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Am Beispiel Maly: Noch gibt es starke Priester

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Österreichs Außenminister Willibald Pahr besucht dieser Tage die ČSSR - ein Land, das in letzter Zeit mit verschiedenen Maßnahmen die westliche Öffentlichkeit geradezu schockiert hat: sei es durch die Ausbürgerung des Schriftstellers Pavel Kohout (siehe FURCHE Nr. 42), sei es durch den Prozeß - gegen sechs Vertreter des Komitees zur Verteidigung zu Unrecht Verfolgter (VONS), der mit drastischen Strafen für die Bürgerrechtskämpfer Havel, Benda und die anderen Angeklagten endete, sei es durch die unfreundliche Aufnahme des Wiener Burgtheaters bei seinen Gastspielen in Preßburg und Prag. Indessen hält die Unterdrückung der Andersdenkenden an, reißen die Meldungen über neue Verhaftungen von Charta-7 7-Unterzeichnern nicht ab. Und gegen fünf weitere Mitglieder des VONS wird seit Monaten ermittelt, vier von ihnen befinden sich in Haft. Einer davon ist der katholische Priester Vaclav Maly. Über ihn und über die Lage der katholischen Kirche in der ČSSR berichtet hier der seit 1978 in Wien lebende katholische Bürgerrechtler Ivan Me- dek. Wie rigoros das kommunistische Prager Regime gegen katholische Priester und Laien vorgeht, kann der in den Westen gelangten nebenstehenden Mitteilung Nr. 135 des VONS entnommen werden.

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Österreichs Außenminister Willibald Pahr besucht dieser Tage die ČSSR - ein Land, das in letzter Zeit mit verschiedenen Maßnahmen die westliche Öffentlichkeit geradezu schockiert hat: sei es durch die Ausbürgerung des Schriftstellers Pavel Kohout (siehe FURCHE Nr. 42), sei es durch den Prozeß - gegen sechs Vertreter des Komitees zur Verteidigung zu Unrecht Verfolgter (VONS), der mit drastischen Strafen für die Bürgerrechtskämpfer Havel, Benda und die anderen Angeklagten endete, sei es durch die unfreundliche Aufnahme des Wiener Burgtheaters bei seinen Gastspielen in Preßburg und Prag. Indessen hält die Unterdrückung der Andersdenkenden an, reißen die Meldungen über neue Verhaftungen von Charta-7 7-Unterzeichnern nicht ab. Und gegen fünf weitere Mitglieder des VONS wird seit Monaten ermittelt, vier von ihnen befinden sich in Haft. Einer davon ist der katholische Priester Vaclav Maly. Über ihn und über die Lage der katholischen Kirche in der ČSSR berichtet hier der seit 1978 in Wien lebende katholische Bürgerrechtler Ivan Me- dek. Wie rigoros das kommunistische Prager Regime gegen katholische Priester und Laien vorgeht, kann der in den Westen gelangten nebenstehenden Mitteilung Nr. 135 des VONS entnommen werden.

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Betrachten wir die Situation der katholischen Kirche, ihrer Priester und Laien in der heutigen ČSSR, so drängen sich uns Gegensätze auf, die in den übrigen Ostblockländem schwerlich zu finden sind. Insbesondere ein Vergleich mit dem nachbarlichen Polen würde für uns sehr ungünstig ausfallen.

Zweifelsohne haben in den fünfziger Jahren die Christen, darunter besonders die Katholiken, die größten Opfer gebracht, wurden zu Tausenden in Gefängnisse gesperrt, interniert, und viele von ihnen bezahlten es mit dem Leben.

Doch jeder ehrliche Versuch einer Analyse der heutigen Verhältnisse, der Beziehung zwischen Kirche und Staat, der Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Priestern und Laien, der priesterlichen Berufswahl und Ausbildungsform, der Publikationsmöglichkeiten und so weiter, käme nicht umhin zu konstatieren, daß die Kirche in vielen Lebensbereichen viel zu schwach ist - und vielleicht sollte auch dies frei zur Sprache kommen -, unfähig ist, dem Druck der staatlichen Macht zu widerstehen.

Dieser Druck äußert sich nicht nur in der verschiedensten Art von Propaganda, sondern vor allem auch durch viele geheime, gesetzlich nicht verankerte administrative Maßnahmen. Die Interpretation verschiedener, oft sich widersprechender Verordnungen und Verlautbarungen bleibt fast zur Gänze der Willkür der einzelnen Kirchensekretäre überlassen, die darüber hinaus immer direkte Mitarbeiter der geheimen Staatspolizei sind.

Die durch die Erfahrungen der fünfziger Jahre klüger gewordene staatliche Macht stützt sich jedoch nicht nur auf ihre eigenen Leute, sondern auch auf die Kollaboration mit Einzelpersonen und ganzen Gruppen. Die aus Charakterschwäche - und vom christlichen Standpunkt betrachtet aus Mangel an Glauben - entstandene Priesterorganisation „Pacem in tems“, welche an die Friedensbewegung der katholischen Priesterschaft von Plojhar anknüpft, ist ein peinlicher Beweis für den Erfolg der kommunistischen Herrschaft in ihrem Bemühen, von innen her und durch systemeigene Kräfte die Struktur der Kirche zu zerschlagen. .

Die Tatsache, daß in „Pacem in ter- ris“ auch hohe kirchliche Würdenträger vertreten sind, vermehrt nur die allgemeine Verwirrung und Desinformation unter den Leuten. Dies alles dauert schon viel zu lange an, und es sollte nicht Wunder nehmen, wenn allgemeine Ermüdungserscheinungen gepaart mit Hoffnungslosigkeit um sich gegriffen hätten und wenn sich um einen Platz im Priesterseminar nur noch schwache, manchmal fast kränklich anmuten-, de, aus geistig toten, veralteten Traditionen ausgehende junge Leute bewerben würden.

Und trotzdem gelingt es manchmal, die enggeknüpften Maschen der Kontrollen und Kaderdurchsiebung zu passieren, so daß zum Theologie studium wertvolle und mit entsprechenden Anlagen ausgestattete Menschen gelangen. Auf diese Weise wurde vor einigen Jahren auch Vä- clav Maty ein Priester, obwohl ihm seine Wahrhaftigkeit und seine Offenheit sein Studium am Priesterseminar in Leitmeritz keinesfalls erleichtert haben.

Bald nach seiner Priesterweihung wurde er Kaplan in Pilsen, wobei er seine Tätigkeit auch auf die umliegenden Gemeinden ausdehnte. Schon in seiner Antrittspredigt in einer kleinen Prager Kirche im Bezirk Zlichov bewies er, daß er seinen Beruf als einen Dienst und seine Aufgabe als Priester nicht im Widerspruch zur Gesellschaft, zu den Menschen und ihren Schicksalen versteht, sondern im Gegenteil erst darin ihren rechten Sinn erblickt.

Es ist nicht möglich höchste humanitäre Ideale zu vertreten und dabei gegenüber dem menschlichen

Einzelschicksal gleichgültig zu bleiben oder jenes im Namen von Ideen und zur Rettung der Institutionen zu opfern.

Es gibt nicht viele Priester dieser Art in der ČSSR. Die besten von ihnen haben als erste die Charta 77 unterzeichnet. Väclav Maty schloß sich ihnen früh an. Im Frühjahr vergangenen Jahres wurde er Mitglied des Komitees zur Verteidigung der zu Unrecht Verfolgten; mit sich brachte er das Engagement und die Begeisterungsfähigkeit der Jugend - Väclav Maly ist erst 29 Jahre alt -, aber auch Besonnenheit, Ruhe und Klugheit.

All dem zum Trotz übte er seinen priesterlichen Beruf überraschend lange aus. Sein Name, von sich aus völlig unauffällig, war in der Liste mit der Berufsbezeichnung „Arbeiter“ versehen. Im wahrsten Sinne des Wortes stimmte es ja, dem Staatssicherheitsdienst erschwerte es jedoch für einige Zeit die Nachforschungsarbeit zu seiner Person. Im Februar dieses Jahres wurde ihm jedoch die staatliche Zustimmung zur Berufsausübung aberkannt, und er mußte Pilsen verlassen.

Gemeinsam mit neun anderen Mitgliedern des Komitees wurde er am 29. Mai verhaftet und wie seine Freunde der Straftat der „subversiven Tätigkeit in Zusammenarbeit mit einer fremden Macht“ bezichtigt. Es erübrigte sich wohl zu wiederholen, daß diese Beschuldigung unwahr und konstruiert ist

Darüber hinaus braucht man wohl niemand in der CSSR und auch nicht im Ausland zu überzeugen, daß Leute wie Välclav Maty nicht aus Gründen der Selbstbestätigung oder paradox anmutender Eitelkeit zu Signataren der Charta 77 oder zu Mitgliedern des Komitees zur Verteidigung der zu Unrecht Verfolgten geworden sind.

Im Jahre 1949 stand ein anderer Priester unter Anklage vor Gericht: Dr. Antonin Mandl, ein enger Mitarbeiter von Erzbischof Beran. Er wurde der Kollaboration mit dem Ausland, der Spionage für den Vatikan und der subversiven Tätigkeit beschuldigt und zum Tode verurteilt.

Die Strafe wurde später in eine lebenslängliche Haftstrafe und noch später in eine 25jährige Freiheits strafe umgewandelt. 1964, nach mehr als 15 Jahren, wurde er aus dem Gefängnis entlassen, und 1968 wurde sein Prozeß zu einem Irrtum erklärt, wenn es auch zu einer offiziellen Rehabilitierung niemals gekommen ist.

Er kehrte in die Freiheit zurück, zwar mit schweren gesundheitlichen Schäden, aber mit strahlendem Geist, der wie ein Aufruf zur Nachfolge wirkte. Als wir ihn vor einigen Jahren in Prag zu Grabe trugen, ging hinter seinem Sarg als einer seiner Schüler - Geheimschüler - auch Väclav Maly. Schon als Student sagte er, er möchte so wie Ata werden - so nannte man Dr. MandL

Ein Teil dieses Wunsches wurde ihm bereits erfüllt. Viele, die frei in Prag herumlaufen und keine Ahnung haben, wer Väclav Maty ist, könnten jene beneiden, die dort im Gefängnis mit ihm sind, denn diese haben die Gelegenheit, einen wunderbar reinen Menschen kennenzulemen, der zu den Hoffnungen der katholischen Kirche in der Tschechoslowakei gehört.

(Übersetzung aus dem Tschechischen: Roswitha Ripota)

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