6763124-1968_23_08.jpg
Digital In Arbeit

Die „andere Seite“ war stärker

Werbung
Werbung
Werbung

Nach der Machtergreifung des Kommunismus im Februar 1948 wurde Bischof Trochta Sprecher der tschechoslowakischen Bischofskonferenz in den Verhandlungen mit den Kommunisten. In seinem Interview sagt Bischof Trochta über die damaligen Verhandlungen nur, daß die „andere Seite“ stärker war, weil sie die Staatsgewalt hinter sich hatte, und weil — de facto — auch Priester wie Josef Plojhar und Jan Benesch, die mit den Bischöfen hätten handeln sollen, die Interessen des kommunistischen Staates vertraten. „Wir waren nicht gegen den Staat und seine Gesellschaftsordnung“, betont Bischof Trochta, „wir wollten zum Aufbau unseres Vaterlandes beitragen — wir verteidigten allerdings die Rechte der Kirche auf selbständige Entscheidungen ihrer inneren Angelegenheiten.“ Bischof Trochta berichtet, daß die „Verhandlungen“ der Bischöfe mit den Kommunisten zu Ende gingen, als im Tagungsraum eine Abhöranlage entdeckt wurde: Der damalige Innenminister Nosek erklärte unter Protest der Bischöfe, daß der Vatikan dabei seine Hand im Spiel habe, um die Ansichten der einzelnen Bischöfe kennenzulernen. Dann wurden in den Diözesen staatliche Bevollmächtigte eingesetzt, den Ordinarii wurde das Betreten ihrer Kathedralen verboten, bewaffnete Männer stürmten in die Residenzen. Bischof Trochta mußte ins oberste Stockwerk seiner Residenz übersiedeln; er war de facto konfiniert, das Essen wurde ihm gebracht, alles andere erledigten die neuen Machthaber. Er wurde Tag und Nacht von Männern mit automatischen Gewehren bewacht — bei notwendiger ärztlicher Behandlung brachte man ihn nachts in einem Auto zum Arzt. Drei Jahre verbrachte Bischof Trochta so als Gefangener in seinem eigenen Haus.

Dann kam die nächste Etappe des Leidensweges: „In der ersten Hälfte Jänner 1953“, liest man in der „Lidovä demokracie“, „wurde ich von Leitmeritz nach Ruzyii eingeliefert: dort war ich zehn Monate in Untersuchungshaft bis zum Prozeßbeginn. Ich hatte ein Todesurteil zu erwarten, doch wurde ich zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt, wegen meiner proletarischen Abkunft, wegen meiner antifaschistischen Gesinnung und wegen meiner katholischen Erziehung, die mich nicht die ganze Tragweite meiner sträflichen Gesinnung habe erkennen lassen. Die Verhandlung war streng geheim: das Urteil wurde mir nie zugestellt. Grund meiner Verurteilung? Hochverrat und Spionage. Natürlich war ich mir nie bewußt. Hochverrat und Spionage getrieben zu haben. Vom rein rechtlichen Standpunkt aus sind meine Aussagen in der Haft ungültig, denn ich habe das Protokoll vom Antreten der Untersuchungshaft erst bei deren Beendigung unterschrieben.“ Es folgen Einzelhaft in Ruzyii, dann Kreisgefängnis in Leitmeritz, dann Leopoldov, dann wieder .Ruzyii. „Wir lassen Sie hier sitzen, bis Sie weich werden!“ wurde dem Bischof erklärt. Er wurde nicht weich, mußte dafür ein halbes Jahr in die „spezielle Isolationsabteilung“ im Prager Pankrac-Gefängnis.

Es folgten Kartaus, Leopoldov und wieder Ruzyii, wo man ihm eines Tages mitteilte: „Der Herr Präsident hat Sie begnadigt; reihen Sie sich in den Arbeitsprozeß ein und werden Sie zu einem nützlichen Glied der Gesellschaft…“ Wo immer er sich zur Arbeit meldete, zuckte man die Achseln: „Ehemaliger Häftling, das würde noch gehen — aber ein Bischof! Das können wir nicht riskieren …“ Dann kam Bischof Trochta schließlich auf einer Baustelle unter, schleppte Sandkarren, mischte Mörtel und reichte Ziegel; später wurde er Hilfsarbeiter für die Instandhal tung, trug eine Werkzeugtasche durch die Gassen, reparierte Schlösser, Aufzüge, hygienische Anlagen „Auch einem Bischof kann es nicht schaden, wenn er verschiedenes reparieren lernt…“, sagte er.

Das neue Verhältnis zwischen Staat und Kirche

Bischof Trochta war zum Konzil eingeladen, aber es wurde ihm keine Ausreiseerlaubnis erteilt. Doch legte man ihm, da er einen Herzinfarkt gehabt hatte, nahe, vorzeitig in den Ruhestand zu treten. Auf die Frage des Redakteurs, ob die Behörden mit dem Bischof über kirchliche Angelegenheiten diskutieren, antwortete er: „In gewissem Maße und unter gewissen Umständen. Ich bin nach kanonischem Recht doch weiter Bischof, auch wenn ich keine staatliche Genehmigung zur Ausübung meines Amtes und meines Priesterberufes habe. Die Normalisierung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche kann mir nicht gleichgültig sein — und ich glaube, daß ich für diese Sache genug Nützliches getan habe.“ Seine Meinung über das zukünftige Verhältnis zwischen Kirche und Staat drückte Bischof Trochta so aus: „Religionsfreiheit bedeutet nicht nur die Möglichkeit, eine religiöse Zeremonie auszuüben und an ihr teilzunehmen. Man muß den Begriff weiter fassen. Ich glaube, sie ist die freie Möglichkeit, sich zu einer gewissen Weltanschauung zu bekennen, welche, soweit es die Gläubigen betrifft, im Absoluten verankert ist. Das Programm der Kirohe ist ein soziales Programm: so wie soziale Krisen ihren Ursprung in sittlichen Krisen haben. Ein guter Priester muß auch ein guter Bürger des Staates sein, auch wenn seine Weltanschauung eine andere ist als die vieler seiner Mitbürger. Es ist aber notwendig, diesem Zusammenleben von Staat und Kirche ein annehmbares Rechtsstatut und solche Lebensbedingungen zu gewähren, daß die Gläubigen sich in diesem Staat als gleichberechtigte Bürger und als nützliche Glieder der nationalen Familie fühlen.“ Eine „Aufsicht“ des Staates über die Kirche müßte nach Bischof

Trochta auf gegenseitigem Vertrauen begründet sein: nicht Bevormundung I dessen, was rein geistlicher Natur | und rein innerkirchliche Angelegen- I heit ist, durch den Staat. „Die Renais- | sance, die wir eben durchleben, I begrüße ich sowohl als Priester als I auch als Mensch… Ich bin sicher, I daß der Bischof, der das Vertrauen I der Priester und der Gläubigen I besitzt, auch das Vertrauen des Staa- I tes erwerben wird, sicherlich in höhe- I rem Maß als die verschiedenen I „kirchlichen Bevollmächtigten und I Sekretäre“, welche das Vertrauen der I Priester und der Gläubigen nicht besitzen — diese haben das Zusammenleben in der Vergangenheit mehr gestört als gefördert.“

Die Zeit — die nächste Zeit schon — dürfte lehren, wieviel Wasser in den jetzt gärenden tschechoslowakischen Freiheitsmost gegossen werden wird. Der neue Außenminister des tschechoslowakischen Kabinetts, der sehr gescheite und sprachengewandte Dr. Jiri Hajek, gehört zu diesem „Wasser“, namentlich was die Religionsfreiheit betrifft. Er hat nicht nur einem westlichen Korrespondenten grundsätzlich erklärt:

„Wenn Sie hoffen, daß sich die Stimme der Tschechoslowakei ändern wird, täuschen Sie sich … die Stimme der Tschechoslowakei wird immer wie die eines Mitgliedes der sozialistischen Gesellschaft ertönen …“

Er hat auch in einem im Schweizer Radio gesendeten Interview gerade auf die Frage nach der Kirche erwidert, diese sei früher in der Tschechoslowakei „bevorrechtet“ gewesen und nun eben mit anderen weltanschaulichen Gemeinschaften gleichgestellt worden. Ein Außenminister ist die Visitenkarte seines Landes auf dem internationalen Parkett. An der Kirche in der Tschechoslowakei — einer Kirche, die schlimmer gequält worden ist als in jedem anderen kommunistischen Land — ist viel gutzumachen: von ihrer früheren „Bevorrechtung“ und nunmehrigen „Gleichstellung“ zu : reden — das ist ein Knüppel vor die Füße der hoffenden Christen, den die Beobachter der neuen tschechoslowa I kischen Entwicklung nicht übersehen dürfen. Das Schicksal eines Mannes wie Bischof Trochta wird in der nächsten Zeit Aufschluß darüber geben, ob die kämpferischen Athei- : sten innerhalb der kommunistischen und moskautreuen Gremien zu dem : Entgegenkommen gegenüber der ’ Kirche bereit sind.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung