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Nachbarschaft und guter Wille

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Die Tschechoslowakei war eines der ersten Länder, das im Jahre 1955 dem Staatsvertrag beitrat, der die Grundlage für die immerwährende Neutralität Österreichs schuf. Von grundlegender Bedeutung für die positive Entwicklung der tschechoslowakisch-österreichischen Beziehungen war der Abschluß des Vertrages über den Vermögensausgleich im Jahre 1974.

Die jetzigen Beziehungen zwischen der CSSR und der Republik Österreich können als die meist- entwickelten seit der Entstehung der beiden Staaten im Jahre 1918 betrachtet werden.

Die Besuche des Bundespräsidenten der Republik Österreich, Rudolf Kirchschläger, in der CSSR im Jahre 1979 und des Präsidenten der CSSR, Gustav Husak, in Österreich im Jahre 1982 trugen wesentlich zur Stabi-

lisierung unserer gegenseitigen Beziehungen bei. Das letzte Treffen der beiden Präsidenten am 31. Jänner 1986 in Bratislava bekundete erneut auf höchster politischer Ebene den besten Willen, die Beziehungen zwischen unseren benachbarten Ländern allseitig zu fördern.

Von besonderer Bedeutung für unsere Beziehungen und die Zusammenarbeit unserer Länder auf internationaler Ebene waren zwei Besuche von Außenminister Bohuslav Chnoupek im vergangenen Jahr in Österreich.

Auf allen Gebieten unserer Zusammenarbeit sind die Beziehung gen durch mehr als 60 Verträge und andere wichtige Vertragsdokumente geregelt. Die jetzigen Beziehungen auf dem Gebiet der Wirtschaft, der Kultur, der Wissenschaft, des Sports und anderen sind ein guter Beweis für die Nützlichkeit und Wichtigkeit unseres Bemühens, als gute Nachbarn zu leben.

Einen bedeutsamen Bestandteil der Gesamtbeziehungen zwischen der CSSR und der Republik Österreich bildet die Zusammenarbeit im wirtschaftlichen Bereich. Sie ist für die Stabilisierung unserer bilateralen Beziehungen von großer Bedeutung. Österreich ist der zweitgrößte westliche Handelspartner der CSSR. Der tschechoslowakische Außenhandel mit Österreich bildet 16 Prozent des gesamten Warenaustausches der CSSR mit westlichen Ländern und erreicht nun ein Volumen von einer Milliarde Dollar.

Von besonderer Bedeutung für das Anwachsen des gegenseitigen Handels war das vergangene Jahr. Durch die begonnene Lieferung einer Krackinganlage der VÖEST nach Litvinov für mehr als drei Milliarden Schilling, den Ausbau von Hotelkapazitäten und eine Reihe von weiteren Teilnahmen an unseren Investitionsvorhaben war es möglich, die österreichischen Exporte zu uns um mehr als 30 Prozent zu erhöhen. Dadurch kam es bei leichtem Sinken der tschechoslowakischen Exporte nach Österreich zu einem Anwachsen des Warenaustausches um 15 Prozent.

Weitere große Möglichkeiten zum qualitativen Anwachsen der wirtschaftlichen Zusammenar beit sehen wir in der vermehrten Nutzung der höheren Formen, wie zum Beispiel der Gründung von ,Joint ventures“ , der Kooperation auf Drittmärkten.

Gute Zusammenarbeit besteht auch im landwirtschaftlichen Bereich, was ein reger Informationsaustausch beweist. Traditionell gute Ergebnisse bringt die Zusammenarbeit im Bereich des Verkehrswesens, der Post und der Finanzen. Die guten wirtschaftlichen Kontakte haben sich erneut bei unplanmäßigen Lieferungen elektrischer Energie nach Österreich sowie bei der Nutzung der’ gemeinsamen Erdöl- und Erdgasvorkommen bewährt.

Die tschechoslowakische Seite begrüßt die Verhandlungen, die über die Nutzung des gemeinsamen tschechoslowakisch-österreichischen Donauabschnittes geführt werden. Wir sind der Meinung, daß die Lösung dieser Probleme die berechtigten Forderungen und Interessen beider Staaten berücksichtigen sollte. Es müßte für beide Seiten möglich sein, zu einer optimalen Nutzung des hydroenergetischen Donaupotentials zu kommen, die die ökologischen und wasserwirtschaftlichen Forderungen respektieren und die Bedingungen der internationalen Donauschiffahrt nicht nur erhalten, sondern verbessern würde.

Daß man auch komplizierte Vorhaben aufgreifen kann, beweist das Abkommen vom Jahre 1982 betreffend die Information über die grenznahen Atomkraftwerke. Mit dem gleichen guten Willen auf beiden Seiten wurde das Abkommen über die Zusammenarbeit in Umweltfragen vorbereitet, das in Kürze unterschrieben werden könnte.

Zu erfolgreichen Kontakten zwischen der CSSR und Österreich gehören die kulturellen Beziehungen. Sie sind durch das spezifische Abkommen vom Jahre 1977 geregelt. Jährlich kommen etwa fünf- bis siebentausend Künstler aus der CSSR nach Österreich.

Die Kulturtage der CSSR in Österreich Ende des vergangenen Jahres wurden auch durch die Anwesenheit der höchsten Repräsentanten von Österreich an verschiedenen Veranstaltungen zu einem bedeutenden kulturellen und gesellschaftlichen Ereignis.

Österreich und die CSSR sind traditionelle Sportpartner. Rund 4.000 Sportler treffen einander jährlich. Im Hinblick auf gute Beziehungen auf anderen Gebieten wäre es wünschenswert, auch die Beziehungen zwischen den Jugendorganisationen beider Länder zu intensivieren.

Von großer Tragweite für die Erweiterung der Basis der Gesamtbeziehungen zwischen beiden Staaten könnte die Anbahnung von Partnerschaftsbeziehungen zwischen den österreichischen Bundesländern und tschechoslowakischen Kreisen werden (siehe den Beitrag von Peter Jan- kowitsch). Konkrete Schritte wurden bereits gesetzt durch Repräsentanten von den Kreisen Westslowakei, Südböhmen und Südmähren, um Abkommen mit dem Burgenland, mit Oberöster reich und Niederösterreich zu vereinbaren. Positive Ergebnisse verzeichnen wir bei den beginnenden Kontakten zwischen einigen Wiener und Prager Bezirken.

Auf dem Gebiet der Massenmedien gibt es noch ungenützte Möglichkeiten, das wirkliche Leben und die existierende Zusammenarbeit beider Länder der öffentlichen Meinung intensiv näherzubringen.

Wir schätzen die Zusammenarbeit zwischen dem tschechoslowakischen Rundfunk und dem österreichischen Hörfunk. Ebenfalls die Zusammenarbeit zwischen der Tschechoslowakischen Presseagentur CTK und der Austria Presse Agentur APA, dem Presseclub Concordia und dem Tschechoslowakischen Journalistenverband. Jährlich fahren zu uns rund hundert österreichische Journalisten, und etwa die gleiche Anzahl unserer Journalisten kommt auch nach Österreich.

Die Zahl der in die CSSR reisenden Touristen aus Österreich steigt ständig. Im Vorjahr waren es um zehn Prozent mehr, bei einer Gesamtzahl von 290.000. Aus der CSSR kamen 130.000 Touristen nach Österreich. Ein großer Prozentsatz der Visa für österreichische Touristen wurde aufgrund des 1978 abgeschlossenen Vertrages kostenlos erteilt. Inhaber von Diplomaten- und Dienstpässen konnten ohne Sichtvermerk in die CSSR einreisen. Die Mehrzahl der Gesuchsteller beantragte ihre Visa persönlich — bei einer Wartezeit von nur 30 bis 50 Minuten. Eine größere Anzahl außerhalb von Wien wohnender Gesuchsteller konnte das Visum per Post erhalten.

Aus all dem geht hervor, daß die Beziehungen zwischen der CSSR und Österreich ein gutes Niveau aufweisen. Wir sind uns der Tatsache bewußt, daß noch unerschöpfliche Möglichkeiten da sind.

Für die schrittweise Realisierung weiterer Vorhaben wäre es sehr wichtig, das Bild der Beziehungen ihrem wirklichen Stand anzupassen. Es würde wesentlich zur weiteren Stärkung des gegenseitigen Vertrauens, zur Förderung der gegenseitig vorteilhaften Zusammenarbeit auf allen Gebieten helfen.

In ihrer allseitigen Intensivierung besteht auch ein wichtiger Teil unseres gemeinsamen Beitrages - zweier im Herzen Europas gelegener Länder —, aktiv an der Politik der Entspannung und des Friedens in Europa und in der Welt mitzuwirken.

Der Autor ist Botschafter der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik in Österreich.

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