6916456-1981_28_03.jpg
Digital In Arbeit

Tiefe Wunden geschlagen

Werbung
Werbung
Werbung

Was da die tschechische katholische Laienorganisation „Opus Bonum“ mit ihrem Vorsitzenden und Gründer, dem Benediktinerabt Anastasius Opasek, sowie die Münchner Hanns-Seidel- sStiftung alles an Persönlichkeiten nach Passau zusamment’rommeln konnten, um „Die Lage der Kirche in der Tschechoslowakei“ zu diskutieren und analysieren, konnte sich sehen lassen. Dementsprechend hoch war auch das wissenschaftliche Niveau dieses Seminars.

Eines der eindrucksvollsten Referate hielt der jetzt in München lebende Karei Kaplan, einst historischer Berater der Dubček-Regierung. Unter Berücksichtigung von Geheimmaterial aus dem Archiv des Zentralkomitees der KPTsch dokumentierte er minutiös die Eingriffe der Kommunisten in das kirchliche Leben von 1948 bis 1955.

Demnach hatte die KP schon 1948 eine langfristige Konzeption für den Kirchenkampf formuliert, deren Endziel es war, die katholische Kirche von Rom loszureißen und in eine Nationalkirche zu verwandeln.

Jedoch, es gelang den Kommunisten in den ersten Jahren nicht, dieses Ziel zu erreichen. Denn, so Kaplan: „Die Kommunisten hatten keine Ahnung, mit wem sie sich in den Kampf einließen. Sie kannten ihren. Gegner nicht und gingen gegen ihn wie gegen eine politische Partei vor ..

Indes brachten es die kommunistischen Machthaber fertig, der Kirche in den Jahren 1948 bis 1956 tiefe Wunden zu schlagen: katholische Presseorgane und Vereine wurden verboten, die Orden liquidiert, Priester inhaftiert, Bischöfe interniert und Gläubige verfolgt.

Kaplan: „Damit gelang es der KP zwar, die Kirche soweit zu lähmen, daß sie die religiösen Bedürfnisse der Laien nicht mehr befriedigen konnte, aber ihr Ziel - eine nationale Kirche - erreichte sie nicht.“

Und der Referent weiter: „Auf dem Feld der religiösen Überzeugung, die sich mit Machtmitteln nicht dirigieren läßt, waren die Erfolge des Regimes verschwindend gering. Außerdem begann sich 4ię religiöse Aktivität außerhalb der kirchlichen Organisationen zu regen. In der Kirche und auch außerhalb blieb genug Kraft zur religiösen Wiedergeburt des religiösen Lebens

Von dieser religiösen Wiedergeburt in den sechziger und siebziger Jahren berichtete der jetzt in Wien lebende Charta-77-Mitbegründcr Ivan Medek. Trotz der verschiedensten Arten der Christenverfolgung, wobei sich ihre Formen aufgrund des internationalen politischen Klimas modifiziert hätten, sei die Kirche in der CSSR lebendig.

Medek: „Es handelt sich dabei nicht immer um die offizielle Kirche, sozusagen für die Öffentlichkeit sichtbare Kirche. Es gibt im Verborgenen große und bedeutende Gemeinschaften, vor allem von jungen Menschen.“

Laut dem in England lebenden jungen Historiker Alexander Tomsky, Professor am Keston College in Kent, ist die gegenwärtige Lage der Kirche in der CSSR das Ergebnis von drei Grundelementen:

• einmal den Auswirkungen des Terrors der fünfziger Jahre auf die Gesinnung der Mitglieder der Kirche, insbesondere des Klerus;

• dann des Problems, mit den Beschränkungen seitens der Regierung leben zu müssen;

• drittens des relativ neuen Wiederauflebens der Religion unter den Gläubigen selbst, die oft nicht nur gegen das Regime, sondern auch gegen die kirchliche Administration opponieren würden.

Prof. Tomsky hob besonders auch die Bedeutung der Bürgerrechtsbewegung Charta 77 hervor („die größte Anregung für die Christen"), der von Anfang an prominente Katholiken und Protestanten angehörten.

Ein anderes bedeutendes Ereignis für die tschechischen Katholiken war die Wahl Karol Wojtylaszum neuen Papst im Oktober 1978: Prof. Tomsky: „In diesem Papst hatten sie einen Fürsprecher gefunden, dem ihre mißliche Lage bestens bekannt war, und der für sie eintreten würde, wenn sie nur selbst genügend Entschlossenheit und Mut zeigten.“

In der auch von Ivan Medek erwähnten „geheimen Kirche“ sieht Prof. Tomsky nicht nur Positives, sondern auch „geistige Gefahren“ liegen, zumal manche der nicht-offiziellen Aktiven zu der Ansicht gelangen könnten, sie allein seien „das Salz der Erde“.

Eine viel größere Gefahr drohe der Kirche aber allemal durch die Polizei und die staatlichen Behörden, und der mysteriöse Tod des heimlich geweihten Priesters Premysl Couflas am 23. Februar dieses Jahres könne darauf schließen lassen, daß die Behörden wieder zu den äußersten Mitteln des Terrors und der Unterdrückung greifen, um ihre Position (in diesem Fall in der Slowakei) zu stärken.

Mit einem besonders ausgeprägten Phänomen innerhalb der katholischen Kirche der CSSR beschäftigte sich Prälat Josef Rabas aus Rom in seinem Referat „Das schwere Erbe des tschechischen Katholizismus“: den seit 1970 reorganisierten „Friedenspriestern“, im Volksmund „Paxterrier“ genannt.

Prälat Rabas fällte über diese Priestervereinigung ein vernichtendes Urteil: „Sie ist der Bazillus dieser unschönen und Ansehen wie auch Wirksamkeit der Kirche schädigenden Erscheinung im Kirchenbild der heutigen CSSR.“ Denn, so führte Prälat Rabas unter anderem aus:

• Die Priestervereinigung „Pacem in terris“ sagt nicht, ob sie eine rein bürgerliche Vereinigung oder eine kirchliche Einrichtung sein will; letzteres kann sie jedoch nicht sein, da sie in keiner Weise eine kirchliche Errichtung oder Approbation vorweisen kann.

• Ihr Statut hat eindeutig und einseitig die Funktion, den Klerus und über diesen das treue Kirchenvolk für die gesellschaftspolitischen Ziele der Partei zu gewinnen.

• Die Führung der Vereinigung degradiert sich damit zum Werkzeug der Parteiführung.

• Sie verhält sich völlig unkritisch und übernimmt, wenigstens stillschweigend, alles, was von dort ausgeht.

• Bis heute hat sie in der Frage der Beziehungen zwischen Kirche und Staat ausschließlich nur die Positionen der Parteiführung und der staatlichen Kirchenverwaltung übernommen, nie ist sie auch mit einer einzigen Anregung den Bemühungen des Heiligen Stuhles zu Hilfe gekommen.

• Die Priestervereinigung mißbraucht Texte und kirchliche Dokumente und interpretiert sie ausschließlich und kon-

sequent im Lichte sozialistischer Auffassungen.

Prälat Rabas wollte dieses vernichtende Urteil jedoch vor allem auf die Führungsgemeinschaft von „Pacem in terris“ begrenzt wissen, man dürfe es nicht auf die Mitglieder insgesamt beziehen, von denen viele nur mittun würden, um Ruhe vor dem Kirchensekretär zu haben.

In einer zum Schluß der Tagung von den Teilnehmern unterschriebenen „Passauer Resolution“ wurde die Einhaltung der verfassungsmäßig garantierten Menschenrechte für die Christen in der CSSR gefordert und gegen das inhumane und diskriminierende Vorgehen der Behörden gegen gläubige Bürger, die Zwangsatheisierung, die Berufsverbote für zahlreiche Priester, und die Einmischung des Kirchensekretärs in die inneren Angelegenheiten der Kirche protestiert.

Furcht vor Polen-Virus

Der Kampf der Behörden der CSSR gegen die katholische Kirche hat sich in letzter Zeit dramatisch verschärft. Oppositionelle in Prag behaupten, dies sei Teil einer Offensive der Partei, um ,.polnische Entwicklungen“ im Land an der Moldau zu verhindern. Dazu eine A nalyse unseres Osteuropa- Mitarbeiters. FURCHE- Redakteur Burkhard Bischof berichtet von einem dreitägigen Seminar in Passau, das dem Thema „Die Lage der Kirche in der CSSR“ gewidmet war.

PETER BRUDER

Der Pfarrer Vaclav N., der in Mähren drei weit auseinander liegende Landgemeinden zu betreuen hat, war nach der dritten Sonntagsmesse mit seinem klapprigen, alten Skoda unterwegs zu seinem Pfarrhof.

Kurz vor der Ortseinfahrt in seine Heimatgemeinde stoppte ihn eine Streife der Verkehrspolizei: Nach einer peniblen Kontrolle der Verkehrstüchtigkeit des Wagens und der Prüfung der Fahrzeugpapiere und des Führerscheins mußte sich der Pfarrer auch einem Alkotest unterziehen.

Der Alkotest verlief positiv - immerhin hatte Pfarrer Vaclav N. dreimal Meßwein getrunken. Und in der CSSR liegt die zulässige Grenze bei 0,0 Promille Alkohol. Dem Geistlichen wurde daher, an und für sich völlig in Übereinstimmung mit der geltenden Gesetzeslage, der Führerschein entzogen. Eine Katastrophe, weil damit die Meßfeier in den drei weit auseinander liegenden Orten faktisch unmöglich geworden ist.

Das ist nur eine der vielen Methoden, mit denen das Regime in Prag derzeit verschärft die ohnehin schon dezimierte Priesterschaft noch schwächer machen will.

• Einige Pfarrer wurden zur medizini

schen Untersuchung bestellt, deren Ergebnis war, sie könnten aus „gesundheitlichen Gründen“ nun nicht mehr ihr Amt ausüben und würden zwangspensioniert. Unter ihnen war auch einer, der im KZ bei medizinischen Versuchen ein Bein verloren hatte …

Wenn innerhalb von drei Monaten kein Ersatzpriester für die Zwangspensionierten gefunden werden kann, wird laut geltendem Kirchenrecht die Pfarrei automatisch aufgehoben. In Böhmen verfügt nur noch eine von vier Gemeinden über einen Seelsorger.

• Eine weitere Methode ist der Entzug der Genehmigung für Amtstätigkeit wegen illegaler Verbreitung religiösen Schrifttums - so bei den Jesuitenpatern Frantisek Lizna, Gabriel Povala und Emil Krapka.

Grundlagen für diese Polizei-Methoden liefern die Erkenntnisse einer eigenen Abteilung des Sicherheitsdienstes, die es sich zur Aufgabe gestellt hat, die „Untergrundkirche“ im Lande zu be

kämpfen und unschädlich zu machen.

Diese Sondergruppe wurde im Herbst 1980 über Beschluß des slowakischen Innenministeriums aufgeStellt und umfaßt in der Slowakei -rund 100 „Spezialisten“. Auch in Mähren und Böhmen sollen nach dem Vorbild der Slowakei am Beginn dieses Jahres solche Sondergruppen gebildet worden sein.

Sie hören Telefone ab, laden „Verdächtige“ zu Verhören vor, machen überfallsartig Durchsuchungen, erpressen Personen zu Zeugenaussagen und schleusen Spitzel in alle Pfarreien und kirchlichen Institutionen ein.

Diese Methoden führen gelegentlich auch zu Protesten der Bevölkerung-so etwa in Ilava, wo man durch Massenverhöre unter der örtlichen Jugend Beweise für „geheime Exerzitien in einer Waldhütte“ suchte. Auch die Einschleusung von Spitzeln und eine massive Einschüchterungskampagne gegen die Studenten des Priesterseminars in Bratislava (Preßburg) führte zu Widerstand - elf Seminaristen veranstalteten ‘ einen zweitägigen Hungerstreik.

Da die übrigen Studenten sich mit den Hungerstreikenden solidarisierten, wäre es fast zur Schließung des Seminars gekommen. Die Affäre endete schließlich mit dem Ausschluß der elf „Rädelsführer“.

Auch in den Schulen wird verstärkt wieder eine antireligiöse Kampagne geführt.

Nun ist in der CSSR schon seit 1948 immer wieder in „Wellen“ ein Kampf gegen die Kirche geführt worden und die jetzigen Repressionen sind also „nichts Neues“. Dennoch erlauben der Beginn der neuen Kampagne Herbst 1980 - und ihre bis jetzt andauernde Intensität sowie andere Indizien einen recht eindeutigen Rückschluß:

Nach der Meinung von Aktivisten in der Bürgerrechtsbewegung „Charta 77“ (die ebenfalls einem verstärkten Druck ausgesetzt ist und wo Prozesse bevorstehen) hängt dies mit den Ereignissen in Polen zusammen.

Die Partei in der CSSR habe erkannt, daß die Entwicklung im Land an der Weichsel sehr wesentlich von zwei Faktoren bestimmt gewesen sei:

Vom Zusammenschluß zwischen Arbeiterschaft und Intelligenz - daher in der CSSR der verstärkte Kampf gegen die „Charta 77“;

Von der machtvollen katholischen Kirche, ohne deren indirekten Einfluß die „odnowa“ (=Erneuerung) in Polen sich nicht hätte durchsetzen können - daher auch die Kampagne gegen die Kirche in der CSSR.

Aus verschiedenen Verhören habe man von den Geheimpolizisten und Untersuchungsrichtern deutliche Hinweise darauf erhalten, daß man keine „polnischen Zustände“ wolle und daher rechtzeitig „offensiv“ werden müsse.

Ob und inwieweit die katholische Kirche in der CSSR durch diese neue Kampagne tatsächlich getroffen werden kann, ist noch offen. Ein Faktum ist jedenfalls, daß die bestehenden Strukturen der Kirche äußerst schwach sind (zehn vakante Bischöfsstühle, katastrophaler Priestermangel, usw.), die Religiosität als solche vor allem in der Jugend aber im Anwachsen scheint.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung