exkommunziert wurde, so wurde die Institution der Friedenspriester, so bedeutungslos sie insgesamt auch war und blieb, doch ein Instrument des Mißtrauens innerhalb des katholischen Klerus und der Katholiken schlechthin. Dieses Mißtrauen betraf keineswegs die höchste Spitze allein (also etwa das Verhältnis von Bischof Tomäsek zum Kapitelvikar und späteren Dom- pröbst Stehlik sowie zum Vorsitzenden der Friedenspriesterbewegung Plojhar), sondern ging bis herunter auf die Ebene der Pfarrer und Ka- pläne. Mag der Frühling 1968 für die Kirche in den böhmischen Ländern nicht ohne weiteres Erleichterungen gebracht haben, in der Auflösung der Friedenspriesterbewegung in der bisherigen Form und im Rücktritt Plojhars von diesem Vorsitz, also in einer an sich negativen Entwicklung, sind entscheidende Voraussetzungen für eine neue Einheit der Kirche geschaffen worden.

Plojhars Rücktritt vom Vorsitz der „Friedenspriesterbewegung der katholischen Geistlichkeit der Tschechoslowakei“ am 21. März 1968, also einer Organisation, die er 1951 gegründet und durch 17 Jahre geleitet hatte, wurde darüber hinaus auch der Anfang vom Ende seiner politischen Karriere. Anstoß zu Plojhars Abgang aus der Friedenspriesterbewegung hatten die Theologiestudenten von Leitmeritz gegeben, die gegen Plojhar und den Leitmeritzer Kapitelvikar Oliva demonstriert hatten. Aber das zähe Ringen Plojhars, der buchstäblich zum Abgang gezwungen werden mußte, fand seine Fortsetzung in der Volkspartei. Am 1. April war ihm zwar das Amt des Vorsitzenden der Volkspartei abgenommen worden, doch war ihm gleichzeitig der Ehrenvorsitz zugesprochen worden. Wenige Tage später beschloß das ZK der tschechoslowakischen Volkspartei, ihm das Mißtrauen auszusprechen und ihn als Minister aus der Regierung abzuberufen, gleichzeitig wurde in einer geheimen Abstimmung der Beschluß revidiert, Plojhar zum Ehrenvorsitzenden der Volkspartei zu wählen. Mit dem Rücktritt der Regierung Lenärt verlor Plojhar seinen Posten als Gesundheitsminister; er war zuletzt das rangälteste Regierungsmitglied gewesen. Immerhin verblieb Plojhar noch der Posten eines Abgeordneten im Prager Parlament.

Vor dem Abgang Plojhars von der Friedenspriesterbewegung war auf einer außerordentlichen Sitzung des Präsidiums der Caritas das gesamte Präsidium einschließlich des Vorsitzenden, Domprobst Stehlik, zurückgetreten. Der Apostolische. Administrator der Erzdiözese Prag, Bischoi Tomäsek, wurde gebeten, . bis. zur Neuwahl eines neuen Präsidiums einen Bevollmächtigten zu ernennen, Bischof Tomäsek berief am 28. März in diese Funktion den Administrator der Dompfarre von St. Veit, Doktor Karl Sebora.

Der nächste positive Schritt war die in Velehrad in Mähren eben erfolgte Gründung des „Werkes für konziliare Erneuerung“, ein Werk, bei dem Bischöfe, Priester und Laien aller tschechischen und slowakischen Diözesen vertreten sind. Grußtelegramme wurden an den Papst, den tschechischen Staatspräsidenten und Kardinal Beran in Rom gesandt, besonders herzlich begrüßt wunde dei durch 18 Jahre amtsbehinderte griechisch-katholische Bischof Hopkc und die Vertreter der katholischen Orden. Die hier aufgestellten neuen Forderungen zeigen klar die bis herige Behinderung kirchlichen Lebens auf, sind aber keinesfalls ein Maximalprogramm, und bringen etwa nicht die geringste Andeutung über gewisse materielle Voraussetzungen eines kirchlichen Wirkens nach der radikalen Beschlagnahmewelle der Jahre nach 1948. Gefordert wird gegenwärtig:

Verhandlungen zwischen der Prager Regierung und dem Vatikan; Wiedereinsetzung sämtlicher Diözesan- und Titularbischöfe in ihre Ämter (also keineswegs nur die Besetzung oder gar Neubesetzung der Diözesen!); die Besetzung der vakanten Bischofssitze im Einvernehmen mit dem Vatikan; unbehinderte Tätigkeit der Bischofskonferenz; Beseitigung aller Behinderungen der Bischöfe, insbesondere hinsichtlich Errichtung und Führung theologischer Lehranstąlten und Seminare, der Besetzung von Pfarren, des Baues von Kirchen usw. (also Maßnahmen, die jetzt vor allem durch die Einrichtung der Kirchensekretäre stark behindert werden); Unterstellung der Priester in ihrer seelsorglichen Arbeit unter die alleinige Autorität der Oberhirten der jeweiligen Diözese; Gewährleistung einer freien und unbehinderten Beteiligung der katholischen Laien am Leben der Kirche; Möglichkeiten zur Bestätigung der Orden, Kongregationen und Säkularinstitute im Geiste der Dekrete des II. Vatikanums.

Diese acht Forderungen fassen knapp zusammen, was in letzter Zeit in den böhmischen Ländern von Bischof Tomäsek (vor allem in seinem Hirtenbrief von Ende März 1968) und in der Slowakei von Bischof Necsey (in einem Artikel in der Zeitschrift „Kulturni život“ am 12. April 1968) kritisiert und gefordert wurde.

Der Tagung in Velehrad ging die Gründung einer „Ordensgesellschaft“ Anfang April voraus. Im südmährischen Znaim haben rund 106 Mitglieder aufgelöster Orden mit Bischof Tomäsek beraten und die Gründung dieser Gesellschaft beschlossen. Sie soll künftig der Partner bei den Verhandlungen mit der Prager Regierung und dem Kirchenamt sein; diese „Ordensgesellschaft“ wird darüber hinaus neue Wege des Zusammenwirkens innerhalb der Ordensgemeinschaften entwickeln müssen (eine Maßnahme, die übrigens absolut den Intentionen des Konzils entspricht), weil einige der Orden und Kongregationen durch den Aushungerungsprozeß der letzten Jahre kaum noch werden selbständig wirken können.

Die langsamen Schritte, die die katholische Kirche und die die Katholiken seit Jänner 1968 gegangen sind, stießen gelegentlich auf Verständnislosigkeit und Enttäuschung, nicht zuletzt auch die Tatsache, daß im staatlichen Bereich weit rascher reagiert wurde als im kirchlichen. So erfolgte fast blitzartig die Entfernung des Leiters des Staatsamtes für Kirchenfragen und sein Ersatz durch die bekannte Atheismusexpertin Dr. Erika Kadlecovä. Dabei darf allerdings nicht vergessen werden, daß noch heute sieben der acht böhmisch-mährischen Diözesen ohne reguläre Führung sind; daß die spontane Rückkehr der amtsbehinderten Bischöfe auf ihren Bischofssitz (in Königgrätz hat dies das Domkapitel bei Bischof Otčenašek ausdrücklich gewünscht und in Leitmeritz hat Bischof Trochta unter gewissen Bedingungen seine Bereitschaft zur Rückkehr bekanntgegeben) nicht ganz der eher vorsichtigen Mentalität der Tschechen entspricht — ganz abgesehen von der Tatsache, daß . ein Teil der Bischöfe stark überaltet ist, alle aber in den letzten Jahren viel mitgemacht haben und die innerpolitische Entwicklung in der Tschechoslowakei nur beschränkt mitverfolgen konnten; daß noch bis in die allerletzte Zeit neuerliche Verhaftungen von Geistlichen vorgekommen sind und daß die völlige Isolierung der Kirche von der Weltkirche, die nur seit dem Konzil leicht, aufgelockert wurde, eine Mobilität der Kirche stark behinderte.

Neugliederung im kirchlichen Bereich

In dieser Entwicklung hat vorerst auch der Vatikan — vermutlich auch durch eine Operation seines Ostspezialisten Msgr. Casaroli behindert — vorerst kaum eingegriffen,, ;von einigen wohlwollenden Hinweisen über den Liberalisierungsprozeß abgesehen.

Nunmehr hat die Ernennung des Apostolischen Administrators der slowakischen Diözese Neutra zum Erzbischof — er ist nach Erzbischof Karol Kmetko der zweite slowakische Erzbischof überhaupt — einiges Aufsehen erregt, mehr aber noch das Handschreiben Papst Pauls, in dem von der Möglichkeit einer baldigen Neuregelung der Diözesen in der Slowakei die Rede ist. Diese Regelung ist — wie übrigens in anderen Teilen Europas — seit fünfzig Jahren, also seit der Grenzziehung des Jahres 1918 überfällig. Gegenwärtig unterstehen vier Bistümer direkt dem Heiligen Stuhl, und zwar Neutra, ein uralter christlicher Bischofssitz, daneben Zips, Neusohl sowie das griechisch-katholische Bistum Prešov. Zwei Bistümer, Kaschau und Rosenau, sind Suffraganbistümer der ungarischen Erzdiözese Gran. Dazu kommt noch die Apostolische Administratur Tyrnau und keinere, auf slowakischem Gebiet liegende Teile der rumänischen Diözese Šatu Mare.

Bei aller Zurückhaltung des Vatikans, staatliche Grenzziehungen ohne weiteres für die diözesanen Grenzen anzuerkennen, wäre an sich hier in der Slowakei eine Regelung nicht verfrüht. Zu bedenken ist aber, daß ähnliche Bemühungen zu Zeiten des selbständigen slowakischen Staates 1939 keinen Erfolg zeigten. Berücksichtigt man die slowakischen Bestrebungen nach einer Föderali- sierung der Tschechoslowakei und nach einer „symmetrischen Lösung“ so kämen die vatikanischen Vorschläge zu einem in jeder Hinsicht günstigen Augenblick. Sind in der Slowakei die politischen Gegensätze nie so heftig aufeinandergeprallt wie in Böhmen, so hat man sich auch im kirchlichen Bereich besser und leichter „arrangiert“. Das hat den Slo waken und ihren Bischöfen zwar gelegentlich Kritik ejngebrącht. Tatsache aber ist, daß das kirchliche Leben in der Slowakei — nicht zuletzt durch die Tatsache, daß noch drei der slowakischen Diözesen eine reguläre kirchliche Leitung haben, weit konsolidierter ist.

Unversehrte Unierte Kirche?

Es bleibt schließlich noch die staunenswerte Tatsache, wie lebendig nach einem 18jährigen Katakombendasein die unierte Kirche in der Slowakei geblieben ist. Gegen sie haben sich die schärfsten Maßnahmen gerichtet. 1950 war sie verboten worden, ihre Gläubigen wurden zwangsweise der Orthodoxen Kirche zugewiesen, die Priester, die bekanntlich heiraten dürfen, mußten in anderen Berufen unterkommen. Ihre Bischöfe, Pavel Gojdičund Vasil Hopko waren lange Jahre in Haft, Gojdič ist hier auch gestorben.

Die rund 300.000 Menschen umfassende Gruppe, die in exponierter Lage in der Ostslowakei an der sowjetischen Grenze lebt, hat nun starke Lebenszeichen von sich gegeben. Ein Großteil der noch überlebenden Priester der unierten Kirche, 133, hat sich nun mit Bischof Hopko getroffen. Sie fordern eine Wiederzulassung ihrer Kirche, eine Rückgabe ihrer Kirchen und die Wiederaufrichtung ihrer Diözese. Das sorgenvollste Problem, das des Priesternachwuchses, gibt es bei den Unierten merkwürdigerweise nicht; 73 Neupriester, die im Priesterseminar der Othodoxen Kirche ausgebildet wurden, aber aus der Gruppe der Unierten stammen, wollen dorthin zurückkehren.

Versucht man die Chance des kirchlichen Wiedererwachens und des kirchlichen Wiederaufbaues zu charakterisieren, so wird man trotz allem nicht in einen rosaroten Optimismus verfallen können. Gewiß ist das Ansehen der Kirche im Augenblick vielleicht größer als in den letzten 50 Jahren; die Wunden aber, die der Kirche geschlagen wurden, sind außerordentlich schwer. Sie sind so, daß eine Heilung lange Zeit wird in Anspruch nehmen müssen. Und sie ist so, daß das Ausland viele Medikamente — auf den verschiedensten Gebieten — wird beisteuern müssen.

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