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Provozierte Peking?

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JNacn Berichten asiatischer Gewährsmänner, deren Informationen sich wiederholt als stichhältig erwiesen haben, herrscht unter maßgebenden Rotchinesen große Freude über die der Sowjetunion als Auswirkung der CSSR-Besetzung entstandenen Schwierigkeiten. In einigen asiatischen Ländern glauben sogar angeblich Wohlinformierte, daß hierbei hinter den Kulissen Peking eine sorgsam getarnte Rolle spielte. In diesem Zusammenhang verweisen sie nicht nur auf gewisse Widersprüche in der Haltung von Personen im pekinghörigen Albanien, sondern auch auf Informationen, nach denen in Moskau diskret geführte Untersuchungen im Gange sind, um mutmaßlich aus dem Ausland gesteuerte Schuldige für militärische und politische Fehlinformationen im Zusammenhang mit den

Vorbereitungen der CSSR-Besetzung verantwortlich zu machen.

Albanien vorgeschoben

Als sehr eigenartig und vielsagend betrachtet man die Haltung ' vön Peking gesteuerter Persönlichkeiten Und gewisser Nachrichtenquellen in Albanien kurz Vor dem Einmarsch. Sie warfen Moskau vor, im Verhalten gegen die tschechoslowakischen „Superrevisionisten“ schlapp und unentschlossen vorzugehen, und einige gingen sogar so weit, die Sowjetunion zu verhöhnen und ihr Mutlosigkeit und Feigheit vorzuwerfen. Solche Äußerungen in einem Lande, das sich seit langem der rotchinesischen Führung verschrieben hat und in allen Fragen den ihm von Peking vorgeschriebenen Kurs einhält, mußte in Moskau, wo man ebenfalls die Vor

gänge in Albanien scharf beobachtete, den Eindruck erwecken, daß sich Peking im Falle eines energischen Vorgehens gegen die CSSR zumindest neutral verhalten werde.

Erst nach dem Einmarsch zeigten dann Peking und'auch der albanische Rundfunk plötzlich • ihr • wahres Gesicht Bei einem Empfang anläßlich des rumänischen Nationalfeiertags bald nach der CSSR-Besetzung erklärte dann Tschu En-lai persönlich, daß der „degenerierte sowjetische Revisionismus“ in die Fußstapfen Hitlers getreten sei und Rotchina das tschechoslowakische Volk im Kampf gegen den „Sozialfaschismus“, der „der Logik imperialistischer Banditen huldige“, unterstütze. Und die Pekinger „Volkszeitung“, die bis dahin, wahrscheinlich ebenfalls zur Irreführung der Sowjetunion, geschwiegen hatte,

schrieb, daß die Moskauer Erklärung, die Besetzung der CSSR diene dem Frieden, nichts anderes sei als ' „übelriechender Unrat aus dem Ab- ' fallkübel des der Sowjetunion als ' Beispiel dienenden Imperialismus“. ' Und da man die tschechoslowakische Freiheitsbewegung früher als ' „Superrevisionismus“ bezeichnet ' hatte, blieb der Pekinger Propa- , ganda nichts anderes übrig, als das Prager Abkommen als „schmutzigen ' Kuhhandel“ zu bezeichnen und über ' Dubcek und Svoboda herzufallen, die angeblich „die Interessen des tschechoslowakischen Volkes an die sowjetischen Revisionisten verscha- 1 chert“ hätten.

Die Rolle der USA

Die erstaunliche Abweichung Hanois von der Pekinger Linie in der Beurteilung der Besetzung der CSSR wird von Asiehkennern als zusätzliches Tarnungsmanöver gedeutet. Außerdem bieten die Vor- , gänge der letzten Augustwoche eine willkommene Gelegenheit, die Vereinten Nationen lächerlich zu machen und durch den Vorwurf der „Unaufrichtigkeit und Schwäche1.1 ihr Ansehen in Asien weiter herabzusetzen. Außerdem beschuldigt Peking die USA, der Sowjetunion in der Frage der Besetzung der CSSR freie Hand gelassen zu haben, und versucht, diese von Washington energisch in Abrede gestellte „Kooperation“ durch verschiedene Meldungen, wie etwa der Tatsache, daß gegen die Besetzung kein energischer offizieller USA-Ptrotesrt erfolgt ist, glaubhaft zu machen.

Alles in allem hat aber nach Ansicht guter Asienkenner Rotchina keinen Grund, sich über die Besetzung der CSSR zu freuen. Denn offenbar schade das Vorgehen der Sowjets und ihrer Verbündeten gegen die CSSR nicht nur „revisionistischen“, sondern auch gesamtkommunistischen Interessen. Eine für Peking sehr ungünstige Auswirkung der Vorgänge in Mitteleuropa beginnt sich schon jetzt u. a. in Japan abzuzedchnen. Die gesamte japanische Öffentlichkeit und alle japanischen Parteien verurteilen scharf die Besetzung der CSSR, was schon jetzt zu einer beachtlichen Schwächung der Tendenzen in Japan führt, die auf die Annullierung des Rotchina unbequemen japanischamerikanischen Verteidigungsabkommens hinauslaufen.

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