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Weit ist es von Prag nach Rom

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Als im Juni Msgr. Casaroli und Msgr. Bongianino nach Prag reisten, glaubte man schon, daß die Zeit reif sei für die Lösung konkreter Fragen. Doch bald nach der Abreise der Vertreter des Vatikans wurde auf Wink der tschechoslowakischen Regierung auf Versammlungen von Priestern bekanntgegeben, daß die Verhandlungen mit dem Vatikan gescheitert seien. Zu den vorgesehenen Verhandlungen im Oktober kam es gar nicht mehr.

Theorie und Praxis

Der erste tschechische Prälat, der Prager Exkapitularvikar A. Stehlik, behauptet in einem Artikel, der im italienischen kommunistischen Tag-blaitt „Unitä“ vom 14. Septem-

ber 1967 erschien, „daß es fast zehn Jähre zur Klärung der sowohl durch die Kirche wie durch den Staat entstandenen Irrtümer bedurfte; daß der Klerus begreifen müsse, daß die jetzige Situation dauerhaften Charakter habe und daß es sinnlos sei, auf eine Änderung dieser Situation zu hoffen. Sehr viele Probleme zwischen Staat und Kirche aber konnten gelöst werden; er habe in den letzten Jahren den Eindruck gewonnen, daß durch guten Willen auf beiden Seiten noch weitere Probleme gelöst werden könnten“.

In der letzten Zeit haben in der Tat Begegnungen zwischen Christen und Marxisten stattgefunden, doch bewegte sich der Dialog, der im engen Kreis den guten Willen beider Partner hat, nur auf theoretischer Ebene.

Wie aber sieht die Praxis aus?

Das Rundschreiben des Zentralkomitees der Komunistischen Partei der CSSR vom 7. August an die leitenden Organisationen der Partei gab lakonisch bekannt, daß es in den Verhandlungen mit den Vertretern des Vatikans zu keinerlei Ergebnis gekommen sei, da der Vatikan die Linie der einseitigen Vorteile verfolge; der Vatikan müsse aber die Gesetze der CSSR über die Beziehung des Staates zur Kirche respektieren, da die CSSR sie für endgültig halte und nicht zu ändern beabsichtige.

Diese kategorische Erklärung bestärkt den Eindruck, daß der ideologische Kampf noch immer bestimmend ist und die Koexistenz mit

einer anderen Gesinnung nicht zuläßt.

Bei den Verhandlungen im Juni ging es bekanntlich um die Besetzung der frei gewordenen Bischofssitze.

Die Bischöfe müssen als die höchsten Hirten durch das Beispiel ihres geistlichen und sittlichen Lebens erstreben, daß die Gläubigen angemessene Vertiefung im Glauben wie im religiösen Leben erfahren und so ein richtiges christliches Leben führen können. Kann der Vatikan von der Regierung vorgeschlagene Kandidaten annehmen, denen diese Voraussetzungen fehlen? Kann es als Beweis des guten Willens, gelten, die Frage der Besetzung der bischöflichen Sitze lösen zu wollen und

gleichzeitig, wie es noch immer der Fall ist, Direktiven gegen das Aufleben des religiösen Lebens zu treffen?

Ein offenes Problem ist auch die Vorbereitung der neuen Priester, ohne die auch der beste Bischof nicht wirksam pastoral wirken kann. Einige Presseagenturen veröffentlichten die Nachricht, daß heuer viel mehr Kandidaten für das erste Jahr des Theologiestudiums angenommen werden als in früheren Jahren. In Wahrheit wurden jedoch in das Litomerice-Seminar heuer nur 26 Kandidaten aufgenommen. Zur Illustration führen wir die Zahl aller derzeit studierenden Theologen an: in Litomerice für Böhmen und Mähren 65, in Bratislava für die Slowakei 84; geweihte Priester gibt es in Litomerice und Bratislava zusammen 20. (Nach dem Statistischen Jahrbuch der CSSR von 1966.) Österreich hat nur die Hälfte der Bevölkerungszahl der CSSR — und hier wurden heuer 180 Priester geweiht!

So ist es unbegreiflich, wie Probst A. Stehlik in der schon erwähnten „Unitä“ behaupten kann, daß die Zahl der Theologen mit 'jedem Jahr steige, daß in diesem Semester eine außerordentlich große Zahl angenommen werde und daß es Aufgabe der zukünftigen Priester sein werde, der Reihe nach alle unbesetzten Pfarreien zu besetzen, damit überall die so notwendige Seelsorgearbeit beginnen könne. Solche „Informationen“ tragen nicht zur Lösung des Problems bei und fördern auch nicht den ehrlichen Dialog.

Weitere offene Fragen

Die Pastoraltätigkeit der Bischöfe kann durch das gesprochene oder gedruckte Wort ausgeführt werden. Was aber, wenn der Bischof derzeit keinen Einfluß auf den Inhalt des einzigen Wochenblattes, das den Titel katholisch trägt, hat, wenn für seine Worte kein Platz in diesem Blatt ist, wenn er keinen Einfluß auf die Auswahl der Redakteure hat?

Heute, da die Kirche den Laien immer mehr Möglichkeiten der Mitarbeit bietet, ihnen neue Aufgaben weist, geht die Entwicklung in der CSSR in die entgegengesetzte Richtung. Es ist paradox: Klerikalismus, der in der Vergangenheit scharf abgelehnt wurde, wird in der CSSR

heute gefördert. Abgesehen von den „Laien“, die als Landes- und Bezirkssekretäre des Amtes für kirchliche Angelegenheiten tätig sind, sind die wirklichen Laien von der aktiven Teilnahme am Leben der Kirche, wie es das Vatikanische Konzil meint, völlig ausgeschlossen, wenn auch die Priester etwas über das Konzil erfahren können oder eine Lektüre in der Monatszeitschrift finden, die für sie ausgegeben wird: die Laien haben diese Möglichkeiten nicht. In den Resolutionen der Friedenspriester über die Arbeitsdirektiven aus Rom kann man oft lesen, daß nunmehr die Konzilsdekrete auch im Alltag verwirklicht werden; doch ist es schwer, sich vorzustel-

len, wie sich der Laie über diese Dekrete ein Bild machen soll, wenn er sie gar nicht in die Hand bekommt.

Offene Fragen bleiben auch das Problem der Ordensgeistlichen und Schwestern, die Frage des Religionsunterrichtes, die Ausbildung der Religionslehrer. Im September dieses Jahres zum Beispiel bekamen die Leiter der Schulen, in denen sich eine größere Zahl von Kindern zum Religionsunterricht gemeldet hatten, die Anweisung, diese Zahl um 10 Prozent zu reduzieren — ein Beweis mehr, daß es wieder zur Einmischung höheren Orts in der Frage des Religionsunterrichtes kommt.

Warten, warten...

Die Verhandlungen im Juni haben alle oben erwähnten Probleme nicht einmal angeschnitten. Gleich beim ersten Punkt der Ernennung der neuen Bischöfe kam es zu Stockungen. Diese hätten für beide Seiten annehmbar sein müssen. Für den Heiligen Stuhl müßten sie

Garanten dafür sein, daß ihre Ernennung nicht nur das Verhältnis der CSSR zum Vatikan verbessert, sondern auch zur Lösung der innerstaatlichen religiösen Situation beiträgt. Den Vertretern des Vatikans waren die von der tschechoslowakischen Regierung vorgeschlagenen Kandidaten aus den Reihen der Friedensbewegung der Geistlichkeit offensichtlich dafür keine Bürgen. Die gleichen Vertreter, die die Vereinbarungen mit Jugoslawien und in

gewissem Sinne auch mit Ungarn trafen, mußten die CSSR unverrich-teter Dinge verlassen. Sie schwiegen. Die Bevollmächtigten der CSSR aber gaben bekannt, daß der Vatikan bei den Verhandlungen nur „einseitige Vorteile“ angestrebt habe, denen die CSSR nicht nachzugeben bereit gewesen sei.

Und so scheint es, daß man wieder einmal warten muß, bis die Situation doch einmal für eine Verständigung reif ist.

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